Eine Reportage von Jens Edelmann
Indonesien besitzt mit Java, den Molukken, den Kleinen Sundainseln, Sumatra und der Minahasa-Halbinsel Vulkangebiete, die zu den eindrucksvollsten der Welt gehören. Nur an wenigen Orten auf der Welt findet man die Feuerberge in einer so großen Dichte wie hier. Nirgends ist die Verbindung zwischen Göttern, Menschen und Vulkanen so lebendig wie im indonesischen Archipel. Für uns Grund genug, immer wieder - auch in politisch weniger stabilen Zeiten - nach Indonesien zu reisen. Mit dieser positiven Einstellung stoßen wir zu Hause allerdings nicht nur auf Zustimmung, denn Indonesien befindet sich in der Krise, wirtschaftlich und politisch. Die Schwierigkeiten, in denen das Land steckt, wirken sich auch auf den Tourismus aus. Derzeit sind weit weniger Touristen als früher an den Stränden von Bali, Lombok, am Borobodur-Tempel oder im Torajaland zu finden. Vor allem Deutsche scheinen in dieser Hinsicht besonders skeptisch zu sein. Die Folge: Hotels stehen leer, Restaurants mußten schließen, Tausende Indonesier verloren ihren Job. Neben den deutschen Touristen kamen vor allem aber auch weniger australische Besucher, da die dortigen Behörden wiederholt Terrorwarnungen aussprachen. Die Bombenanschläge auf Bali aus den Jahren 2002 und 2005 haben immens dazu beigetragen, dass weniger Besucher in Indonesien und speziell auf Bali ihren Urlaub verbrachten. All das führte dazu, dass sehr viele Balinesen ihre Stellen im Bereich des Tourismus verloren haben und die Infrastruktur des Landes gelitten hat. Das schöne Bali - plötzlich ein Ort des Schreckens. Viele große Airlines reduzierten bei gleichzeitigen Preiserhöhungen ihr Flugangebot nach Indonesien.
Nach 18 stündigem Flug landen wir auf dem Ngurah Rai International Airport von Bali. Wir, das sind meine Frau Grit, unsere Kinder, Hannes (2) und Elisa (10) sowie der Autor dieser Zeilen. Elisa kennt Bali schon von einer früheren Reise. Für Hannes ist alles neu und sehr aufregend. Insgesamt ist es unsere vierte Reise nach Indonesien.
Bali hat sich in den letzten Jahren zur Drehscheibe des internationalen Flugverkehrs in Indonesien entwickelt. Die meisten Charter- und Linienflüge aus Europa kommen hier an. Das angenehme Klima der Insel, das ausgeglichene Naturell der Balinesen, die interessante hinduistische Kultur und Religion und die gleichermaßen komfortablen wie preiswerten Unterkünfte machen Bali zu einem idealen Einstieg für alle, die das erste Mal nach Indonesien reisen.
Vom Flughafen, der sich im äußersten Südwesten der Insel befindet, fahren wir nach Ubud, einem Künstlerdorf im südlichen Zentralbali. Hier haben sich vor allem viele Maler niedergelassen, deren Werke man in unzähligen Galerien bewundern und natürlich auch kaufen kann.
Ankunft im Hotel. Die balinesischen Losmen (indonesisch für "Pension") sind im Verhältnis von Qualität und Preis unschlagbar. Wir checken für 3 Tage ein und lassen es uns nach dem langen Flug erst einmal so richtig gutgehen. Vom Fenster des Restaurants haben wir einen grandiosen Ausblick auf die Reisfelder von Ubud und den Gunung Batukau, den Muschelberg.
Obwohl sich seit unserem letzten Aufenthalt auf Bali vor 5 Jahren sehr viel verändert hat, genießen wir das Wiedersehen mit vertrauten Orten. Tauschen Fotos mit Bekannten, machen Spaziergänge durch die Reisfelder ...
Batur
Wir fahren ins Hochland. Unser Ziel ist die Batur Caldera, eine der größten und schönsten Vulkancalderen der Welt. In dem Dorf Toya Bunkah, malerisch am Ufer des Batur Sees auf ca. 1.100 m Meereshöhe gelegen, beziehen wir Quartier.Wir haben den Berg bereits zweimal bestiegen und kennen ihn deshalb schon recht gut. Um so mehr erstaunt uns daher die Information des Hotelmanagers, daß individuelle Besteigungen des Vulkans vor kurzem verboten wurden. Jeder Tourist, der den Batur besteigen will, sei verpflichtet, einen Führer zu engagieren und zwar zum Preis von 20 US Dollar, pro Person (!) versteht sich. Er läßt durchblicken, daß man uns notfalls mit Gewalt an der Vulkanbesteigung hindern würde, wenn wir nicht bereit wären, die geforderte Gebühr zu entrichten. Wir überlegen ernsthaft, ob wir nicht besser packen und abreisen sollen. Jedenfalls sind wir fest entschlossen, nicht zu bezahlen. Der nächste Tag. Frühstück. Der Manager grinst, als er uns sieht. "You want not go to Batur?" fragt er. "Jalan jalan, saja" (bloß spazieren) antworte ich.
