Marc mit Gasmaske am Erta Alé.
So faszinierend Vulkane auch sind, so geht von den feuerspeienden Bergen immer eine gewisse Gefahr aus. Jeder der sich in unmittelbarer Nähe zu aktiven Vulkanen begibt, sollte sich dieser Gefährdung von Leib und Seele bewusst sein.
Die folgenden Zeilen sollen keine allgemein gültige Anleitung zum Besteigen aktiver Vulkane sein, sondern nur ein paar meiner Erfahrungen vermitteln. Sie sind kein Garant dafür, dass nichts passiert, wenn man den Tipps hier folgt. Generell ist es ratsam sich einer geführten Gruppe anzuschließen und den Weisungen von Bergführern und Sicherheitskräften Folge zu leisten. Wer Vulkane lieber individuell erwandert, oder einfach Urlaub in Vulkanregionen macht, sollte wissen worauf er sich einlässt und wie er seine Risiken minimieren kann.
Vulkanausbrüche gehören zu den kraftvollsten Naturphänomenen die unsere Erde zu bieten hat. Zudem sind sie unberechenbar. Selbst ein daueraktiver Vulkan wie der Stromboli kann plötzlich eine größere Eruption produzieren, die den Beobachter in Teufels Küche bringen kann!
Vulkanwandern in schwierigem Gelände
Das höchste Gefahrenpotential geht von explosiven Vulkanausbrüchen aus. Allerdings ist es auch nicht toll von einem Lavastrom eingeschlossen zu werden, oder gar in die Lava zu fallen. Selbst effusiv tätige Vulkane, wie der Kilauea auf Hawaii, können explosive Eruptionen erzeugen. Dabei hat dann meistens Wasser seine Hand im Spiel. Außerdem drohen an Vulkanen sekundäre Gefahren. Am ocean-entry auf Hawaii können plötzlich ganze Küstenabschnitte aus Lavagestein abbrechen und ins Meer rutschen. In vermeintlich harmlosen Thermalgebieten lauern unterirdische Gefahren in Form von Hohlräumen, in die der Wanderer einbrechen kann. Nicht selten brodelt in diesen Hohlräumen kochend heißer Schlamm. Schwere Verbrennungen kommen immer wieder vor.Viele Vulkane sind höher als 3000 m. besonders an ihnen gibt es dann noch die Gefahren des Alpinismus: steile Grate, Schluchten, Hangrutschungen, Steinschläge, plötzliche Wetterumschwünge mit Sturm, Schnee, Regen und Nebel. Am Ätna starben bisher mehr Wanderer, die sich im schlechten Wetter verirrten und zu Tode stürzten, als durch die Eruptionen des Vulkans. Daher gilt es immer das Wetter im Auge zu behalten und bei aufziehenden Schlechtwetterfronten abzusteigen. Wird man vom schlechten Wetter und insbesondere Nebel, oder Blitzeis erwischt, ist es oft besser auszuharren, vorausgesetzt man ist entsprechend ausgerüstet. Wer in eine Notsituation gerät sollte sich nicht scheuen Hilfe herbeizurufen. Mittlerweile gibt es auf vielen Vulkanen in zivilisierten Gegenden ein Mobilfunknetz. Es ist auch gut, wenn man sich im Hotel, oder Zuhause abmeldet und sagt wohin man geht und wie lange man bleiben möchte.
