Der Vulkan Bromo währnd einer nächtlichen Eruption.
Unser Abendessen haben wir auf unserem bequemen Aussichtsposten eingenommen und widmen uns gerade einer Flasche Bintang, als der laute Knall einer Explosion die Stille der Nacht zerreißt. Die Fensterscheiben der Lodge klirren und eine offene Tür schlägt zu. Einige rotglühende Bomben ziehen ihre elliptische Bahn hoch über den Kraterrand hinaus und eine Aschewolke steigt blumenkohlförmig in den Himmel. Das Knistern von Statik liegt in der Luft, als plötzlich ein Blitz durch die schnell aufsteigende Aschewolke zuckt. Nun werden wir vom Blitzfieber gepackt, wohl wissend, wie schwierig es ist einzelne Blitze mit der Kamera einzufangen. Fortwährend lösen wir die Kameras aus, doch wie so häufig, findet eine weitere Entladung gerade in dem Moment zwischen 2 Fotos statt. Doch Richard hat mehr Glück und erwischt den Blitz.
Gegen ein Uhr Nachts beschließe ich ins Bett zu gehen. Die Anreise war lang und die nächsten Tage würden so gut wie schlaflos werden, denn wir planten regelmäßig auf Nachtschicht am Vulkan zu gehen. Pünktlich zum Sonnenaufgang weckt mich ein aufgeregter Richard; der Bromo begann gerade mit einer größeren Ascheeruption. Schnell packe ich meine Kameras und stürme aus dem Zimmer. Der Vulkan grummelt wild und die aufgehende Sonne illuminiert die aufsteigende Aschewolke in einem warmen Orangeton. Die basale Eruptionssäule nimmt einen großen Teil des Kraters ein und bereitet sich weiter oben wie ein Atompilz aus. Starker Ascheniederschlag regnet in der Caldera nieder und taucht diese in einen Dunstschleier.
Als die ersten Aufnahmen im Kasten sind, wollen wir eine Totale über die Tengger-Caldera einfangen. Schnell sprechen wir drei der einheimischen Mopedfahrer an, die sich hier gerne als Taxifahrer anbieten. Für umgerechnet 5 Euro fahren sie uns zu einem höher gelegenen Aussichtspunkt am Caldera-Rand. Hier treffen wir auf eine wilde Horde aus Touristen und Einheimischer die das Naturspektakel genauso bewundern wie wir. Die Wenigsten dürften bereits einen Ausbruch des Bromos gesehen haben, denn der Vulkan war zuletzt 2004 aktiv. Damals ereignete sich ein kurzer, aber heftiger Ausbruch, bei dem 2 Touristen starben, die sich gerade am Kraterrand aufhielten. Das Panorama von hier ist atemberaubend. Vor mir breitet sich die gesamte Sandmeer-Caldera aus. In ihrer Mitte liegen die 4 Krater-Kegel die bei Ausbrüchen nach der Bildung des Einsturzkraters entstanden sind. Ich war bereits vor einigen Jahren hier und hätte mir nie träumen lassen, einmal einen Ausbruch des Bromos miterleben zu dürfen. Die Eruption hat inzwischen ein wenig an Kraft verloren, trotzdem steigt die Dampf- und Aschewolke gut 1 km hoch auf.
Ein wenig später beschließen wir uns zum Tempel am Fuße des Bromos fahren zu lassen. Der Vulkan hat inzwischen seine Tätigkeit geändert und fördert nun weniger Asche. Dafür produziert er frequente Explosionen und macht mächtig Lärm. Gelegentlich fliegen Lavabrocken bis auf den äußeren Vulkanhang und decken die Treppe ein, auf der normalerweise Touristen und Pilgerreisende zum Kraterrand aufsteigen. Wir verbringen die Nacht vor dem hinduistischen Heiligtum und beobachten die Ausbrüche genau. Wir versuchen das Gefahrenpotential der Eruptionen abzuschätzen und kommen zu dem Schluss, dass ein Aufstieg über die Treppe zu gefährlich ist. Allerdings landen auf dem rückwertigen Bereich des Kraters scheinbar keinen Bomben. Gegen Mitternacht beginnt wieder eine Eruptionsphase mit verstärktem Ascheausstoß und wir sitzen im Ascheregen. Über Stunden rieselt beständig Sand vom Himmel. Ich gebe das Fotografieren auf und mache es mir auf meiner Isomatte so bequem, wie es die Umstände zulassen und verkrauche mich unter meinem Poncho. Ein wenig amüsiert denke ich über grüne Umweltplaketten und Feinstaubbelastung nach. Der Sonnenaufgang präsentierte sich aufgrund des vielen Staubes in der Luft besonders stimmungsvoll. Wieder steigt eine mächtige Aschesäule in den orangefarbenen Himmel. Eine stärkere Explosion lässt vulkanische Bomben und Lapilli auf den Hang vor uns prasseln.