Eine Viertelstunde später sind wir unterwegs zum Krater. Ohne Führer. Ohne Gebühr. Der Aufstieg ist erwartungsgemäß einfach. Allerdings ist Hannes von der Idee, in einer Babykraxe auf den Berg transportiert zu werden, alles andere als begeistert und plärrt.
Unterwegs treffen wir die ersten Nachtbesteiger mit ihren Guides. Die Touristen schwärmen vom Vulkan und dem herrlichen Sonnenaufgang. Sogar den Rinjani auf Lombok haben sie gesehen. Die "Guides", Bauern in Gummistiefeln, schauen finster drein. Trotzdem können wir unseren Weg ungehindert fortsetzen.
Der weitere Aufstieg über die relativ steile, lavagepanzerte Flanke des Kegels bereitet keinerlei Schwierigkeiten. Nach insgesamt zwei Wegstunden erreichen wir den 1.717 Meter hohen Gipfel des Batur I. Unversehrt, bei bestem Wetter. Von oben können wir uns einen guten Überblick über die Caldera verschaffen und das Panorama mit dem gegenüberliegenden Gunung Abang (2.152 m), der die höchste Erhebung des Kraterrandes bildet, dem höchsten Gipfel Balis, Gunung Agung (3.142 m) sowie den tief unter uns liegenden azurblauen Batursee genießen. In der Ferne erkennen wir sogar den fast 4000 Meter hohen Vulkan Rinjani auf der Nachbarinsel Lombok.
Der Batur-Komplex besteht aus vier Hauptelementen:
a) Einer äußeren, ca. 13,8 x 10 Kilometer weiten Caldera (Caldera I);
b) einer inneren Caldera mit einem Durchmesser von ca. 7,5 Kilometern (Caldera II);
c) dem in der äußeren Caldera liegenden, ca. 90 Meter tiefen Batur-See (Danau Batur), der etwa 1/3 der Caldera bedeckt,
d) dem jungen Batur-Vulkan, bei dem es sich um einen aus vier Vulkankegeln bestehenden Stratovulkan des Postcaldera-Stadiums handelt
Die Bildung der Caldera erfolgte in mehreren Eruptionsstadien, die sich vor 29.300, 22.000 und 5.500 Jahren ereigneten. Bei der ältesten Eruption entstand die äußere Caldera, während die innere Caldera auf die mittlere Eruption zurückgeht. Durch diese Ausbrüche wurden überwiegend dacitische Ignimbrite gefördert, die einen Großteil des Calderainneren bedecken. Aus den weiter südlich abgelagerten Tuffen dieser Eruptionen werden die meisten der für Bali charakteristischen Tempelstatuen, die man nahezu an allen Orten der Insel sehen kann, gefertigt. Berühmt für ihre zahlreichen Steinmetzwerkstätten sind vor allem die Dörfer Batubulan und Mas in Südbali.
Auch zahlreiche Tempel auf Bali wurden aus Blöcken des Ubud-Ignimbrites errichtet.
Seit 1804 ist der Batur ungefähr 25 mal ausgebrochen. Meist strombolianisch mild, gelegentlich aber auch heftiger. Die Eruptionspunkte gruppieren sich um den Gipfel des Batur I, wobei sich das aktivste Eruptionsfeld entlang einer südostlich verlaufenden Störungslinie befindet. Eine Anzahl basaltischer Lavaströme, die sowohl aus den drei Gipfelkratern, als auch aus Eruptionsspalten auf den Flanken des Batur austraten, erreichten den Caldera-Boden und das Ufer des Batur-Sees.
Bei einem Ausbruch im Jahre 1926 trat die Lava aus einer 1,3 Km langen Eruptionsspalte aus und verschüttete das im Westen der Caldera liegende Dorf Batur. Dabei wurde der zweitwichtigste Hindu-Tempel Bali`s, der Pura Ulan Danu zerstört. Nur ein einziger Schrein, der der Göttin des Sees, Devi Danu, konnte gerettet werden. Das Dorf Batur und der Tempel wurden später auf dem Kraterrand, in der Nähe des Dorfes Kintamani wieder aufgebaut...
Wir umrunden den Hauptkrater und besichtigen das auf der Rückseite des Vulkankegels liegende Kraterfeld von 1994/95. Überall dampft die Erde. Eine Temperaturmessung zeigt, daß der Boden in nur 5 cm Tiefe ungefähr 85 Grad Celsius warm ist. Grund genug für uns, dem Batur großen Respekt entgegenzubringen.
