Ascheeruption am Krakatau.
Nach unseren Filmarbeiten am Merapi, die wir Mitte November 2010 ausführten, machten Chris und ich uns in Begleitung der Guides Andy und Samir auf den Weg zum Anak Krakatau. Von Yogyakarta aus wählten wir den langen Landweg, vorbei an einigen Thermalgebieten und Vulkanen Javas, die wir mal gesehen haben wollten. Wir fuhren volle 2 Tage, da die Straßen im Kernland Indonesiens marode sind und die gut Befahrbaren hoffnungslos überfüllt sind.
Am Abend des 2. Tages erreichten wir Charita und stiegen in unserem üblichen Hotel schräg gegenüber dem Hafen ab. Wir organisierten ein Speedboot das uns die 50 km zur Vulkaninsel fahren sollte. 2 Nächte wollten wir auf Anak Krakatau bleiben.
Die Überfahrt am nächsten Morgen gestaltete sich problemlos, doch schon als wir uns der Insel näherten, bereuten wir kein größeres Boot gewählt zu haben: wild schaukelte es in den Wellen, als wir vor der Vulkaninsel trieben, um Fotos der donnernden Eruptionen zu schießen. Anak Krakatau zeigte sich von seiner explosiven Seite. Die Eruptionen erfolgten im Abstand weniger Minuten und gelegentlich waren die Explosionen so stark, dass Lavabomben ins Meer platschten. Trotzdem entschlossen wir uns direkt auf Anak zu Zelten. Der Wald mit den Camping-Lichtungen am Strand befindet sich auf der Inselseite die am weitesten vom Krater entfernt ist. Bei meinen 3 Aufenthalten zuvor, war es hier immer sicher; diesmal verhielt es sich anders! Zahlreiche Bäume hatten unter der Last der Vulkanasche nachgegeben und waren umgestürzt. Im ansonsten dichten Blätterdach klafften Schneisen und auf dem Boden fanden sich einige Impactkrater größerer Lavabomben. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, doch ich redete mir ein, dass die Hauptphase der Eruption bereits vor einigen Tagen stattgefunden hatte. Am späten Nachmittag machten wir uns auf den Weg Richtung Kraterkegel. Vorsichtig wollten wir ausloten, wie nahe man sich dem Krater nähern kann und wanderten am Strand entlang zu jener Inselseite, die dem Krater am nächsten ist. Schroffe Lavaklippen säumen diesen Küstenabschnitt. Sie wurden von Lavaströmen erzeugt, die einst ins Meer flossen. Wir überquerten einige der Aa-Lavaströme um zu einer Stelle zu gelangen, von der aus man freie Sicht auf den Kraterkegel hat und dennoch durch einige Felsen geschützt ist. Auf Aa-Lava läuft es sich selbst mit schweren Wanderstiefeln nicht gut und man kommt nur langsam voran. Immer wieder donnerten Ascheeruptionen aus dem Krater und gelegentlich landeten Bomben am Fuße des Kegels. Wohl fühlte ich mich auf dem Lavastrom nicht. Trotzdem bauten wir auf einer Lavazunge unsere Kameras auf und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
Andy, der uns begleitet hatte, machte sich kurz vor der Abenddämmerung auf den Rückweg. Er war gerade knapp 40 Meter von meinem Standpunkt entfernt, als ein Kanonenschlag die Luft zerriss. Ich fotografierte fleißig die Lavabomben, die am Kraterrand einschlugen und realisierte augenblicklich, dass sich die Einschläge wohl nicht auf den Kraterrand beschränken würden. Aus dem Augenwinkel sah ich Andy, der erschrocken versuchte hinter einem Lavafelsen zu springen und über die Aa-Lava strauchelte. Ich konzentrierte mich auf den Himmel und bewegte mich nicht. 5 winzige Punkte stiegen höher und höher, genau in meine Richtung. Bomben im Anflug! Eine löste sich aus der Pünktchenwolke und landete wohl auf halben Weg zwischen mir und der Kegelflanke. Eine zweite Bombe tendiert rechts an mir vorbei, eine dritte etwas nach links. Blieben 2 Bomben um die ich mich Sorgen mussten, denn diese hielten genau auf mich zu. Das Dumme an punktförmigen Objekten auf einer parabelförmigen Flugbahn, die direkt auf einen zukommen, ist, dass man unmöglich einschätzen kann, ob sie vor einem, oder hinter einem landen, oder treffen. Schnell machte ich 2 Schritte nach links, als eine Bombe gut 20 Meter vor mir in den Boden schlug und die Andere hinter mir ins Meer ploppte (Videoclip). Gespannt suchte ich noch für einige Sekunden den Himmel ab, doch weitere Geschosse waren wohl nicht im Anflug. Chris, der einige Meter von mir entfernt gestanden hatte, kam aus einer Deckung hinter dem Felsen hervor, während Andy aufgeregt um eine glühende Bombe herum hüpfte, die ihn nur um 2 - 3 Meter verfehlt hatte (Videoclip). Lavabomben waren sogar im Wald gelandet und am Waldrand loderten Flammen auf. Dass war ganz schön knapp! Die nächsten 2 Explosionen waren ähnlich heftig, doch kamen uns die Lavabomben nicht ganz so nahe. Als wieder eine Serie schwächerer Eruptionen stattfand, beschlossen Chris und ich den Rückzug.