Das Gelände auf Vulkanen erfordert selten alpine Kletterkünste, dennoch kann es sehr schwierig zu begehen sein. Die steilen Flanken von Stratovulkanen sind nicht zu unterschätzen. Schichten aus Asche, Lapilli, Brekzien, groben Hangschutt und Lavaströmen wechseln sich ab. Feste Felsplatten sind am einfachsten zu begehen. Wenn es auf festem Untergrund steil bergauf geht, laufe ich am besten auf den Vorfuß. Allerdings geht das auf die Waden. Wenn es besonders steil ist, kann es von Vorteil sein, Tritte in den Hang zu stampfen. Zumindest Nachfolgende haben es dann leichter. Die Konsistenz von Vulkanasche hängt vom Wassergehalt ab. In lockeren Aschen lässt es sich gut bergab gehen, bergauf kann es zur Quälerei werden. Fest verbackene Aschen sind oft rollig und rutschig. Noch rutschiger wird es, wenn es regnet, oder taut. Dann können sich diese Hänge in Schlitterbahnen verwandeln. Auf Lapilli und Brekzien läuft es sich ebenfalls weniger gut. Hier werden Stiefel besonders gefordert. Frische Aa-Lavaströme zu queren kann sehr schwierig sein. Diese sind locker geschichtet und die Moränen ähnelnden Wälle sind schwer zu erklimmen. Einzelne Brocken sind locker und rutschen ab, oder sinken ein sobald man drauf tritt. Dabei können auch ganze Hangflächen ins Rutschen kommen. Das gleiche gilt für steile Schlackenkegel. Es kann auch vorkommen, dass man noch heiße Lavaströme queren muss, oder will. Hier ist natürlich besondere Vorsicht geboten. Längeres stehen auf einer Stelle sollte man vermeiden, da sich die Schuhsohlen ablösen können. Die meisten Kleber sind nicht hitzefest. Auf frischen Lavaströmen gibt auch tückische Entgasungslöcher, aus denen Gase aufsteigen, die Hunderte Grad heiß sind. Sie haben die Wirkung eines Schweißbrenners und fallen tagsüber nur durch flimmernde Luft auf!
Wenn man auf einen Vulkan campiert sollte man sich seinen Lagerplatz mit Bedacht aussuchen. Mulden bieten zwar Schutz vor Wind, können aber auch zur Falle werden. Gase wie Kohlendioxid sammeln sich dort gerne, Lavaströme ebenfalls. Die Sicht auf den Krater ist eingeschränkt. Ich mag einzeln stehende Felsen, oder Felsrippen lieber, die Windschutz bieten und ggf. auch Lavaströme blockieren. Wer sein Zelt schonen will, benutzt eine Plane als Bodenschutz. Da Lavasteine recht leicht sind, bietet es sich manchmal an eine Schutzwand gegen den Wind aufzuschichten, besonders wenn man kein Zelt dabei hat. Bitte verlasst eueren Lagerplatz so, wie ihr ihn vorgefunden habt.
An mir unbekannten Vulkanen besorge ich mir meistens einen Führer. Trotzdem vertraue ich diesen nicht Blind, besonders nicht außerhalb von Europa, oder Nordamerika. Wenn man in einer Gruppe wandert, sollte man sich auch nicht aufputschen und zu Sachen verleiten lassen, die man sich sonst nicht wagen würde. Selbst wenn Träger bei größeren Expeditionen die Hauptlast tragen, sehe ich immer zu, dass ich die wichtigsten Ausrüstungsgegenstände bei mir habe.
Verhalten während eines Vulkanausbruches
Ist man sich all der möglichen Gefahren bewusst, kann der Vulkanwanderer die Risiken durch umsichtiges Verhalten und guter Ausrüstung minimieren. Doch zum Unterschied normaler Bergwanderer, ist der Vulkangeher immer ein wenig dem wütenden Vulcanus ausgeliefert: einem größeren Vulkanausbruch hat der Mensch nur wenig entgegen zusetzten.Was tun, wenn der Fall der Fälle eintritt? Und wie nahe kann ich einem aktiven Vulkan überhaupt kommen? Letzteres hängt entscheidend von der Erfahrung des Vulkanwanderers ab, oder von dessen Leichtsinnigkeit. Generell gilt es, sich einem Vulkanausbruch nur langsam zu nähern. Erfahrene Vulkanwanderer beobachten das Eruptionsgeschehen mehrere Stunden, oder Tage, bevor sie sich nähern. Grundsätzlich höre ich dabei auch auf mein Bauchgefühl. Wenn sich meine Angst steigert und sich mehr als ein leichtes Unbehagen einschleicht, dann blase ich meistens zum Rückzug. Obwohl ich bereits einige gefährliche Situationen erlebte, bin ich so immer gut gefahren. Ganz klar: auch der Erfahrenste kann eine Situation falsch einschätzen, oder die Situation kann unvermutet eskalieren und katastrophal enden. Nicht zuletzt entscheiden Glück, oder Pech über den Ausgang eines unerwarteten Ereignisses.