Wir reisen weiter zur Nordküste. Nehmen ein Hotel westlich des Lovina Beach, wollen baden und schnorcheln, wie in alten Zeiten. Doch der erste Blick unter Wasser ist enttäuschend. Die einst prachtvollen Riffe, die noch 1995 in voller Blüte standen, sind Korallenfriedhöfe. Wir sind entsetzt.
Ein australischer Tauchlehrer klärt uns auf: "Wir hatten voriges Jahr durch El Nino vier Monate lang 35 Grad Wassertemperatur", sagt er. "Das hält auf Dauer keine Koralle aus".
Wir kehren Bali den Rücken und fahren auf einer klapprigen Fähre über die schmale Meerenge nach Java.
Ostjava: Ijen Caldera und Raung
Java liegt nur einen Steinwurf weit von Bali entfernt. Vor 10.000 Jahren bestand zwischen beiden Inseln sogar noch eine Landverbindung. Trotzdem ist Java, nicht zuletzt wegen der hier vorherrschenden islamischen Religion, vollkommen anders als Bali.Java und Bali zählen zu den fruchtbarsten, produktivsten und zugleich am dichtesten besiedelten Inseln der Welt. Bali hat etwa eine Million Einwohner, zu der sich jährlich noch etwa eine Million Touristen gesellen. Auf Java hingegen, das nur etwa so groß ist wie die fünf neuen Bundesländer Deutschlands, leben mit 115 Millionen Menschen ca. 60 % der indonesischen Gesamtbevölkerung. Obwohl die Böden auf Bali und Java sehr fruchtbar sind und zwei bis drei Reisernten pro Jahr ermöglichen, reicht dies nicht aus. Indonesien muß noch immer Reis einführen!
Zwar reisen verhältnismäßig viele Touristen nach Java, Massentourismus gibt es auf der Insel aber nicht. Besonders das von überwiegend konservativen Bevölkerungsschichten besiedelte Ostjava, wird - abgesehen vom Bromo-Tengger-Massiv - nach wie vor nur selten von Touristen aus Übersee besucht.
Während Bali überwiegend von Hindus besiedelt ist, deren Vorfahren im 15. und frühen 16. Jahrhundert vor dem wachsenden Einfluss des Islam aus Java hierher flohen, ist die Bevölkerung Java`s überwiegend moslemischen Glaubens. Sie besteht aber aus sehr unterschiedlichen Volksgruppen: Sundanesen, Javanern, Maduresen, Tengger und Badui.
Java ist das politische und ökonomische Herz Indonesiens. Von der Hauptstadt Jakarta aus, die mit einer Einwohnerzahl von ca. 10 Millionen Menschen die bevölkerungsreichste Stadt Indonesiens ist, wird der Archipel der 17.000 Inseln verwaltet und regiert. Auch die fünf bevölkerungsreichsten Städte Indonesiens -Jakarta, Bandung, Yogyakarta, Surakarta (Solo) und Surabaya - liegen auf Java. Vier davon in bedrohlicher Nähe aktiven Vulkanen.
Zwei unregelmäßig geformte Vulkanketten, zwischen denen ein seismisch hochaktiver Graben eingeschaltet ist, durchziehen ganz Java und verleihen den zwischen den Kontinentalplatten wirkenden Kräften Ausdruck. Die Vulkane Ostjavas bilden weit ausgedehnte Einzelmassive, die sich in relativ regelmäßigen Abständen von 50 bis 70 Kilometern aus der Ebene erheben. Insgesamt sind auf Java 21 Vulkane durch Eruptionen in historischer Zeit in Erscheinung getreten. Die bekanntesten Vulkane der Insel sind der Merapi (2.911 m) in Zentraljava und die Tengger Caldera mit dem Mount Bromo (2.329 m) in Ostjava.
Bali und Java sind Bestandteile des indonesischen Bogensystems (Sundabogen) und vom geologischen Standpunkt aus gesehen sehr jung. Ihre Entwicklung begann erst vor ca. 3 Millionen Jahren. Die zwischen ihnen bestehende Landbrücke verschwand infolge des teilweisen Abschmelzens der Polkappen und dem damit verbundenen Ansteigen des Meeresspiegels am Ende der letzten Eiszeit.
In Ostjava befinden sich einige der gefährlichsten und zerstörerischsten Vulkane Indonesiens. Einige davon wollen wir besuchen. Unser erstes Ziel ist die Ijen Caldera mit dem berühmten Krater Kawah Ijen, in dem direkt neben einem säuerhaltigen Kratersee eines der bedeutendsten Schwefelvorkommen der Welt abgebaut wird.
