Langsam senkt sich das Tauchboot den Fluten der Tiefsee entgegen. Taucher lösen es vom Haken, die Tanks werden geflutet und die Reise in eine fremde Welt beginnt. Das Tauchboot Mir des russischen Forschungsschiffes Akademik Mstislav Keldysh erkundet die Tiefsee entlang der Mittelozeanischen Rücken vor den Azoren. Dort, wo kein Sonnenstrahl mehr hindringt herrscht ewige Kälte. Ca. 2 °C zeigt das Thermometer. Eine scheinbar lebensfeindliche Umwelt die uns immer noch weitgehend unbekannt ist. Nur wenige Prozent der Meeresböden der Tiefsee sind erforscht. Hierzu ist ein Aufwand vergleichbar der Raumfahrt nötig. Nur leider fehlen die Gelder. Einzig die Suche nach Bodenschätzen am Grund der Ozeane ermöglicht vereinzelte Forschungsprojekte. Neuerdings werden zur Finanzierung der Tauchfahrten auch wohlbetuchte Touristen mitgenommen.
Ein Black Smoker. © NOAA pmel EOI
In 2900 Metern Tiefe -an der Nahtstelle der Kontinente- erblicken die Wissenschaftler der Mir eine faszinierende Welt. Aus meterhohen Kaminen strömt schwarzes Wasser. Kolonien aus Röhrenwürmern drängen sich um die Schornsteine. In ihrem Schutz schwimmen Fische, Krebse und die phantastischsten Lebewesen. Außerirdisch. Die meisten Tiere sind blind. Augen brauchen sie in der ewigen Dunkelheit nicht. Ein fantastisches Beispiel evolutionärer Anpassung. Doch wie ist dieses Biotop in der ansonsten lebensfeindlichen Umwelt entstanden?
Mittelozeanische Rücken sind die Nahtstellen, an denen zwei ozeanische Platten unserer Lithosphäre auseinandergezogen werden. Ausgehend von der schmalen Kammlinie, unter der sich eine Magmakammer befindet, bewegt sich die ozeanische Kruste, wie von zwei Förderbändern transportiert, beständig auseinander.
In die entstehenden Lücken dringt glutflüssiges Magma und bildet neuen Ozeanboden. Wie von seismischen, gravimetrischen und magnetischen Messungen belegt, beschränkt sich die Krustenbildung auf die schmale Kammlinie direkt über der Magmakammer. 70 % der Erdkruste entstanden auf diese Weise.
Die Kammlinie gliedert sich in unterschiedliche Zonen. Die erste Zone liegt direkt über der Spreizungsachse und ist ca. 1 km breit. Sie besteht aus kissenförmiger, frischer, basaltischer Lava, die praktisch frei von Sedimenten ist. In der sich anschließenden zweiten Zone setzt die seitliche Beschleunigung der neu gebildeten Kruste ein. Die Seiten driften auseinander und es entstehen viele kleine Risse parallel zur Schwelle.
Entlang der Grenze zwischen erster und zweiter Zone findet man hydrothermale Felder. Meerwasser dringt in das stark zerklüftete, poröse Lavagestein und zirkuliert in den Rissen. Durch die Hitze der nur 2-3 km unter dem Meeresboden liegende Magmakammer wird es auf mindestens 350° C aufgeheizt. Nur weil der Druck in 2500 bis 3000 Metern Wassertiefe ca. dreihundert mal höher ist als der normale Atmosphärendruck kocht das Wasser nicht, sondern beginnt mit dem frischen Basalt chemisch zu reagieren.
Ionen aus dem Meerwasser reagieren mit Silikaten im Basalt zu wasserunlöslichen Hydroxysilikaten. Auch andere mineralische Niederschläge wie Quarz und Pyrit werden gebildet.
Die bei der Dissoziation des Wassers zurückbleibenden, überzähligen Wasserstoff-Ionen machen das Wasser stark sauer. Dadurch laugt es positiv geladene Ionen wie Calcium-, Kalium-, Eisen und Silizium aus dem Kristallgitter des Basalts und bewirken so dessen Umkristallisation.
Die heiße, saure und besonders an Metall-Ionen reiche hydrothermale Lösung steigt jetzt wieder zum Meeresboden auf, wo sie aus unzähligen Ritzen quillt.
Sobald sich die Lösung mit Meerwasser vermischt, fallen Sulfide wie auch Calciumsulfat aus. An besonders aktiven Stellen bilden diese Minerale bis zu 10 Meter hohe und 40 cm dicke schornsteinähnliche Gebilde. Aus diesen Austrittsschloten schießt über 300° C heißes, pechschwarzes Wasser, was ihnen den Namen "Black Smokers" einbrachte. Es ist jedoch keineswegs Rauch, sondern unverdünnte hydrothermale Lösung. Sie enthält Eisen-, Zink-, Kupfer- und Nickel-Ionen, und ist an Quarz gesättigt. Bis zu ihrem Austritt ist sie klar und enthält den im Meerwasser nicht vorkommenden Schwefelwasserstoff. Erst wenn die unverdünnte hydrothermale Lösung an der Schlotöffnung mit kaltem, alkalischem Meerwasser in Berührung kommt, fallen feinkörnige Niederschläge aus Eisen- und Zinksulfid aus, die das emporschießende Wasser schwarz färben und sich als metallhaltige Sedimentschicht in der Umgebung ablagert.
Auf diese Weise zirkuliert das Wasservolumen der gesamten irdischen Meere etwa alle 8 Millionen Jahre einmal durch die Achse der Mittelozeanischen Rücken.
Rund um die hydrothermalen Schlote hat sich eine bizarre Lebensgemeinschaft angesiedelt, die in ewiger Dunkelheit, völlig unabhängig von photosynthetischer Energie existieren kann. Schwefelwasserstoff ist die Grundlage für das Leben in den hydrothermalen Feldern. Er entsteht, wenn Sulfat aus dem Meerwasser mit zweiwertigem Eisen unter Bildung von Schwefelwasserstoff und Oxide dreiwertigen Eisens reagiert. Bakterien, die ihren Energiebedarf durch die Oxidation von Schwefelwasserstoff decken, stehen am Anfang der Nahrungskette. Sie resorbieren Schwefelwasserstoff und Sauerstoff aus dem Meerwasser. Sulfid und Sauerstoff verbinden sich zu Sulfat. Die dabei freiwerdende Energie hält den Bakterienstoffwechsel aufrecht. Eine Lebensgemeinschaft entsteht, die ihre Existenz dem Vulkanismus verdankt.
Stand: 2009