Die Ruinen des antiken Thira.
Zu Zeiten der Minoer war Santorin ein blühendes Handelszentrum. Die zentrale Lage in der Ägäis machte den Hafen von Thira zu einem wichtigen Anlaufpunkt im Warenverkehr zwischen Kreta, dem griechischen Festland und Zypern. Archäologische Ausgrabungen brachten sogar Objekte aus Syrien und Ägypten ans Tageslicht und dokumentieren ein weit ausgebautes Handelsnetz. Spuren von Bergwerksstollen deuten darauf hin, dass hier während der Bronzezeit Bleierze und Kupfer gewonnen wurden, und vermutlich schürfte man sogar Gold. Aber es war keins dieser Metalle, das die Menschen bereits im 5. Jahrtausend vor Christus auf die Insel lockte. In der Jungsteinzeit war das vulkanische Glas Obsidian ein wertvolles Handelsgut, von dem es auf Santorin reichlich gibt. Es wurde zur Herstellung skalpellscharfer Klingen und Pfeilspitzen benutzt. Das Obsidianvorkommen zeugt aber nicht nur von den Errungenschaften der Jungsteinzeit, sondern auch von der vulkanischen Vergangenheit Santorins.
Die Siedlung Arkotiri lag im Süden der Insel. Hier lebten und arbeiteten über 9000 Menschen. Sie webten Wolle, verarbeiteten Flachs von den benachbarten Inseln und pressten Olivenöl, nicht ahnend, dass sich unter ihren Füßen ein Inferno zusammenbraute. Ihre tägliche Routine wurde erst unterbrochen, als die Erde anfing zu beben und Teile der Stadt zerstört wurden. Das veranlasste die Menschen zur Flucht. Wenig später riss der Boden von Santorin in einer gewaltigen Eruption auf und verschüttete den Ort unter einer 60 Meter mächtigen Bimsschicht. Die Eruptionswolke erhob sich bis weit in die Stratosphäre. Höhenwinde transportierten die Asche über den gesamten Mittelmeerraum. Selbst in Ägypten verdunkelte sich der Himmel und es regnete Asche. Als sich die Magmakammer geleert hatte stürzte diese ein. Eindringendes Meerwasser verdampfte schlagartig und verursachte die gewaltigste Explosion der Eruption. Vermutlich wurden dadurch Tsunamis ausgelöst, die sich in Richtung des kulturellen Zentrums dieser Epoche ausbreiteten und auf die Nordküste von Kreta brandeten. Wieviele Schiffe der Seefahrernation Opfer der haushohen Wellen wurden ins ungewiss.
Gewiss ist, dass diese Katastrophe der Anfang vom Ende der minoischen Kultur war. Legenden wie die biblischen Plagen des alten Testaments und der Untergang des sagenhaften Atlantis könnten ihren Ursprung in dieser Katastrophe haben.
Die Vulkanologen, die den Hergang der Eruption und ihre Folgen rekonstruierten, arbeiteten Hand in Hand mit den Archäologen. Zur genauen Datierung des Eruptionszeitpunktes wurden bis vor einigen Jahren hauptsächlich archäologische Fundstücke aus Arkotiri herangezogen. Anhand der Fundstücke wurde der Ausbruch auf einen Zeitraum von 1500 v. Chr. datiert, was ziemlich genau mit dem plötzlichen Verschwinden der minoischen Kultur einhergeht. Bemerkenswert ist, dass bei den Ausgrabungen keine menschlichen Überreste, oder Wertsachen gefunden wurden. Daher geht man davon aus, dass den Menschen Zeit zur Flucht von der Insel blieb.
Die Aschelagen der Eruption, die fast überall in den geologischen Schichten des Mittelmeerraumes zu finden sind, stellen für die Altertumsforscher einen wichtigen, stratigrafischen Marker da. Anhand dieser geologischen Zeitmarke wurde die Herrschaft einiger Pharaonen zu Anfang des neuen Reiches in Ägypten bestimmt. Doch die wissenschaftliche Neugierde ruht nicht. Im Jahr 2004 fand der Vulkanologe Tom Pfeiffer einen sehr gut erhaltenen Ast eines Olivenbaums. Er war in der Basis der Bimsablagerungen eingebettet, die durch den Ausbruch entstanden, und überdauerte so die Äonen. Dieser Ast lieferte genug organische Materie für eine genaue Datierung mit Hilfe der Radiokarbonmethode. Anders als bei bisherigen Untersuchungen von Getreidekörnern, die bei den Ausgrabungen gefunden wurden, enthielt der Olivenzweig Kohlenstoff-14 Isotope, der über mehrere Jahre im Holz gespeichert wurde und zudem noch in den Wachstumsringen des Holzes verschiedenen Jahren zugeordnet werden konnte. Demnach wurde der Ast des Olivenbaums im Jahr 1624 v. Chr. in den vulkanischen Ablagerungen eingebettet. Als Toleranzwert für diese Messung werden 40 Jahre angegeben.
Auf jeden Fall kämpfen die Wissenschaftler nun mit einer Differenz von mindestens 100 Jahren zwischen den beiden möglichen Daten der minoischen Eruption. Sollte sich der neue Wert, der mit der Radiokarbonmethode ermittelt wurde, durch weitere Untersuchungen bestätigen, dann müssten einige Kapitel der Geschichtsbücher neu geschrieben werden. Die Auswirkungen dieser katastrophalen Eruption wären dann auch nicht direkt für den Untergang einer gesamten Weltkultur verantwortlich. Doch in einem sind sich die meisten Wissenschaftler einig: selbst wenn der Ausbruch die minoische Kultur nicht mit einem Schlag auslöschte, so hat er die Minoer doch soweit geschwächt, dass ihr Untergang eingeleitet wurde. In der Folge kamen die mykenischen, griechischen und makedonischen Könige an die Macht und lieferten somit den Stoff um die Legende von Troja.
Nicht nur der Zeitpunkt der Eruption wird neu diskutiert. Bisher wurde die Stärke des Ausbruches mit einem VEI 6 klassifiziert. Neue Einschätzungen gehen von einem VEI 7 aus. In Anbetracht der Größe der ersten Caldera müssen frühere Eruptionen noch stärker als die der Bronzezeit gewesen sein.
Wer auf den Spuren der Minoer wandeln möchte und die Zeugnisse der minoischen Eruption auf Santorin besichtigen möchte, findet zahlreiche Hotels auf Santorin und günstige Reiseangebote von Deutschland aus. Eine gute Nachricht für alle Besucher der Insel ist, dass die Ausgrabungen von Arkotiri wieder geöffnet sind. Die Ruinen des antiken Thira liegen im Kalkmassiv der Mesa Vouno. Die Ausgrabungen sind sehenswert, aber nicht so spektakulär.
Stand 2012