Ijen
Mit einem Durchmesser von etwa 20 Kilometern zählt die Ijen Caldera zu den flächenmäßig größten Vulkanen Indonesiens. Die in historischer bzw. prähistorischer Zeit tätig gewesenen Eruptionspunkte des Ijen sind die Vulkane Raung im Westen (3.332 m), Ijen (2.386 m) und Merapi im Osten (2.800 m). Der Spiegel des Kratersees liegt auf einer Höhe von 2.120 m.In der Caldera leben etwa 7.500 Menschen, in der Mehrzahl Bauern, die vor allem Kaffee und Gemüse anbauen bzw. als Schwefelarbeiter in dem tätigen Krater Kawah Ijen einer nicht ganz ungefährlichen Tätigkeit nachgehen.
Der Ijen-Komplex, besteht aus zwei geomorphologischen Haupteinheiten - dem älteren Kendeng-Vulkan und der Ijen Caldera, die jüngeren Alters ist. Der einzige historisch aktive Vulkan innerhalb der Caldera ist der G.Ijen (2.386 m). Im Westen wird sie durch den aktiven, schwer zugänglichen Stratovulkan Raung (3.332 m), der nur sehr selten von ausländischen Touristen bestiegen wird, begrenzt.
Aufgrund seiner Abgeschiedenheit reizt uns der Raung zwar sehr, zunächst wollen wir aber den Kawah Ijen besichtigen.
Wir fahren nach Bondowoso, eine Kleinstadt mit etwa 100.000 Einwohnern, die 45 Km westlich des Vulkans liegt. Im Hotel stößt unser Freund Tilo zu uns, der zum ersten Mal durch Indonesien reist. Außerdem lernen wir Sam kennen, einen netten Javaner, der in den kommenden Tagen unser Guide und Fahrer sein wird. Nach einigen Erkundungstouren, die uns u.a. in das am Fuß des Raung liegende "Land der 1000 Hügel" führen, starten wir zum Ijen.
Von Bodowoso bis nach Sempol, dem größten Ort in der Ijen Caldera dauert die Fahrt im Minibus gerade einmal 2 Stunden. Von Sempol nach Pal Tuding, einer am Fuße des Gunung Ijen liegenden Ansammlung von Häusern und Touristenherbergen, führt eine 18 km lange, inzwischen asphaltierte Straße. Mit dem Minibus kein Problem.
In Pal Tuding stellt sich das Problem der Übernachtung. Da Sam nach Bondowoso zurück muß, fragen wir in einer der Hütten nach einem Nachtlager. Was uns abschreckt ist allerdings weniger der überhöhte Preis, sondern eher der Zustand der Baracken. Wir entscheiden uns deshalb dafür, gleich in Richtung Krater weiter zu laufen und im Camp der Schwefelarbeiter nach einem Quartier zu fragen. Keine verkehrte Entscheidung, wie wir wenig später erfreut feststellen. Die Arbeiter sind ausgesprochen freundlich und bewirten uns mit Tee. Später werden wir mit einer Kerosinlaterne versehen in einer Art Bunker einquartiert, der etwas weiter oben am Hang steht und wohl des öfteren als Touristenherberge dient. Wir sind dankbar und schenken den Schwefelarbeitern unsere, als "Kraterfrühstück" gedachte Melone. Auch ein paar Rupienscheine wechseln den Besitzer. Für nicht einmal fünf Mark sitzen wir warm und trocken und freuen uns auf die bevorstehende Vulkantour.
Der berühmte Krater Kawah Ijen ist der Gipfelkrater des Ijen-Vulkans. Der Kraterboden wird von einem stark säurehaltigen Kratersee eingenommen. Der See ist meist von grünblauer bis türkiser Färbung, diese kann jedoch wechseln. Farbwechsel nach grau, weiß, braun oder gelb scheinen mit der eruptiven Tätigkeit des Vulkans in Beziehung zu stehen.
Im Westen hat der See einen Abfluß, der mit einer Schleuse reguliert wird. Der Banyupahit-Fluß ("Bitteres Wasser") entwässert den See. Wenig über dem Seespiegel entströmen der Südostwand des Kraters starke Fumarolen, durch deren Tätigkeit sich zwei Schwefelbänke mit einer Mächtigkeit von fünf bis acht Metern gebildet haben. Seit seiner Entdeckung im 18. Jahrhundert unterliegt dieses Schwefelvorkommen einer intensiven Ausbeutung. Die Durchschnittstemperatur der Solfataren liegt nach unserer Messung zwischen 190 °C und 210 °C.