Nur ungern verließen wir unseren strategisch günstigen Platz auf der Landzunge zwischen den Lavaströmen, denn hier konnte man sich frei bewegen und hatte Deckung durch einige Felsen. Auf dem erkalteten Aa-Lavastrom war das Gehen so schwierig, dass man Bomben kaum ausweichen konnte. Natürlich ging es auch hier nicht ohne einen neuerlichen Bombenhagel. Ich war heilfroh, als wir unversehrt den schmalen Sandstrand am Waldrand erreichten. Dieser war auf einer Länge von gut 300 m von einem steilen Küstenabschnitt begrenzt. Dummerweise herrschte Flut und das Wasser leckte bereits an einigen Stellen an der Steilküste. Hier sammelte sich auch reichlich Treibholz und wir balancierten zwischen glitschigen Baumstämmen, Felsen und Wellen herum. Diese Passage war nicht ungefährlich. Hier war der Abstand zum Kraterkegel des Anak Krakatau am geringsten und Dank des baumbestandenen Steilstücks konnte man den Vulkan nicht sehen. Bereits auf dem Hinweg hatten wir einige Breschen in den ca. 10 m hohen Steilabschnitt gesehen, die nur von Lavabomben geschlagen worden sein konnten. Die Bestätigung hierfür folgte auf dem Fuße. Eine laute Detonation übertönte das Brandungsrauschen und wenige Sekunden später kündigte das charakteristische Pfeifen einer herannahenden Granate eine weitere Lavabombe im Anflug an. Das etwas faustgroße Geschoß krachte zischend 3 Meter hinter mir ins Wasser. Irgendwie hatte ich die Nase von dem Beschuss gehörig voll.
Zu allem Überfluss sahen wir nun, dass unsere Guides offenbar in Schwierigkeiten geraten waren: sie kletterten durch ein Steilstück an den Lavaklippen hinter uns herum und wirkten ein wenig orientierungslos. Chris und ich wunderten uns, dass sie sich noch hinter uns befanden, dachten wir doch, sie wären längst im Lager. Mit den Wanderstiefeln an den Füßen standen wir bereits knöcheltief im Wasser und hüpften von Baumstamm zu Baumstamm. Wir hatten die gefährliche Passage fast hinter uns und wollten nicht ohne triftigen Grund umkehren. So legten wir die letzten Meter zurück, bis wir trockenen und einigermaßen sicheren Strand unter den Füßen hatten und warteten auf die Jungs. Was zum Teufel hatte sie zu dieser Kletterpartie veranlasst? Die Erklärung hierfür bekamen wir wenig später im Lager: sie wollten die Deckung der Klippen ausnutzen und sind deshalb an der Küste entlang geklettert. Als die Explosion ertönte, unter deren Beschuss ich geraten war, wollten Andy und Samir in Deckung springen. Bei dieser Aktion flog Andys Kamera aus ihrer Tasche und verschwand im Meer. Kurz entschlossen sprang Samir hinterher und konnte die Kamera bergen, doch für sie kam jede Rettung zu spät.
Während des Abendessens am Camp, in Sichtweite des Strandes, ertönte eine neuerliche Explosion und wieder vernahmen wir das Zischen von anfliegenden Lavabomben. Einige Geschosse landeten gut 100 m entfernt im Wald, und flog über unsere Köpfe hinweg um ins Meer zu platschen. Die Lavabombe muss in der Nähe des Bootes eingeschlagen sein. Der Kapitän befand sich gerade an Bord. In Windeseile schmiss er die Motoren an, gab Vollgas und brauste davon. Wir blickten dem Boot verdutz hinterher und starrten in die Dunkelheit. Zum Glück fuhr der Kapitän nur bis ans andere Ende der Bucht und nicht zurück nach Charita.
Bei gut 30 Grad und hoher Luftfeuchte legte ich mich zunächst vor das Zelt zum Schlafen nieder, doch selbiger wollte nicht kommen. Immer wieder zerrissen laute Explosionen die Stille der Nacht. Gelegentlich gab es Serien mit heftigen Eruptionen und ich hörte Lavabomben in einigen Hundert Metern Distanz zum Camp niedergehen. Einige landeten auch im Wald und krachten durch das Laub. Im Halbschlaf malte ich mir aus, wie hoch wohl die Wahrscheinlichkeit für einen Treffer wäre. Als dann auch noch der Wind drehte und Ascheregen einsetzte verzog ich mich ins Zelt. Hier lief der Schweiß in Strömen.
