Eruption am Yasur.
Die 83 Inseln des Archipels liegen im pazifischen Ozean, ca. 2000 Kilometer östlich Australiens. Sie verdanken ihre Existenz den Kräften der Plattentektonik und des Vulkanismus. Tektonisch gesehen gehört dass Archipel zum zirkumpazifischen Feuergürtel. Entlang dieser Nahtstelle zwischen den Platten des pazifischen Ozeans und den angrenzenden Kontinenten kommt es immer wieder zu verheerenden Erdbeben, Tsunamis und Vulkanausbrüchen.
Auf Vanuatu gibt es 7 aktive Vulkane. Einer von ihnen ist der Yasur auf der Insel Tanna. Er ist der Dauerbrenner des Pazifiks und von seinen Ausbrüchen mit der Aktivität des Strombolis in Italien zu vergleichen. Allerdings ist der Yasur mit seinen 400 Metern Gipfelhöhe nicht einmal halb so hoch wie Stromboli. Dafür wird vom Yasur behauptet, er sei der am einfachst zugängliche aktive Vulkan der Welt. Was soweit auch stimmt, vorausgesetzt, man ist endlich auf Tanna angekommen!
Von Deutschland aus erfolgt die Anreise über Australien, Neuseeland, oder Indonesien und nimmt inklusive einem Flug von der Hauptinsel des Archipels gut 3 Tage in Anspruch. Im Mai 2009 trat ich die lange Reise an und nutzte die Gelegenheit für einen einwöchigen Stopover auf Neuseeland. Die lange Anreise ist vergessen, sobald man das paradiesische Eiland betritt! Am winzigen Flughafen, der aus einer Landebahn besteht, die steil zum Meer abfällt und einem kleinen Abfertigungsgebäude, dass teilweise offen ist, empfing mich Kelson von "Jungle Oasis"! Bei ihm hatte ich einen Bungalow in Nähe des Vulkans gebucht. Die Fahrt auf der Ladefläche des klapprigen Pickups dauerte gut 90 Minuten. Zwischendurch wurde an kleinen Shops und an Marktständen angehalten um Lebensmittel einzukaufen. Ich bekam einen Vorgeschmack auf das Abendessen in der Jungle Oasis, dass hauptsächlich aus einheimischen Agrarerzeugnissen gekocht wurde. Seltsame Knollen, Wurzeln und Gemüsesorten landeten bei mir auf der Ladefläche, dazu ein paar Hühner und Fische, deren Namen mir absolut nichts sagten und aussahen, als kämen sie aus einem Aquarium.
Die Pisten auf Tanna sind alles andere als in einem guten Zustand. Um den Vulkan zu erreichen muss die ganze Insel gequert werden. Nachdem sich der Jeep mühsam eine Steigung hinauf gearbeitet hatte, blickte ich in die Yenkahe-Caldera hinab. Aus diesem gigantischen Einsturzbecken eines alten Vulkans erhebt sich der Kegel des aktiven Yasur. Gut eine halbe Stunde später passierten wir den Fuß des 400 Meter hohen Kegels. In der Ferne war die Küste zu sehen und wir standen vor einer Furt. Zur Regenzeit kann das Wasser hier schon mal zu tief sein, um es zu durchwaten. Doch jetzt war der Wasserstand des Baches niedrig und die Querung kein Problem. 5 Minuten später erreichten wir die Bungalow-Anlage. Allerdings entpuppten sich die Bungalows als einfache Hütten, ohne Waschgelegenheit, denn diese gab es an einem zentralen Platz. Alles in allem sehr authentisch. Immerhin bekam ich das "Baumhaus", dass zwischen dem verzweigten Stamm eines Banjana-Baumes errichtet war und über eine Terrasse und WC verfügte. Sehr idyllisch! Man hatte sich sogar die Mühe gemacht, alles fein mit Blüten und Girlanden zu dekorieren. Jerry, der Koch und Hausmeister der Anlage begrüßte mich herzlich und bereitete gleich ein Lunch. Außer mir war noch ein Weltreisender Franzose Gast in der Anlage und er gab mir gleich ein paar Insider-Tipps. Die Atmosphäre war sehr familiär und trotz der einfachen Ausstattung der Bungalows fühlte ich mich auf Anhieb wohl.