Arbeiter brechen mit primitiven Werkzeugen große Schwefelbrocken aus der Wand und befördern es in Bambuskörben zu Tal. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Schwefelarbeiter beträgt etwa 40 bis 50 Jahre. Viele sterben allerdings schon vorher - durch Eruptionen, Unfälle oder Lungenschäden. Für ein Kilo Schwefel bekommen die Arbeiter von der Kooperative umgerechnet etwa 5 Cent, für eine ganze Ladung etwa drei Euro. Damit verdienen sie im Vergleich zu einem javanischen Reisbauern oder einem Fabrikarbeiter sehr gut und erzielen etwa das dreifache Einkommen. Die Jobs bei der Schwefelkooperative sind dementsprechend - trotz des hohen Berufsrisikos - sehr begehrt. Andere Jobs gibt es hier im Osten Javas auch kaum und eine moderne Arbeitsvermittlung sucht man vergebens. Viele Schwefelträger arbeiten nicht ausschließlich in der Schwefelmine, sondern teilweise auch in der Schwefelfabrik. Am Kawah Ijen arbeiten insgesamt 220 Schwefelträger. Allerdings halten sich die wenigsten an die Vorschriften und gehen nur zweimal täglich in den Krater. Oft sind es vier oder fünf Schwefelladungen mit einem Gewicht zwischen 70 und 120 Kilogramm (!), die sie mit enormer Muskelkraft und einem eisernen Willen nach oben befördern. Touristen, die den Trägern Zigaretten spendieren oder Schwefelstufen als Souvenirs kaufen sind hier gern gesehene Gäste. Man kann solange bleiben, wie man will und den Trägern bei ihrer gefährlichen Arbeit zusehen.
Der etwa 250 m tiefe Kratersee hat ein Volumen von ca. 36 Mio m³ und eine Oberfläche von 41 ha. Er bildet die größte Ansammlung stark sauren Wassers in der Welt. Der See enthält Alaun, Eisensulfat und ziemlich viel freie Salz- und Schwefelsäure. Sein pH-Wert liegt zwischen 0,36 und 0,48. Die Temperatur beträgt an der Oberfläche im Schnitt 20 - 40° C. In Phasen erhöhter seismischer Aktivität kann sie aber auch bis auf über 50°C ansteigen. Die Säure des Sees hat sich vermutlich infolge einer chemischen Reaktion vulkanischer Chlor- und Schwefelgase mit dem Seewasser (Cl + H = HCl) gebildet. Am Grund des Sees soll sich ferner eine Quelle befinden, aus der konzentrierte Salzsäure austritt.
Der Banyupahit-Fluß ("Bitteres Wasser"), der den See entwässert, weist drei Kilometer südwestlich des Sees lediglich einen pH-Wert von 0,5 auf (!). Nur wenige Kraterseen auf der Welt besitzen einen so hohen Säuregehalt. Mit dem Kawah Ijen können in Bezug auf die Aggressivität ihrer Kraterseen nach meiner Kenntnis nur die Vulkane Poàs in Costa Rica und Maly Semjatschik auf Kamtschatka konkurrieren.
Die historischen Ausbrüche des Kawah Ijen erfolgten alle aus dem Kratersee und waren meist von der Bildung mächtiger Schlammströme (Lahars) begleitet. Seit 1796 ist der Ijen sechs Mal ausgebrochen, zuletzt 1993. Der in historischer Zeit folgenschwerste Ausbruch ereignete sich vom 16. Januar bis zum 18. Februar 1817. Durch den Auswurf des Kratersees bildeten sich zwei Lahars, die eine nicht überlieferte Anzahl Menschenleben forderten.
Da aus dem See auch heute von Zeit zu Zeit hochgiftige Gasblasen aus Kohlendioxid und Schwefeldioxid aufsteigen, kommt es im Kawah Ijen immer wieder zu Unfällen. Erst 1989 erstickten hier einige Arbeiter.
Im 20.Jahrhundert war der See Schauplatz einiger phreatischer Eruptionen, bei denen größere Austritte von Schwefeldioxid registriert wurden. Bei einer Eruption am 22. April 1952 stieg eine 1.000 m hohe Eruptionssäule über dem See auf. Kochender Schlamm und Schwefel wurden bis zu 700 m hoch geschleudert.
Raung
Einige Tage später sind wir unterwegs zum Raung. Über diesen Vulkan hatten wir im Vorfeld unserer Reise fast keine Informationen. Zwar gab es einige Berichte aus den 30-er Jahren, über die damalige Tätigkeit und die Morphologie des Gipfelkraters. Ansonsten lag wenig Brauchbares vor. Wir verbrachten deshalb noch vor der Exkursion zum Ijen einige Tage damit, das an der Westflanke des Vulkans liegende "Land der 1000 Hügel" zu erkunden und einen Aufstieg zum Gipfel des 3.332 m hohen Raung ausfindig zu machen.Der Raung bildet die westliche Begrenzung der Ijen Caldera. Mit einer Grundfläche von etwa 900 km², einem Gesamtvolumen von rund 450 km³ und einem Basisdurchmesser von 40 km zählt er zu den größten aktiven Vulkanen Indonesiens. Er gilt als schwer zugänglich und in der Tat besteht nur ein einziger begehbarer Trail zum Gipfelkrater. Im Auf- und Abstieg sind dabei jeweils 2.380 Höhenmeter sowie insgesamt rund 45 km Marschstrecke zu überwinden.
