Karangetang sieht vom Süden besonders symmetrisch aus.
Die Geonauten Thorsten, Martin und Marc machten sich Ende August 2015 auf den Weg dorthin, um den Ausbruch des Vulkans zu dokumentieren. Als uns die Nachricht über den Beginn der Eruption erreichte, waren wir gerade am Kawah Ijen im Osten Javas. Eigentlich wollten wir den Ausbruch des Raung dokumentieren, der aber pünktlich mit unserer Anreise geendet hatte. So statteten wir zunächst dem Schwefelkrater des Kawah Ijen einen nächtlichen Besuch ab, filmten die blauen Flammen des Schwefelbrandes und machten uns auf den Weg zum Karangetang. Doch selbst wenn man sich bereits in Indonesien befindet, ist der Weg lang und aufwändiger, als die Reise von Deutschland zum italienischen Stromboli. Zuerst mussten wir 3 Inlandsflüge bis nach Manado absolvieren, wo wir am späten Abend ankamen. Nach einer Hotelnacht ging es dann auf eine Expressfähre, die fast 5 Stunden unterwegs war. Bemerkenswert war ein Stopp im Hafen der Insel Thulandang. Dort wurde die Fähre von einer Horde Verkäufer gestürmt, die selbst erzeugten Proviant anboten. Dabei hatte ich den Eindruck, dass fast doppelt so viele Verkäufer das Boot stürmte, wie Fahrgäste an Bord waren.
Als wir dann endlich Api Siau und den Vulkan erreichten erinnerte mich die Morphologie der Insel mit ihren vorgelagerten Inselchen an eine halb versunkene Caldera, auf dessen Flanke sich der neue Vulkan mit seinen 5 Kratern gebildet hatte. Doch in der spärlichen Literatur zum Karangetang ist nichts von einer Caldera zu lesen. Zunächst präsentierte sich Karangetang wolkenverhangen und wir machten uns vom Hafen auf den Weg zum empfohlenen Hotel. Da wir nicht wussten welche Distanz es zurück zu legen galt, bestiegen wir ein Taxi und erklärten uns im Vorfeld mit einem Fahrpreis von 15 USD einverstanden. Als ich in die glänzenden Augen des Fahrers blickte, wusste ich, dass es ein Fehler war: nach knapp 2 Minuten Fahrtzeit hatten wir unser Ziel erreicht und die verdutzen Geonauten verließen staunend das abenteuerliche Gefährt mit seiner monströsen Musikanlage.
Das Hotel erwies sich als ähnlich abenteuerlich und überteuert. Abenteuerlich wegen dem heruntergekommenen Interieur und der fehlenden Möglichkeit ein Frühstück, oder gar Abendessen zu bekommen. Dafür zeigte uns der Hotelier aufgeregt einen Videoclip, den er heute Morgen mit seinem Handy gefilmt hatte: ein pyroklastischer Strom wälzte sich über die Südflanke des Vulkans und war zum Greifen nahe. Das Video sei vom Ende der Straße aus aufgenommen worden, sagte der Hotelier. Total elektrisiert wünschen wir eine klare Sicht herbei und machen uns schnell auf Essenssuche. Das erwies sich als leichter Gesagt, denn Getan! Zwar fanden wir recht schnelle einen kleinen Supermarkt in dem wir Getränke und Knabbereien kaufen konnten, doch ein richtiges Restaurant gab es im ganzen Ort nicht. Von den 3 Warungs (lokale Imbissbuden) sah nur einer einigermaßen einladend aus, doch leider lag er genau über einem Abwasserkanal, in dem Schweine nach essbarem suchten. Egal! Es begann aufzuklaren und so bestellte ich das obligatorische Nasi Goreng Special (Special = Spiegelei). Der Besitzer des Warungs sprach tatsächlich mehr Englisch, als alle Angestellten des Hotels zusammen und sollte sich im Verlauf unserer Reise als sehr freundlicher und hilfsbereiter Zeitgenosse erweisen, der uns mit brauchbaren Informationen versorgte.