Nach der kurzen Pause konnte ich meine Neugierde nicht mehr bändigen. Am späten Nachmittag schulterte ich meine Ausrüstung und machte mich an den einstündigen Aufstieg zum Krater. Die Piste führte stetig bergauf und in der tropischen Hitze strömte der Schweiß. Einheimische kassierten eine Maut von 15 USD als Fee für den Zugang zum Vulkan. Ansonsten sah ich die ganze Zeit über keine Menschenseele. Kurz vor dem Gipfelbereich passierte ich die ersten Fumarolen. Der beißende Geruch von Schwefel kratze in meiner Nase. Tatsächlich befand sich vor dem letzten Aufstieg zum Gipfel ein Schotterparkplatz und ein Treppengeländer säumte den Pfad hinauf zum Kraterrand. Fast ein behindertengerechter "drive in volcano".
Schon unten in der Jungle Oasis war das gelegentliche Grollen der Eruptionen zu hören, hier oben wurde es nun unangenehm laut. Ich stand am Kraterrand, blickte auf die beiden aktiven Förderschlote des Südkraters und zuckte bei jeder Explosion zusammen, die alle 3 bis 5 Minuten die Stille zerrissen. Glühende Lavabrocken wurden dabei bis zu 250 Meter hoch in die Luft geschleudert und krachten in den Krater zurück. Ich suchte mir eine Stelle mit besten Blick in den Krater und kämpfte gegen den starken Wind an, der hier oben blies. Die Böen peitschten vulkanische Asche und Gase in mein Gesicht und schon nach wenigen Minuten tränten die Augen. Zudem rüttelte der Wind unangenehm am Kamerastativ. Manche der Explosionen waren so stark, dass sich die Druckwellen in den Gasschwaden abzeichneten und das Stativ zusätzlich erschütterten. Trotzdem hielt ich es einige Stunden aus und machte mich erst spät abends an den Abstieg. Etwas mulmig war mir schon zumute, als ich alleine der Piste durch den Dschungel folgte, der in den unteren Bereichen des Vulkans wild wucherte.
Doch an diesen Weg sollte ich mich in den nächsten Tagen gewöhnen. Jede Nacht startete ich gegen 3.30 Uhr und ging auf "Frühschicht", kehrte gegen 9 Uhr zum Frühstück zurück und machte mich nachmittags erneut auf den Weg.
Tagsüber erkundete ich die nähere Umgebung, besuchte die kleinen Dörfer der Einheimischen und marschierte nach Port Resolution. Am wunderschönen Strand ließ ich mir von einem Einheimischen Kokosnüsse knacken und genoss das völlige Fehlen anderer Touristen! Leben wie Robinson Crusoe.
Im Jahre 1774 landete der Weltendecker Kapitän James Cook in der Bucht von Port Resolution und entdeckte dass Inselarchipel für die Europäer. Der Legende nach wurde er durch den roten Schein angelockt, der Nachts von der glühenden Lava des Vulkans ausgeht. An einer Besteigung des Feuerberges wurde er allerdings gehindert, denn für die Einheimischen melanesischer Herkunft war der Gipfel mit einem Tabu belegt. Die Geister der Ahnen sollten den Krater bewohnen. Noch heute gilt dieses Tabu offiziell, so erklärte es mir ein Dorfältester in einem Interview, dass ich im Anschluss an einer privaten Tanzvorführung führte. Den leicht bekleideten Tänzern war deutlich anzumerken, dass ihnen viel an der Kultur ihres Volkes liegt. Allerdings nehmen die modernen Tannanesen die Tabus ihrer Vorfahren nicht mehr so ernst und begleiten Touristen hoch zum Krater. Dort begegnete ich dann auch den meisten Touristen, die allabendlich pünktlich zum Sonnenuntergang auf den Vulkan geschafft wurden. Für gut eine Stunde ging es am Kraterrand zu wie in einem Ameisenhügel. Doch allzu lange hielten es die Meisten nicht aus, denn trotz der leichten Zugänglichkeit ist der Yasur ein Vulkan: Wild, unbequem und unberechenbar!
Stand 2011