Der Raung ist neben dem Kawah Ijen einer der in historischer Zeit tätigen Eruptionspunkte des Ijen-Gebirges. Er besitzt eine nahezu kreisrunde Gipfelcaldera aus der die zahlreichen historischen Eruptionen erfolgten. Der Raung gehört zu einer ONO-WSW gerichteten Kette junger Vulkane, die das Ijen-Plateau im Süden begrenzen. Diese Vulkankette sitzt einem ONO-WSW gerichteten Spaltenystem auf, durch welches das Magma zur Oberfläche aufsteigen kann. Eine besonders tiefe Spalte befindet sich an der W-Flanke des Vulkans. Sie setzt kurz unterhalb des Gunung Gadung (2.590 m) an und durchzieht nahezu die gesamt W-Flanke. Ein prähistorischer Kollaps dieses Sektors erzeugte einen Bergsturz, dessen Trümmer sich über eine Distanz von mehr als 60 km verfolgen lassen und das "Land der 1000 Hügel" bilden.
Vom Raung sind seit dem Jahre 1586 insgesamt 69 Ausbrüche bekannt geworden.
Wir fahren, von Sam und seinem Bruder begleitet, in das Dorf Sumberwringin, das an der NW-Flanke des Vulkans liegt. Dort melden wir uns beim Dorfältesten (Kepala Kampung) und tragen uns in das Besteigungsbuch ein. Im Hause des Kepala Kampung treffen wir eine Bergsteigergruppe aus Jakarta. Auch sie wollen zum Raung. Allerdings erst morgen. Unseren Plan, den Berg während der Nachtstunden und nur mit einer Minimalausrüstung versehen zu besteigen, halten sie für einen guten Witz. Ihre Rucksäcke wiegen an die 30 Kilo. "Was habt Ihr dabei?" frage ich. "Wasser. Vor allem Wasser", antworten die Männer aus Jakarta.
Sie laden uns zum Essen ein. Es gibt Reis, Gemüse, getrockneten Fisch. Wir bedanken uns dafür mit einigen Power-Riegeln aus der eisernen Reserve.
Der Dorfälteste hilft uns, einen Führer und ein Fahrzeug zu finden, das uns von Sumberwringin nach Pondok Motor, dem Endpunkt der zum Vulkan führenden Piste, bringen soll. So sparen wir acht Kilometer Fußmarsch durch die Nacht und wertvolle Kräfte. Unser Führer Hakim, ein Junge aus dem Dorf, mahnt zur Eile. Es ist schon nach 20.00 Uhr. Wir müssen los.
Der hinten offene Pritschenwagen rumpelt über die Piste. Mein Hintern schmerzt. Alle Knochen werden gründlich durchgeschüttelt. Nach einer Dreiviertelstunde hält das Gefährt. "Wo sind wir?" frage ich. "Pondok Motor" antwortet der Fahrer.
"Where is the trail?" frage ich. Der Fahrer deutet wortlos ins Dunkle.
"Let`s go", sagt Hakim. Wir schnappen uns unsere Rucksäcke und traben los. Die Indonesier legen ein unheimliches Tempo vor. Wollen die auf den Berg rennen? Nach einer halben Stunde schlägt der Rimbu, der Busch, hinter uns zusammen. Wir laufen wie in Trance. Doch dann holt mich Tilo in die Wirklichkeit zurück - er telefoniert über das Handy mit seiner Mama in Deutschland. Bergsteigen im 21. Jahrhundert ...
Pause. Wir treffen auf zwei Zelte mitten im Nirgendwo. Indonesier, die heute morgen vom Gipfel abgestiegen sind. Sam unterhält sich mit den Bergsteigern auf javanisch. Ich verstehe kein Wort. Dann wünschen sie uns einen guten Weg. Es geht weiter. Der Wald ist stockdunkel. Nur unsere Taschenlampen erhellen den Weg. Das Gelände ist überraschend einfach. Wir kommen gut voran. An einem großen Baum rasten wir. Vier Marschstunden liegen schon hinter uns. Sam`s Bruder läßt sich ins Gras fallen und ist nach wenigen Minuten eingeschlafen. Die Uhr zeigt 01.00 Uhr morgens. Inzwischen ist der Mond aufgegangen und leuchtet als silberne Sichel durch die Bäume. Wir wecken Sam`s Bruder. Doch nach einer halben Stunde wollen die Indonesier schon wieder rasten. Von ihrem ursprünglichen Tempo ist nichts mehr zu spüren. Jetzt hat auch Sam Probleme. Nur Hakim scheint gut in Form zu sein. Und wir? Wir gähnen gelegentlich, sind aber ansonsten guter Dinge. Nur die Kälte kriecht durch die Sachen. Es ist feucht. Wir drängen zum Aufbruch.
