Umriss des Krakatau vor der großen Eruption.
Am 27. August 1883 vernichtete sich der Vulkan Krakatau in einer gewaltigen Explosion selbst. Der Knall der Detonation war noch in Tausenden Kilometern Entfernung zu hören. Unhörbare Druckwellen liefen sieben Mal um den gesamten Globus. Tidenmeter verzeichneten im Ärmelkanal zwischen Frankreich und Großbritannien Pegelschwankungen von mehreren Zentimetern. In den darauf folgenden Monaten schwärmten die Menschen von wunderschönen Sonnenuntergängen und klagten gleichzeitig über sinkende globale Temperaturen. Das Schlimmste aber waren die gewaltigen Tsunamis, die durch die Eruption des Vulkans Krakatau - auf der gleichnamigen Insel zwischen Java und Sumatra - ausgelöst wurden. Mindesten vier dieser gigantischen Wellen suchten die Küsten heim und verwüsteten 165 Dörfer und Städte. Bis zu 40 Meter hohe Wellen rollten mehrere Kilometer weit ins Hinterland. Sie erfassten das Küstendampfschiff "Berouw" und setzten es - fast unbeschädigt - dreieinhalb Kilometer weiter landeinwärts in einem Bach ab.
Was die Flutwellen verschonten, zerstörten die pyroklastischen Ströme. Diese rasten mit 800 km/h über das Meer und wurden erst in den Küstengebirgen von Sumatra gestoppt. Gewaltige Mengen vulkanischer Asche und Gestein wurden in die Atmosphäre geblasen. Augenzeugen berichteten von ganzen Bimssteininseln, die das Wasser der Sundastraße in einen zähen Brei verwandelten. Bei der stärksten Eruption der Neuzeit starben mehr als 36.400 Menschen.
Was aber hatte die größte Vulkankatastrophe der Neuzeit ausgelöst? Und: War sie überhaupt die größte Katastrophe? Die zweite Frage kann man sofort mit "nein" beantworten. Die Eruption des Tambora auf Sumbawa im Jahre 1815 war weitaus stärker gewesen als die des Krakatau. Der Unterschied im Bekanntheitsgrad der beiden Vulkane ist dadurch bedingt, dass kurz vor der Krakatau-Katastrophe ein Unterseekabel verlegt worden war, mit dessen Hilfe die neuesten Nachrichten telegrafisch weltweit und praktisch in Echtzeit verbreitet werden konnten. So nahm erstmals die gesamte Welt an den Ereignissen in Indonesien teil, weil schon nach kurzer Zeit z.B. in den Zeitungen in Europa davon zu lesen war. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass sich die Eruption des Krakatau in das kollektive Gedächtnis der Menschheit einbrannte und zum Synonym der Vulkankatastrophe schlechthin wurde.
Obwohl man immer von der Insel Krakatau spricht, war Krakatau schon vor der Katastrophe Teil eines Inselarchipels. Die 800 Meter hohe Hauptinsel setzte sich aus den Vulkanen Rakata, Danan und Perbowatan zusammen und wurde von den Inseln Verlaten Island und Lang Island flankiert.
Erste Hinweise auf die bevorstehende Katastrophe manifestierten sich bereits im Mai des Jahres 1883. Es begann mit einem Zittern, das ein Leuchtturmwärter am 10. Mai registrierte. Ein leichtes Erdbeben ließ seinen Turm schwanken. Das Meer schäumte auf und wurde dann ganz ruhig, bevor wieder die normale Dünung einsetzte. Fünf Tage später folgte ein ähnliches, aber stärkeres Ereignis, von dem ein niederländischer Kontrolleur in Ketimbang berichtete. Schon damals war die Sundastraße zwischen Sumatra und Java ein viel befahrener Schifffahrtsweg, über den der Warenverkehr zwischen der niederländischen Ostindien-Kompanie und Europa abgewickelt wurde. So kreuzten auch mindestens zehn Schiffe in der Nähe von Krakatau, als der Vulkan am 20. Mai ausbrach. Der Kapitän des deutschen Kriegsschiffs "Elisabeth" berichtete von einer weißen, schirmförmigen Wolke, die ungefähr elf Kilometer hoch aufstieg und auf Deck einen leichten Ascheregen niedergehen ließ.
Europa erfuhr erstmals drei Tage später in einer knappen telegrafischen Nachricht von den Ereignissen in der Sundastraße. Ein Lloyd's-Agent berichtete aus Jakarta von einem heftigen Ausbruch des Vulkans Krakatau. Seine knappe Aussage basierte auf einem ausführlichen Bericht eines Herrn Schuit. Dieser berichtete von langanhaltenden Ausbrüchen, deren Grollen und Beben die 50 Kilometer Luftlinie überbrückten, die den Küstenort Anyer von Krakatau trennten. Über 24 Stunden hinweg hielten die ersten Eruptionen an, und von der Küste aus sahen die Bewohner Krakatau in Rauch gehüllt. Nachts drang ein rotes Leuchten zu ihnen hinüber. Ein Schiffsführer, der die Insel am 22. Mai passierte, erzählte von Flammen, die aus dem Gipfel schlugen, und von brennender Vegetation.
Die letzte Phase im Leben des Krakatau begann am Sonntag, dem 26. August 1883. Um 13.06 Uhr zerriss das Grollen einer Explosion die sonntägliche Idylle in den niederländischen Kolonialorten an den Küsten von Java und Sumatra. Die Bewohner schreckten von ihren Mittagstischen auf und blickten verwirrt zum Meer, von wo das Dröhnen kam. Überlebende der Katastrophe beschrieben das Geräusch der gewaltigen Explosion später als das lauteste, das sie jemals gehört hatten. Diejenigen, die durch den Dunst über das Meer blickten, sahen eine riesige weiße Wolke, die sich rasch ausbreitete. Im Laufe des Nachmittags verdunkelte sie sich zusehends, und einige Augenzeugen berichteten von einer dunkelgrauen Wolke. Gegen 14 Uhr war es in den Küstenorten auf Java so dunkel, dass die Laternen entzündet werden mussten.