Am Morgen gesellte sich auch noch Nieselregen zum Aschefallout. Die Zelte waren total eingesaut. Ich marschierte zum Waldrand am Fuße des Kraterkegels und folgte ihm ein Stück, in der Hoffnung aus dem Aschefallout rauszukommen, doch das war vergebens. Der Regen spülte die Asche aus meinen Haaren in den Nacken und bis in die Unterhose. Gepaart mit Schweiß eine unangenehme Mischung.(Videoclip Statement Marc)
Nach dem Frühstück stürmten wir das Boot und drehten eine Runde um die Insel. Auf der anderen Seite ließ der Ascheregen nach und wir dümpelten in der leichten Dünung, machten Fotos der Eruptionen und diskutierten die morphologischen Veränderungen des Vulkans. Im Oktober 2008 hatte sich auf der Flanke unterhalb des Gipfels ein neuer Krater geöffnet, dieser war über die Jahre wieder zugewachsen und ein neuer Gipfelkrater hatte sich gebildet. Hier waren mindestens 3 Förderschlote aktiv. Aus einem quoll nun unablässig Asche, ein zweiter produzierte leichte strombolianische Eruptionen und der dritte zeigte sich für die starken Explosionen verantwortlich, aus dem die weit fliegenden Lavabomben quer über die Insel schossen.
Am späten Nachmittag war der Vulkan relativ ruhig, große Explosionen blieben seit einigen Stunden aus. So machten wir uns wieder zu Fuß auf den Weg über die erkalteten Lavaströme. Es kam, wie es kommen musste: kaum standen wir wieder auf der Landzunge wurden die Eruptionen wieder stärker und wir bliesen zum Rückzug. Da nützten die besten Absichten nichts! Das Schöne an einer tropischen Insel sind natürlich alternative Beschäftigungsmethoden und daher stürzte ich mich erst einmal in das warme Meerwasser und genoss ein Bad.
Die Nacht verlief ähnlich schlaflos wie die vorherige. Mit Anbruch der Dämmerung machten Chris und ich uns auf den Weg zum Waldrand hinter dem Camp und warteten. Zur blauen Stunde ereigneten sich leider nur kleinere Ascheeruptionen, aber ein wenig später krachte es wieder heftig. Abermals blickten wir gebannt in die Luft um etwaigen Lavabomben auszuweichen. Wieder schlugen die Granaten aus dem Erdinneren in wenigen Metern Entfernung auf und hinterließen respektable Einschlagskrater. Fußballgroße Lavabomben schlugen gut 1 Meter durchmessende Trichter in den Boden, die bis zu 30 cm tief waren. Selbst faustgroße Brocken hinterließen deutliche Löcher im Boden und man mochte sich nicht ausmalen, was passieren würde, wenn man von so einem Brocken getroffen wird.(Videoclip explosive Eruption)
Genug des Krakataus. Am späten Vormittag räumten wir das Lager und verabschiedeten uns von der jungen Insel. Das war der mit Abstand gefährlichste Aufenthalt auf Krakatau, den ich bisher erlebte. Es zeigt einmal mehr, wie unberechenbar unserer Erde doch ist.
Ein dreiviertel Jahr später kehrte ich zum fünften Mal auf die Insel zurück, diesmal in Begleitung der Geonauten Martin, Thorsten und Richard. Andy zeichnete sich wieder für die Reiseorganisation verantwortlich. Angelockt wurden wir von Berichten über starke Seismik unter dem Vulkan, sowie von gelegentlichen Eruptionen. Wir rechneten eigentlich mit einer neuen Eruptionsphase. Zu unserer Enttäuschung fanden keine Explosionen statt, doch in der ersten Nacht sahen wir rot illuminierte Wolken über den Krater schweben. Irgendetwas musste also glühen. Wir gingen von einem Förderschlot aus, der sich aufheizte. Am nächsten Nachmittag wagten wir den Aufstieg zum Kraterrand. Die Eruptionen der letzten Jahre hatten den Weg hinauf verschüttet. Die Vulkanflanke war recht steil und die frischen Schlacken nur lose geschichtet. So hieß es immer 2 Schritte rauf, einen hinunter. Müheselig kämpften wir uns den Kegel hinauf und staunten nicht schlecht: vor uns breitete sich der neue Doppelkrater auf. Im hinteren Krater befand sich eine glühende Bodenplatte. Auf dem ersten Blick dachten wir an einen Lavastrom, doch tatsächlich war der Boden so heiß, dass er glühte. Der Förderschlot war verstopft und aus einigen Fumarolen entwich pfeifend Dampf. Hier herrschte offenbar großer Druck und wir hegten die Befürchtung, dieser könne sich in einem spontanen Schloträumer entladen. Da ich diesen Bericht noch schreiben kann, ist dieser zum Glück ausgebleiben. Andy kehrte wenige Wochen später zum Vulkan zurück und berichtete von einem Lavadom, der sich nun im hinteren Krater manifestierte. Im Frühjahr 2012 war dieser Dom dann wieder verschwunden.
Stand 2011