Bei strombolianischen Vulkanausbrüchen beobachte ich die Auswurfsweite der Vulkanbomben, also den Abstand, in dem sie vom Förderschlot landen. Ich halte dann mindestens den 3-fachen Abstand zur Aufschlagstelle der Bomben ein. Das gibt einige Reserven für größere Explosionen. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass vereinzelte Lavabomben in meiner Nähe einschlagen, oder sogar über mich hinweg fliegen. In diesem Fall sollte man nicht panisch wegrennen, sonder die fliegenden Lavabomben genau beobachten und ggf. ausweichen. Aber Vorsicht, nicht alle Bomben glühen und nachts funktioniert diese Taktik nur eingeschränkt! Sollten mehr als ein paar Bomben unterwegs sein, könnte es ein wenig Schutz bieten sich hinzuhocken und so klein wie möglich zusammen zu kauern. Das Gesicht dabei an die Knie pressen und die Arme über den Kopf verschränken. Sobald das Bombardement nachlässt sollte man die Flucht ergreifen, sofern man dazu noch in der Lage ist.
Wichtig ist die geeignete Wahl des Beobachtungs-Standpunktes. Bieten große Felsen Deckung? Habe ich genug Platz um mich zu bewegen und auszuweichen? Gibt es eine schnelle Fluchtroute?
Weiterhin ist es sehr wichtig, die Windrichtung zu beachten. Am besten nähert man sich einem Eruptionszentrum mit dem Wind im Rücken, denn von den vulkanischen Gasen geht eine große Gefahr aus. Die Gasmaske sollte immer griffbereit sein. Gerät man in eine Gaswolke darf man auf keinen Fall einatmen, solange die Maske noch nicht angelegt wurde. Dann in der Maske ausatmen, bevor man einatmet. Bei hochkonzentrierten Gaswolken eines eruptierenden Vulkans reichen unter Umständen wenige Atemzüge aus um bewusstlos zu werden und die Lungen zu schädigen. Im Gas verliert man schnell die Orientierung. Nicht selten entströmt Gas aus einer Öffnung im Tunneldach unterirdisch fließender Lavaströme. Hier gilt es um so mehr nicht in Panik zu geraten und wohlmöglich in die Lava zu stürzen, weil man blind loshastet. Und ja, die Augen fangen schnell an zu Brennen und zu Tränen, wenn man in einer dichten Gaswolke steht. Bläuliche Gaswolken sind die gefährlichsten.
Vulkanasche wird auch mit dem Wind transportiert und regnet im Lee der Berge nieder. Ascheregen ist zumindest sehr unangenehm. Damit der feine Sand nicht bis in die letzte Körperöffnung vordringen kann, ist es sinnvoll sich entsprechend zu bekleiden. Schutzbrille und Hut sind da schon gut. Vulkanasche kann die Lungen schädigen. Eine Staubmaske ist unbedingt empfehlenswert. Manchmal kann die Asche auch giftige Stoffe wie Fluor enthalten. Bei großen Vulkanausbrüchen kann in kurzer Zeit sehr viel Vulkanasche niederregnen, es besteht die Gefahr verschüttet zu werden. Besonders wenn es zudem regnet, entsteht ein schwerer Schlamm, der Straßen blockiert, Hausdächer zum Einsturz bringt und ggf. als Lahar ganze Städte ausradieren kann. Falls man Schutz in einem Gebäude sucht, muss man das Dach ggf. regelmäßig von der Asche befreien. Bei Fahrzeugen verstopft der Luftfilter schnell. Scheiben können verkratzen, wenn der Scheibenwischer benutzt wird. Die Fahrzeuge mit einem Besen freifegen, oder mit viel Wasser abspülen. Wischen zerkratzt den Lack besonders.