Als wir fertig waren hatten sich auch die lästigen Wolken verzogen und wir wurden uns erst jetzt gewahr, wie nahe der Vulkan war. Vom Dach des Hotels aus hatten wir einen Logenplatz mit freiem Blick auf die aktive Feuerrutsche: über dem Südhang des Vulkans gingen immer wieder glühende Lava-Lawinen ab, die von einer Lavazunge gespeist wurden. Dieser äußerst zähe Lavastrom ergoss sich vom Südkrater ausgehend gut 200 m den Hang hinab, wo er zunächst stagnierte. Einige Schuttlawinen waren so groß, dass nicht mehr viel gefehlt hätte und sie wären zu pyroklastischen Strömen geworden. Auf diese hatten wir es natürlich abgesehen. Allerdings war das Hotel, so wie der gesamte Ort kein sicherer Platz, wenn wirklich große pyroklastische Ströme entstehen sollten. Noch exponierter waren einige kleinere Orte direkt unterhalb der Feuerrutsche.
Am nächsten Tag sprachen wir mit dem Bürgermeister einer dieser Ortschaften. Er meinte, dass sein Ort ganz umgesiedelt werden sollte. Erst im Mai starben 6 Menschen, als ein pyroklastischer Strom ihr Dorf verwüstete. Die Spuren des Stromes konnten wir auf unserer Fahrt zum vulkanischen Observatorium besichtigen. Dieses lag im Südwesten der am meisten gefährdeten Zone und hier verbrachten wir unsere 2. Nacht am Vulkan. Von hieraus war nur der obere Teil der Feuerrutsche im Südosten einsehbar, dafür hatte man einen schönen Blick auf die Kraterregion. Am Vortag war die Seismik besonders hoch gewesen, was sich nun in sporadischen strombolianischen Eruptionen aus dem Südkrater manifestierte. Pyroklastische Ströme ließen indes weiter auf sich warten.
Am dritten Tag präsentierte sich Karangetang wolkenverhangen. Erst am späten Abend lüftete sich der Wolkenvorhang und gab den Blick auf das feurige Schauspiel frei. Die Situation hatte sich in den letzten Stunden deutlich verändert. Zwei Arme des zähen Lavastroms hatten die obere Vulkanflanke verlassen und waren fast bis zur Basis der Feuerrutsche vorgedrungen. Allerdings war die Oberfläche der Ströme zum größten Teil erkaltet und nur eine Front glühte. Wir positionierten uns auf einem Parkplatz in einem Ort direkt unterhalb der Feuerrutsche und fotografierten die Lavaströme. Gegen Mitternacht wurden einige betrunkene Einheimische unangenehm aufdringlich und ich musste sie schon energisch in ihre Schranken verweisen, obwohl ich fürchtete die Situation könne eskalieren. Zum Glück kam unser Warung-Wirt mit seinem Truck vorbei, um nach uns zu schauen und brachte uns zurück ins Hotel. Eine halbe Stunde später wäre es vermutlich zu einer Schlägerei gekommen.
Der nächste unangenehme Vorfall ereignete sich am Morgen unserer spontanen Abreise: am Lokon auf Sualwesi war es zu einer Eruption gekommen und wir brachen eilig auf. In der Hektik bezahlte Thorsten schon das Hotel und übergab das Geld dem Angestellten hinter der Rezeption. Dann ging er packen und wollte die Rechnung anschließen abholen. Da hieß es dann, er hätte noch nicht bezahlt. Zig mal wurde der Tresen nach dem Geld abgesucht und der Angestellte durchblätterte mehrmals ein Notizbuch. Erst als Thorsten energisch wurde und mit der Faust auf den Tisch schlug, tauchte das Geld wieder auf. Es war in dem Notizbuch, was schon mehrfach durchgeblättert wurde! Die beiden Vorfälle, gepaart mit dem ungepflegten Hotel und dem Dreck im Ort drückten ein wenig die Stimmung und das ansonsten positive Bild der Vulkaninsel Api Siau.