Am Spätnachmittag hatte die Eruptionssäule eine Höhe von ungefähr 27 Kilometern erreicht. Erste Boote im Hafen von Anyer rissen sich los und kappten die Telegrafenverbindung in die Hauptstadt Batavia, das heutige Jakarta.
Gegen 20 Uhr steigerten sich die Detonationen der Eruption noch einmal. Das Meer schäumte und kochte in einer wilden Dünung, und die Brecher krachten auf die Küsten. Noch im 150 Kilometer entfernten Jakarta waren die Explosionen zu hören, und Gaslaternen erloschen aufgrund der Luftdruckschwankungen. Es folgten einige ruhigere Stunden, in denen Krakatau seine Kräfte zum finalen Schlag sammelte.
Um 5.30 Uhr erfolgte die erste von vier gigantischen Explosionen; die zweite um 6.44 Uhr. Die Städte Telukbetung und Anyer verschwanden in den Tsunamis, die von den Explosionen ausgelöst worden waren.
Um 8.20 Uhr gab es eine weitere Detonation. Die gesamte Küste war inzwischen in absolute Dunkelheit gehüllt, und es war ungewöhnlich kühl. Vermutlich war Meerwasser durch Risse in die Flanke des Vulkans Krakatau eingedrungen und hatte die Katastrophe ausgelöst. Das Wasser verdampfte dabei schlagartig und vergrößerte sein Volumen um das 1500-Fache. Es folgten phreatomagmatische Eruptionen, die zu den kraftvollsten Ausbrüchen in der Welt der Vulkane zählen. Der ungeheure Druck der Eruptionen entleerte die Magmakammer.
Um 10.02 Uhr erfolgte die letzte und schlimmste Explosion, in deren Folge die entleerte Magmakammer in sich zusammensackte und der Krakatau versank. Ungeheure Mengen von Gestein und Lava wurden in diesem letzten Krampf des Vulkans bis weit in die Stratosphäre geblasen. 38.000 Meter hoch stieg die Eruptionswolke auf, bevor sie in sich zusammenstürzte und den schlimmsten pyroklastischen Strom erzeugte, von dem jemals berichtet worden ist. Zurück blieben ein großes Loch, eine Caldera, und der Inselstumpf des Rakata. Als die Magmakammer in sich zusammenstürzte, füllte sich der Hohlraum schlagartig mit Wasser. Dieser - mit einer Implosion vergleichbare - Vorgang dürfte die letzte und größte Flutwelle der Katastrophe ausgelöst haben. Der Knall dieser letzten Explosion war noch auf der 4700 Kilometer entfernten Insel Rodriguez zu hören.
Wie durch ein Wunder überlebten die meisten Schiffsbesatzungen die Riesenwellen, da die Tsunamis ihre Kraft erst entfalten, wenn sie in flachen Uferzonen auflaufen. Von der Besatzung der "Berouw", die dreieinhalb Kilometer landeinwärts in einem Bachbett gestrandet war, fehlte jede Spur. Noch Monate nach dem Untergang des Krakatau wurden riesige Bimssteinflöße an den Küsten Ostafrikas angeschwemmt. Sie enthielten zum Teil grausige Fracht.
In den verwüsteten Küstenabschnitten kämpften die Überlebenden um ihre Existenz. Es fehlte an Trinkwasser, Nahrung und Medikamenten. Hilfslieferungen liefen nur sehr schleppend an. Den niederländischen Kolonialherren wurden bittere Vorwürfe gemacht. Dieses Klima war Nährboden für Islamisten, die Aufstände anzettelten. Immer mehr Indonesier bekehrten sich zum Islam. Die Unruhen, die nach der Krakatau-Katastrophe begannen, gipfelten erst 57 Jahre später im indonesischen Unabhängigkeitskrieg.
Sechs Wochen nach der Katastrophe besuchte erstmals eine Expedition die Überreste des Krakatau. Sie fand eine völlig leblose Ödnis vor. Doch schon sechs Monate später entdeckten Biologen erstes neues Leben, das die verbrannte Erde des Rakata wieder besiedelte. Nach wenigen weiteren Jahren wuchsen auf den steilen Hängen bereits Bäume, und Tiere waren auf die Insel zurückgekehrt.
1927 erfolgte die Wiedergeburt des Krakatau. Nach einer Serie heftiger Eruptionen tauchte in der Mitte der Caldera Anak Krakatau - "das Kind des Krakatau" - auf. Die Insel entstand genau dort, wo sich zuvor der Zentralkegel des Danan erhoben hatte. Kurz nach der Geburt des kleinen Eilandes fiel die junge Insel aber schon wieder den Kräften des Ozeans zum Opfer. Die Meeresbrandung trug die lockeren Sande und Schlacken schnell ab. Der Zyklus aus Geburt und Niedergang wiederholte sich noch viermal, bis 1930 endlich eine stabile Insel heranwuchs. Seither gehört Anak Krakatau zu den aktivsten Vulkanen der Welt. Auch hier fasste das Leben erstaunlich schnell Fuß. Die bisher jüngste Ausbruchsserie ereignete sich zwischen Oktober 2007 und Juni 2008. Auf der Südwestflanke öffnete sich unterhalb des Gipfels ein neuer Krater und produzierte eine Serie strombolianischer Eruptionen.
Stand 2009