oufrière Hills Volcano auf Montserrat ist, seit seinem Wiedererwachen im Jahr 1995, der aktivste Vulkan der Karibik. Ein Dom begann zu wachsen und 1997 zerstörten pyroklastische Ströme und Lahare die Inselhauptstadt Plymouth. Die meisten Menschen mussten umgesiedelt werden. Bis zum Jahr 2007 kam es immer wieder zu Episoden mit Domwachstun und explosiven Eruption, dann wurde es ruhiger auf Montserrat. Doch die Ruhe währte nur kurz: am 6.Oktober 2009 trat der Soufrière Hills Vulkan in eine neue Aktivitätsphase ein, als er eine kleine Ascheeruption erzeugte. Ein neuer Lavadom begann zu wachsen. In den ersten 4 Aktivitätswochen wurden 4 vulkanische Erdbeben und 1090 seismische Signale von Steinschlägen registriert. Kleine pyroklastische Ströme entstanden. Im Dezember gab es größere Ascheeruptionen und eine Zunahme des Domwachstums. Zum Jahresende wuchs der zentrale Teil des Doms sehr schnell. Die pyroklastischen Ströme wurden größer und legten weitere Entfernungen zurück. Sie flossen überwiegend nach Osten durch die Tyers Ghaut und im Westen durch die Gages Ghaut.
Am 9 Januar ereignete sich eine erste vulcanische Eruption. Vulkanasche stieg bis zu 7 km hoch auf und große pyroklastische Ströme entstanden. Erstmals floss ein pyroklastischer Strom ins Belham Valley, das schon recht nahe am MVO (Montserrat-Vulkan-Observatorium) liegt. In den folgenden Tagen kam es zu weiteren explosiven Eruptionen.
Einen Tag später erreichten die Geonauten Chris Weber und Marc Szeglat Montserrat. Gegen Mittag standen wir auf der Terrasse des MVO und beobachteten den Vulkan. Laut Aussage der Vulkanologen ereignete sich alle 6 bis 8 Stunden ein Aktivitätsmaximum, während dessen mehrere pyroklastische Ströme abgingen. Die Endphase einer dieser Höhepunkte bekamen wir noch mit. In den Stunden danach lösten sich nur vereinzelte pyroklastische Ströme vom Dom. Dieser hing leider in den Wolken und so blieb es zum größten Teil auch in den folgenden Tagen.
Da die Aktivität leicht Rückläufig war und sich nur kleine pyroklastische Ströme lösten, die im Westen weniger als 1 km Entfernung zurücklegten, beschlossen wir die alte Inselhauptstadt Plymouth zu erkunden. Trotzdem war dies ein waghalsiges Abenteuer. Die Ruinen der Häuser an der Westküste der Insel waren mit einer frischen Ascheschicht bedeckt. Die Einwohner mussten die Stadt im Dezember 1995 in aller Eile verlassen und ließen den größten Teil ihres Hausrates zurück. Auch nach der damaligen Aktivitätsphase wurde es den Menschen nicht gestattet das Gebiet für mehr als ein paar Stunden zu betreten. Allerdings waren da dann auch bereits die meisten zurückgelassenen Sachen so eingestaubt, dass sie eh nicht mehr brauchbar waren. Wandert man heute durch die Geisterstadt, erhält man den Eindruck, dass die verlassen und teilweise verschütteten Häuser trotzdem sehnsuchtsvoll auf die Rückkehr ihrer Eigentümer warten.
Eine ca. 500 m breite Schneise trennt den Nordteil der Geisterstadt von ihrem Südteil. Die Schneise markiert die Hauptroute der pyroklastischen Ströme und Lahars, die sich seit 15 Jahren immer wieder vom Dom lösen und die 5 Kilometer Distanz bis zum Meer zurücklegen. In dieser Schneise wurden praktisch sämtliche Häuser komplett zerstört. Nur ab und zu ragte ein Mauerrest, oder ein Giebel aus den pyroklastischen Ablagerungen. Dieses Gebiet durchquerten wir mit eiligen Schritten, denn, trotz vergleichsweiser geringer Aktivität, konnte sich jederzeit ein großer PF vom Dom lösen und uns hinwegfegen. Außerdem sind die Dächer der verschütteten Häuser mittlerweile so morsch, dass akute Einbruchsgefahr lauerte. Oft geht man über verschüttete Häuser hinweg, ohne dass man sich dessen bewusst wird. Ich kann nur jedem empfehlen den entsprechenden Verboten des MVO Folge zu leisten und das Sperrgebiet nicht aus Spaß, oder Abenteuerlust zu betreten.