Bis zur Baumgrenze, die wir gegen halb fünf erreichen, werden die Pausen immer kürzer. Schließlich lassen wir unsere Begleiter hinter uns und steigen im Mondlicht allein weiter zum Kraterrand auf. Die hellen Tuffe der vegetationslosen Zone des Gipfelkegels reflektieren das Mondlicht so stark, daß wir keine Taschenlampen mehr brauchen. Gegen halb sechs erreichen wir den Kraterrand. Erschöpft. Glücklich. Es ist kalt. Wir frieren. Zitternd "genießen" wir den Sonnenaufgang über der Ijen Caldera. Weit im Osten erhebt sich der Merapi. Im Westen sehen wir den rauchenden Kegel des Semeru. Unter uns ein Wolkenmeer.
Der Krater des Raung liegt noch weitgehend im Dunkel, doch bald taucht die höher steigende Sonne in ihn ein und schält die Umrisse des Eruptionskegels aus dem Schatten. Wahnsinn! Der Krater ist mindestens einen Kilometer breit. Wir schätzen seine Tiefe auf 200 Meter. Die Wände bestehen, wie es bei Schichtvulkanen üblich ist, aus Wechsellagen von Asche und Lava. Sorgen bereitet uns weniger der dampfende Eruptionskegel, sondern eher der ziemlich bröckelige, teilweise überhängende Kraterrand. Hier sollte man besser nicht in die Tiefe sausen!
Gegen sieben treffen schließlich auch unsere Freunde am Kraterrand ein. Sie sind todmüde und setzen sich sogleich hin, um ein Nickerchen zu machen. Die Sonne steigt langsam höher. Es wird wärmer. Auch das Fotolicht wird besser. Für die Naturschönheiten haben unsere Begleiter allerdings keinen Blick. Sie schlafen. Wir fotografieren. Gegen Neun machen wir uns gemeinsam auf den Rückweg und erreichen am späten Nachmittag Sumberwringin.
Bromo und Semeru
Die Vulkane Bromo und Semeru zählen neben dem Merapi zu den bekannstesten Feuerbergen Javas. Der 3.676 m hohe Semeru ist nicht nur der höchste, sondern auch der heiligste Berg aller Javas. Viele Hindus aus Bali und Ostjava, aber auch Moslems besteigen ihn deshalb im Rahmen von Pilgerfahrten. Der Bromo-Tengger Komplex wird von drei quartären Calderen gebildet, die sich teilweise überlappen. Geologisch gesehen sind diese Calderen relativ jung. Die älteste ist lediglich ca. 150.000 Jahre alt. Die jüngste von ihnen ist ungefähr acht Kilometer breit und enthält das berühmte Sandmeer. Auf den Flanken des Massivs finden sich Lavadome, Schlackenkegel sowie die Maare Ranu Pani, Ranu Regulo und Ranu Kumbulo.Der aktive, im "Sandmeer" gelegene Vulkan Gunung Bromo (2.329 m) bildet den herausragenden touristischen Anziehungspunkt des Komplexes. Neben dem Semeru wird auch er von den Tenggeresen, die als einzige Volksgruppe auf Java hinduistischen Glaubens sind, als heiliger Berg verehrt. Jedes Jahr im Februar findet hier das Kasado-Festival statt, bei dem Hühner und Blumen und den Krater geworfen werden.
Der Komplex wird durch den aktiven Krater des G. Bromo und den perfekten Kegel des G. Batok dominiert. Weitere (erloschene) Eruptionszentren sind die Krater Segarawedi Kidul, Segarawedi Lor I und II, G. Kursi und G. Batok. Der älteste und zugleich größte Krater ist mit einem Durchmesser von 1,5 km der Segarawedi Kidul.
Seit seiner ersten in historischer Zeit registrierten Eruption im Jahre 1804 ist der Bromo nahezu ununterbrochen, jedoch meist mit nur milder Intensität tätig.