Als wir morgens zum Frühstück wieder zur Lodge zurück marschieren diskutieren wir unsere Pläne für den nächsten Abend. Wir beschließen einen Aufstieg zum Kraterrand und wollen uns entlang des Gungung Widodaren über die Rückseite des Bromos annähern. Das Gelände ist stark zerfurcht und bewaldet und da wir keine Lust haben Stunden nach einem vernünftigen Aufstieg zu suchen, heuern wir einen Führer an. Er führt uns steil bergauf. Die gesamte Landschaft ist mit Asche überdeckt, die Vegetation erstickt. Im oberen Drittel des Aufstieges sind viele Bäume unter der Aschelast umgeknickt. Auf alle viere müssen wir unter die Äste durch krauchen, von denen beständig Asche in den Nacken rieselt? echt unangenehm! Oben am Kraterrand des Gungung Widodaren verlässt uns unser Führer. Bis zum Rand des aktiven Vulkans möchte er verständlicher Weise nicht mitgehen. So marschieren wir alleine weiter über den steilen Grat am Kraterrand und sehen vor uns die Aschewolke aufsteigen. Aufmerksam spähen wir nach den Spuren frischer Lavabomben, doch in der gut 20 cm Mächtigen Ascheschicht liegt nicht ein Brocken, der größer als eine Erbse wäre. Kurze Zeit später stehen wir am südöstlichen Kraterrand des Vulkans und spähen in seinen Schlund. Der Lärm ist ohrenbetäubend. Die Druckwellen starker Gasexplosionen lassen den Magen vibrieren und gelegentlich spüre ich einen warmen Lufthauch über mein Gesicht huschen. Zum Greifen nahe zieht eine Aschewolke vor uns hoch. Strombolianische Eruptionen decken das Kraterinnere mit glühenden Brocken ein. Obwohl das Szenario Urängste schürt fühlen wir uns verhältnismäßig sicher. Freilich darf es nicht zu einer Explosion kommen, die stärker ist als die Anderen, oder die Lavabomben in unserer Richtung schmeißt. Schnell wird es dunkel und als der Mond aufgeht packt mich die Foto-Wut. Eine Serie strombolianischer Ausbrüche treibt die Schlacken bis weit über Augenhöhe und mit einem satten Ploppen prasseln die Bomben auf die gegenüberliegenden Hänge des Kraters. Bald wechselt sich die Phase strombolianischer Ausbrüche mit permanentem Ascheausstoß ab. Es wird ein wenig langweilig ständig auf die vom Mondlicht leicht erhellte Wolke zu starren und so kauere ich mich in eine windgeschützte Mulde und döse ein wenig vor mich hin. In den Ohren habe ich mir als Schutz vor dem beständigen Lärm Klopapier gestopft, doch viel bringt dieser Lärmschutz nicht.
Kurz vor der Morgendämmerung versammeln wir uns wieder hinter unseren Kameras. Wir hoffen auf eine große Ascheeruption, doch die bleibt aus. Stattdessen gibt es eine Serie von Explosionen die einzelne Aschewolken fördern. Gegen 8 Uhr machen wir uns an den Abstieg. Um den endlosen Marsch über den Gungung Widodaren abzukürzen, nehmen wir das Risiko in Kauf und rennen ein Stück über den Kraterrand des Bromos, um dann in nordöstlicher Richtung entlang eines Grates abzusteigen, von dem wir hoffen, dass er uns einen Weg durch die Erosionslandschaft bietet. Gerade als wir vom Kraterrand runter sind erschüttert die stärkste Explosion des Morgens den Berg. Ich schaue nach oben und sehe eine Lavabombe von der Größe eines Tisches hoch aufsteigen und auf den Kraterrand klatschen. Da haben wir nochmal Glück gehabt. Ein Blick hangabwärts zeigt, dass man sich hier nicht lange aufhalten sollte, denn dicht an dicht liegen frische Lavabomben. Beherzt setzen wir unseren Weg fort und landen bald -wie könnte es anders sein- mitten im Labyrinth der Erosionslandschaft. Es beginnt eine lustige Kletterpartie über die haushohen Kämme, die sich als ein wenig schweißtreibend erweist und von Martin und Richard in zahlreichen Fotos dokumentiert wird. Rittlings übersteige ich einen der Grate und rutsche auf der anderen Seite durch die Asche hinunter. Mehr als einmal müssen wir umkehren, weil ein metertiefer Abgrund unüberwindbar scheint. Nun ja, der kürzeste Weg ist nicht immer der schnellste! Trotzdem erreichen wir gut gelaunt den Fuß des Vulkans und haben sogar das Glück einen Lift per Motorrad zurück zur Lava-View Lodge zu bekommen. Was für ein Tag!
Nachmittags kommt Regen auf und wir ändern unseren Plan, eine weitere Nacht am Kraterrand zu verbringen. Stattdessen brechen wir alle einzeln auf und gehen zeitversetzt auf Nachtschicht. Martin durchquert die Caldera und besteigt den Rim im Westen, Richard klettert auf den Mt. Batok und ich kämpfe mit Bauchkrämpfen und schleiche ein wenig am Tempel rum. Nach einiger Zeit gehen mir Durchfall und Ascheregen auf die Nerven und ich gehe zur Abwechslung ein wenig schlafen.
Am nächsten Morgen müssen wir bereits wieder abreisen. Der Vulkan hängt halb in den Wolken und verabschiedet uns während des Frühstückes mit einer größeren Aschewolke. Die Tage am Berg sind schnell vorüber gegangen. Zufrieden, aber erschöpft treten wir die Rückreise an.
Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Reportage nicht als Ratgeber verstanden werden soll, ebenfalls auf den Kraterrand eines aktiven Vulkans zu steigen. Die Situation an einem Vulkan kann sich augenblicklich ändern und was vorher noch mit einem vertretbaren Risiko behaftet war, kann schnell in einer persönlichen Katastrophe enden. Die Geonauten blicken zum Teil auf eine mehr als 20 Jährige Erfahrung in Besteigung aktiver Vulkane zurück und sind sich der Problematik bewusst.