Da anhaltender Westwind herrschte und das Gebiet an der Ostküste unter ständigem Aschefallout lag, beschlossen wir einen Aussichtshügel im Sperrgebiet zu erklimmen, um wenigstens eine freie Sicht auf die kleinen pyroklastischen Ströme in der Gadges Ghaut zu erhaschen. Endlich riss die Bewölkung am Dom des Vulkans auf und gestattete uns einen freien Blick auf die hochviskose Lava. Von unserem Aussichtshügel aus waren wir noch ca. 3 km Luftlinie vom Dom entfernt. Deutlich hörten wir das Rumpeln der Steinschläge am Dom. Trotzdem tat sich bis kurz vor der Abenddämmerung wenig. Dann trat der Vulkan in einer Phase mit erhöhter Aktivität ein. Zuerst steigerte sich der Ascheausstoß aus dem Dom, dann nahm die Anzahl der abgehenden pyroklastischen Ströme zu. Von unserem Standpunkt konnten wir gut den oberen Bereich der Gadget Ghaut einsehen, die vom MVO aus, durch den gut 700 m hohen Felsrücken von "Farrels Wall" verdeckt ist. Erstmals sahen wir aus nächster Näher detailliert, wie pyroklastische Ströme generiert werden. Mit zunehmender Dunkelheit wurde Rotglut sichtbar. Die Front der pyroklastischen Ströme war tatsächlich so heiß, dass sie in Bodennähe deutlich glühte. Lavabrocken von der Größe eines PKWs donnerten in den pyroklastischen Strömen zu Tal. Sie platzen zum Teil auf und verstärkten den Ascheanteil der Glutwolke. Glühende Aschen fielen aus und sahen auf der Flanke wie ein Lavastrom aus. Von der Intensität der Rotglut lässt sich die Temperatur der Aschen auf 600 bis 700 Grad Celsius schätzen. Aufeinander folgende pyroklastischen Ströme suchten sich meistens den gleichen Weg und schufen sich einen vorgeheizten Kanal. Die frischen Ablagerungen strahlten eine enorme Hitze aus und sorgten so für Auftrieb und verringerten Reibungswiederstand, sodass die folgenden pyroklastischen Ströme immer ein wenig weiter flossen, als die vorangegangenen. Die letzten pyroklastischen Ströme legten eine Entfernung von gut 1100 m zurück. Nach einer halben Stunde nahm die Aktivität wieder ab. In der Nacht drehte der Wind auf südliche Richtung und Wolken zogen auf. So verließen wir unseren Aussichtsposten.
Am Morgen des 24.01. trat der Vulkan in eine erneute Phase erhöhter Aktivität ein. Es lösten sich 2 größere pyroklastische Ströme die in östlicher Richtung durch die Tyers Ghaut flossen und kurz vor der Anhöhe von Harris Halt machten. Der Wind blies die Aschewolke über den bewohnten Südteil der Insel und Asche regnete auf bewohntes Gebiet nieder.
Im Laufe des Morgens drehte der Wind und wehte die Asche Richtung West, wodurch die Sicht im Osten besser wurde. Wir marschierten zum alten Flughafen und untersuchten die frischen Ablagerungen der pyroklastischen Ströme, die im Laufe der letzten Tage in diese Richtung abgingen. Die Ausläufer der Ablagerungen waren noch warm und von pulvriger Konsistenz. An einigen Stellen hatten sie sich verfestigt wurden zur Mitte hin aber immer weicher und man versank bis zu den Waden.
Am Nachmittag blieb es am Dom ruhig. Erst als es dunkel war begann die Aktivität zuzunehmen. Es ging eine Serie pyroklastischer Ströme ab, welche bis am Ende des steilen Teils der Vulkanflanke flossen. Auf dem Rückmarsch zum Wagen sahen wir einige Taschenlampen am Parkplatz vom Jack Boy Hill. Dass konnte nur unsere Ablösung sein: Martin Rietze, Richard Roscoe und Marco Fulle hatten den Vulkan erreicht. Thorsten Böckel sollte in einigen Tagen folgen. Chris und ich verließen am Montag die Insel. Das Wetter war schlecht, es regnete in Strömen und ein orkanartiger Wind bließ, sodass der kleine Flieger, der uns zum internationalen Flughafen von Antigua bringen sollte, nicht flog. In aller Eile versuchten wir die Fähre zu nehmen, aber dank des starken Seegangs dauerte die Überfahrt 3 Mal solang wie üblich. Der Seegang war so heftig, dass wir uns mehrmals übergeben mussten.
Natürlich verpassten wir unseren Flieger nach Deutschland um ein paar Minuten. Auf eigenen Kosten mussten wir einen neuen Flug buchen, der noch am gleichen Abend ging.
Stand 2010