Domvulkane haben ein besonders hohes Gefahrenpotenzial. Wer einen aktiven Dom besteigt begibt sich definitiv in Lebensgefahr. Jederzeit können Explosionen erfolgen, oder der Dom kann kollabieren. Auf dem Weg zum Dom geht die größte Gefahr von Pyroklastischen Strömen aus. Diese können auch Entfernungen von mehr als 50 km zurücklegen. Einen wirkungsvollen Schutz gibt es vor ihnen nicht. Domvulkane niemals durch ein Flussbett besteigen. In der Praxis ist das schwierig, da Flussbette und Rinnen oft die einzigen Wege sind. Allerdings fließen hier auch bevorzugt Pyroklastische Ströme und Lahare. Pyroklastische Ströme können auch über Hügel und Bergrücken schwappen, vor kleinen Pyroklastischen Strömen können sie aber Schützen. Selbst im Randbereich Pyroklastischer Ströme besteht ein hohes Verletzungsrisiko durch die Strahlungshitze. Am Merapi verbrannte sie noch Bäume und Menschen auf einer Entfernung von 150 Metern neben dem eigentlichen Pyroklastischen Strom. Diese Gefahr kann durch lückenlose Bekleidung reduziert werden. Chris und ich besuchten Opfer der Merapi-Katastrophe 2010 im Krankenhaus. Es zeigte sich, dass die Menschen schwere Brandwunden an unbedekten Körperteilen hatten. Die bekleideten Körperteile waren unversehrt. Feuerunempfindliche Naturfasern, oder spezielle feuerfeste Stoffe aus Nomex stellen für Vulkanwanderer die richtige Bekleidung dar. Niemals in Shorts auf einen Vulkan steigen! Fleece-Bekleidung ist ebenfalls nicht ideal, wenn es heiß hergeht.
Reisen in Vulkanregionen
Wer Vulkanregionen bereist und evtl. Urlaub in der Nähe von Vulkanen macht, ist nicht schlecht beraten sich Fluchtrouten einzuprägen. In vielen Orten sind Fluchtrouten und Sammelplätze ausgeschildert. Als Notunterkünfte werden in Krisenfällen meist stabile öffentliche Gebäude wie Schulen, Sportstadien, oder Krankenhäuser herangezogen. Sollte man das unwahrscheinliche Pech haben in eine große Vulkankatastrophe zu geraten, muss man damit rechnen längere Zeit von der Außenwelt abgeschnitten zu werden. Am Wichtigsten erscheint es mir sich mit ausreichend Wasser und Proviant einzudecken und Schutz in stabilen Gebäuden zu suchen.Für Notfälle habe ich immer einen speziellen Trinkhalm zur Wasserdesinfektion dabei. Hiermit lassen sich sogar Pfützen aussaugen. Doch Vorsicht, in Lavalandschaften gibt es sehr wenig freies Wasser. Zudem ist dieses oft sehr sauer und ungenießbar. Eine Ausnahme bilden meistens Gletscherflüsse.
Selbst wenn sich diese Zeilen so lesen, als würde man sich auf Vulkanen ständig in Lebensgefahr befinden, kann ich sagen, dass dem nicht so ist. Die meisten Vulkantouren sind ein tolles Naturerlebnis, oft mit einer Prise Abenteuer gepaart. Ein Restrisiko bleibt immer bestehen, doch wer bereit ist eigenverantwortlich und ohne Netz und doppelten Boden zu handeln, wird auf einer Vulkanwanderung neue Energie schöpfen und das Leben erfahren.
Stand 2011