Die Aktivität wechselt zwischen dem kontinuierlichen Ausstoß von Wasserdampf und vulkanischen Gasen, die oftmals durch hohe H²S-Konzentrationen gekennzeichnet sind und dem Auswurf von Aschen, Bomben und glühenden Schlacken. Gelegentlich wirft der Vulkan auch Aschewolken aus, die in Höhen von bis zu 500 m über dem Kraterrand aufsteigen. Von 1838 bis 1841 und von März bis Juni 1842 wurde im Krater des Bromo ein Kratersee bzw. ein Lavasee beobachtet. Die Umrundung des Kraters dauert auf dem teilweise recht schmalen Grat (Vorsicht!) eine gute Stunde. Kinder ans Seil nehmen!
Am Fuße des Bromo befindet sich ein großer Hindu-Tempel, der von Gläubigen aus Bali errichtet wurde. Interessant sind die vielen Hakenkreuze, die im Hinduismus ein Symbol der aufgehenden Sonne darstellen.
Noch interessanter als eine Exkursion zum Bromo ist eine Besteigung des Semeru. Der Semeru ist nicht nur der höchste Vulkan auf Java, sondern zugleich einer der aktivsten Feuerberge des gesamten indonesischen Archipels und er ist gefährlich.
Immer wieder gehen Meldungen über Todesopfer durch die Presse. Im Sommer 2000 erst sind hier zwei Vulkanologen verunglückt. Zwei andere wurden schwer verletzt. Dennoch zählt er zu den interessantesten Vulkanen Indonesiens.
Basis für eine Besteigung des Semeru ist Ranu Pani, ein Tengger Dorf, auf 2.100 m Meereshöhe. Dort angekommen, beziehen wir Quartier im Homestay von Pak Tasrip, der einzigen offiziellen Herberge des Ortes.
Zum Glück sind Zimmer frei, was durchaus nicht immer der Fall ist. Denn am Semeru treffen sich Bergsteiger aus aller Welt. Doch heute sind wir die einzigen. Zwei Engländer, die gerade abgestiegen sind berichten, daß es gewaltig anstrengend sei, den Aschekegel zu besteigen. Eine französische Gruppe bestätigt dies. Auch das Gästebuch weist ähnliche Eintragungen auf. Wir wissen also, was uns erwartet.
Am nächsten Morgen brechen wir auf. Fast Stunden lang geht es auf Pfaden durch den Busch. Die Vegetation ist teilweise so dicht, daß sich regelrechte Tunnels gebildet haben, in denen man sich nur kriechend vorwärts bewegen kann. Außerdem behindern etliche umgestürzte Bäume das Vorwärtskommen.
Trotzdem ist die Wanderung ein Erlebnis. Vor allem bewundern wir die riesigen Baumfarne aus der Gattung Cyathea, von denen es hier beachtliche Bestände gibt.
Am Ranu Kumbulo, einem Maar, machen wir Rast. Nebel zieht auf. Wir marschieren weiter. Nach weiteren drei Stunden lichtet sich der Wald. Unvermittelt erhebt sich vor uns der riesige Aschenkegel des Semeru, der uns mit einer Eruption begrüßt und eine gewaltige Rauchwolke in dem Himmel schickt. Wir sind beeindruckt. Mit diesem Berg wollen wir es aufnehmen?
Um am anderen Morgen Zeit zu sparen, steigen wir schon jetzt zum oberen Basecamp auf, das in einem Wäldchen am Hang des Aschekegels liegt. Der einstündige Aufstieg gerät wider Erwarten zur schweißtreibenden Aktion. Als wir oben ankommen, sind wir fix und fertig.
Aber wir haben es geschafft, in einem Tag von Ranu Pani bis ins Base Camp zu wandern und freuen uns. Die Freude währt allerdings nicht lange. Beim Versuch, das in Ranu Pani geliehene Zelt aufzubauen, vergeht uns das Lachen. Die Zeltstangen sind mit Draht geflickt und wackeln, was das Zeug hält. Das Zelt ist innen feucht und modrig und um die einzige Isomatte könne wir würfeln.
Auch mit einem heißen Tee, auf den wir uns alle gefreut hatten, wird es leider nichts. Unser Führer hat ihn im Dorf vergessen. Fazit des Abends: zu trinken gibt es Wasser, zu essen kalten Reis, zum schlafen ein kaputtes Zelt und die Einsicht, daß man ohne vorherigen Ausrüstungscheck besser nicht aufbrechen sollte. Am besten ist halt immer noch, man bringt seine eigenen Sachen mit. Unser Trost: wir dürfen schon gegen 2.00 Uhr aufstehen (das heißt, das Zittern wird bald vorbei sein) und der Griff in die eiserne Reserve rettet das Abendessen. Wenigstens gibt es in dem Wäldchen genug dürre Äste, so daß wir wenigstens ein Feuer machen können.
2.00 Uhr. Der Wecker piept. Anziehen und dann nichts wie los. Vier Stunden durch die Asche wühlen. