Ausborden vor der Feuerrutsche.
Nachdem wir am Krakatau die Anfänge des neuen Lavadoms dokumentierten, die Schwefelarbeiter am Kawah Ijen besuchten und am Vulkan Bromo das Kasada-Fest miterleben durften, machten sich Martin, Thorsten und Marc auf den Weg zur Insel Flores. Dort trafen wir nach Zwischenlandungen auf Bali und Komodo auf Chris, der mit Anita bereits seit einigen Tagen auf Flores unterwegs war. Nun wurde es ernst. In der Hafenstadt Larantuka mussten wir uns ein Boot besorgen um zum Batu Tara zu fahren. Mit Hilfe eines englischsprachigen Einheimischen machten wir uns auf den Weg in den Hafen und fanden überraschend schnell ein Fischerboot. Es war bereits dunkel, doch der erste Eindruck des Gefährts ließ uns Zweifel aufkommen, ob es der ggf. rauen See fernab der Küste standhalten würde. Nichts desto trotz einigten wir uns mit dem Bootsbesitzer auf einen verträglichen Preis. Nur als wir sagten, dass wir Kombo Island (auch Komba Island genannt) mit dem Vulkan betreten wollten machte sich Entsetzen in seinen Augen breit. Die Insel sei Tabu meinte er, dort würden die Geister der Ahnen leben und niemand dürfe sie betreten. Wiederwillig ließ er sich von uns besänftigen und er willigte ein uns zu fahren. In einem kleinen Laden kauften wir schnell ein paar Lebensmittel für die nächsten 3 Tage auf See ein und kehrten zu unserem Hotel zurück, das sehr simpel ausgestattet war. Dort erwarteten uns 2 Kinder, die uns mitteilten, dass ihr Papa (der Fischer) uns doch nicht fahren wolle. Frustration machte sich breit und wir mussten erst einmal zusehen, unsere Anzahlung zurück zu bekommen. Mittlerweile war es bereits nach 21 Uhr und bei unserem engen Zeitplan sahen wir unsere kleine Expedition in Gefahr. Als Alternative gab es nur noch die Tagesreise zum Walfängerort Lembata, wo wir einen weiteren Versuch starten könnten ein Boot auf zu treiben, aber dann bliebe uns nur noch die Möglichkeit der Insel einen Kurzbesuch abzustatten. Doch Chris gab nicht auf und machte sich nochmal auf den Weg zum Hafen. Diesmal gelang es ihm einen größeren Thunfischfänger aufzutreiben, der unter chinesischer Flagge fuhr und gut 8 Mann Besatzung hatte. Der zuerst angesetzte Preis war illusorisch hoch und lag bei 1000 USD pro Tag. Zum Schluss einigten wir aus auf 1200 USD für die 3-tägige Charter.
Am nächsten Morgen stachen wir in See. Viel Luxus gab es an Bord nicht, das Boot war für die Einquartierung lebender Thunfische konzipiert, nicht für die Bequemlichkeit von Touristen. Es gab einen kleinen Vorraum wo wir unser Gepäck neben einem knatternden Dieselaggregat deponieren konnten und den Boden im Steuerunterstand, auf dem eine Decke ausgebreitet wurde. Ich zog es vor meine Notdurft über die Reling zu erledigen und betrat die winzige Toilette nicht. Wohlweislich hatte Anita darauf verzichtet mit uns loszufahren und blieb an Land.
Schon vom Weiten sahen wir immer wieder Aschewolken am Horizont aufsteigen und die Spannung wuchs. Unsere Internetrecherchen hatten nur zu sehr wenigen brauchbaren Bildern des Vulkans geführt und diese wurden entweder aus der Luft, oder von See aus gemacht. Unser Ziel war es irgendwie an der schroffen Küste anzulanden und nachts landgestützte Bilder der strombolianischen Eruptionen zu schießen, was unseres Wissens noch Niemand zuvor geschafft hatte.
Nach gut 8-stündiger Fahrt bei schönstem Wetter erreichten wir unser Ziel. Steil und schroff präsentierte sich Kombo Island, das eigentlich nur aus der 748 m hoch aufragenden Spitze des Vulkans Batu Tara besteht. "Wie eine verwunschene Schatzinsel", kam es mir in den Sinn und irgendwie dachte ich an: Piraten!
Die Schiffsbesatzung steuerte schnurstracks auf eine geschützte Bucht zu, die auf der dem Krater abgewandten Inselseite lag, um dort für die Nacht vor Anker zu gehen. Wir protestierten und erkämpften eine Inselumrundung zum Sonnenuntergang. Die Fahrt verdeutlichte uns schnell, warum hier keine Menschen Leben und warum es keine vernünftigen Bilder der Eruptionen gab. Zwar sahen wir an einigen Stellen dünne Sandstrandstreifen, doch bei Flut würden sie unter Wasser stehen. Die unteren Hänge erwiesen sich als viel zu Steil um sie ohne Seil und großem Aufwand zu erklimmen. Weiter oben war die Vegetation so dicht, das man nur mit Machete und Kettensäge weiter gekommen wäre. Wir waren entmutigt. Doch die Laune stieg, als wir die Seite der Insel erreichten, deren Flanke vor nicht allzu langer Zeit abgeschert und ins Meer gestürzt war. Dort liegt nun der Krater zur See hin offen und gewährt einen Blick auf die strombolianischen Eruptionen. Alle paar Minuten gab es eine Explosion und Tephra stieg mehrere Hundert Meter hoch auf. Glühende Brocken flogen bis über den Kraterrand, der ca. 250 m hoch ist. Einige kullerten über einen steilen Schotterhang bis ins Meer, wo sie zischend und dampfend abkühlten. Schnell machten wir etwas seitlich dieser Feuerrutsche einen kleinen Küstenabschnitt aus, der so aussah, als könne man dort anlanden. Doch für diese Aktion war es nun zu spät und wir gewährten der Mannschaft ihren geschützten Ankerplatz anzusteuern. Einige der Männer schwankten zwischen Faszination und Panik im Angesicht der donnernden Vulkanausbrüche, die teilweise so laut waren, dass selbst ich manchmal erschrocken zusammenzuckte.
Die Nacht an Bord war alles andere als bequem. Alles schwankte und drehte sich und ich hatte ständig Sorge in einer der Fischluken zu verschwinden, die zum größten Teil offen dalagen. Den wenigen Platz draußen mussten wir uns mit den Fischern teilen, die das machten, was Fischer am liebsten zu machen scheinen: fischen! Die fremden Gewässer bargen einen ungeahnten Fischreichtum und die Männer fingen einen "Red Snapper" nach dem anderen und frittierten einige sofort im Wok; für das leibliche Wohl war gesorgt. Wenig später rollte ich mich auf Deck in meine Decke ein, starrte ins Firmament, an dem mehr als 1000 Sterne glühten und bewunderte die Milchstraße, die man bei uns daheim ja praktisch niemals zu Gesicht bekommt, der Lichtverschmutzung sei Dank! Ca. alle 20 Minuten wurde die Stille der Nacht fernab der Zivilisation von einer Explosion unterbrochen. Gelegentlich sah ich rotglühende Lavabrocken über den Krater aufsteigen, der sich auf der anderen Inselseite befand. Einige Eruptionen waren größer als der Durchschnitt aber scheinbar nicht so groß, als das sie unseren morgigen Landgang gefährden würden.
Am nächsten Morgen war es dann soweit: wir verpackten unsere Ausrüstung in Wasserdichte Ortlibsäcke und fuhren zur Feuerrutsche. Morgens war der Seegang am niedrigsten; zum Ausborden stand uns nur ein wackliges Einbaumkanu zur Verfügung. Vollkommen illusorisch zu denken damit trocken an Land zu gelangen und so ließen wir unsere Ausrüstung von einem der Fischer an Land bringen, während wir selbst schwammen. Wir ließen immer nur einen Sack an Land rudern, denn die Gefahr die gesamte Ausrüstung bei einem eventuellen Kentern des Kanus zu verlieren, war uns zu groß. Es war schon ein einmalig spannendes Erlebnis vor einer Feuerrutsche schwimmen zu gehen, den Krater immer im Blick, ob er nicht mit Steinen nach uns werfen würde. Die ganze Landungsaktion nahm schon gut eine Stunde in Anspruch, denn der Küstenabschnitt war felsig und wir schafften das Gepäck gleich auf eine höher gelegene Stelle, die bei Flut trocken blieb. So kauerten die Geonauten einen Tag auf einer Felsnase am Strand, suchten Schatten und starrten Richtung Krater. Die Sicht auf diesen war suboptimal, denn eine Flanke des abgerutschten Hangs verdeckte einen Teil des Förderschlots. Trotzdem war es der einzig mögliche Standpunkt. Direkt vor die Feuerrutsche konnten wir uns nicht postieren, denn hier ging deutlich mehr Material ab, als an der Sciara del Fuoco des Strombolis. Kurz unterhalb des Förderschlots quetschte sich ein zähflüssiger Lavastrom aus dem halben Kegel, der sich in der abgescherten Flanke bildete. Von ihm lösten sich schubweise Lavabrocken, die unter lautem Rumpeln die Feuerrutsche hinabsprangen. So ein Tag in der Sonne kann verdammt lang werden und ich überlegte, was wohl wäre, wenn uns unsere Bootscrew im Stich lassen würde? Sie hatten, nachdem sie uns abgesetzt hatten, schnell das Weite gesucht und waren wieder in der geschützten Bucht vor Anker gegangen, außerhalb unserer Sichtweite. Verdursten wäre nicht so toll.
Ich war froh, als endlich die Dämmerung hereinbrach. Endlich wurden die rotglühenden Brocken in der Eruptionswolke sichtbar und das Fotografieren begann sich zu lohnen. Die nächsten Stunden vergingen schnell. Die Stärke der Eruptionen variierte stark. Manche verkümmerten regelrecht kurz oberhalb des Förderschlotes, andere Ausbrüche schleuderten die Lavabomben in einer weit aufgefächerten Blume über den Kraterrand hinaus; ein fantastisches Naturspektakel, das der ¾ Mond erhellte. Plötzlich entdeckte ich das Meeresleuchten: wenige Meter vor der Küste zogen geheimnisvoll schimmernde Leuchtflecken durch das Meer. Es waren mehrere Flecken von einigen Quadratmetern Größe die durchs Wasser schwebten, sich zu einem größeren Flecken vereinigten und wieder teilten. Dass mussten Meerjungfrauen sein! Chris, der da weniger romantisch ist, tippte eher auf fluoreszierende Quallen, oder Garnelenschwärme. Vielleicht waren es auch nur tausende silberne Fische, deren Schuppen das Mondlicht reflektierten. Irgendwann rollte ich mich auf meiner Matte zusammen und döste ein wenig ein, träumte von Meerjungfrauen, Piraten und Goldschätzen, doch die Explosionen rissen mich immer wieder aus dem Schlaf und ich hockte mich wieder hinter meiner Kamera. Als der Morgen graute wurde es windig und ein wenig besorgt schielte ich Richtung höher werdender Wellen. Ob wir unsere Ausrüstung wieder trockenen an Bord unseres Kreuzfahrtschiffes bekommen würden? Pünktlich um 7 Uhr tauchte er auf, der Thunfischfänger. Die Mannschaft versammelte sich neugierig am flachen Bug und winkte uns freudig zu. Vom Weiten riefen die Männer bereits, ob alles ok sei. Scheinbar waren sie echt besorgt, ob des Vulkans und den geisterhaften Tabus der unerforschten Insel.
Schwimmend und rudernd begaben wir uns wieder an Bord und warfen letzte Blicke auf Batu Tara und wir verließen die fremden Gewässer. In den drei Tagen die wir unterwegs waren, sahen wir kein einziges anderes Boot soweit draußen. Keine Menschenseele näherte sich dem Vulkan. Obwohl sich Stromboli und Batu Tara sehr ähnlich sind, scheinen tatsächlich Welten zwischen Italien und Indonesien zu liegen.
Die Rückfahrt erfolgte problemlos und 2 Tage später machten wir uns auf den Heimflug. Die zweimotorige Propellermaschine flog tief über die Inselwelt Indonesiens und wir passierten die gewaltigen Calderen von Tambora und Rinjani. 2 Ziele, die wir auf einer der nächsten Reisen unbedingt ansteuern wollen.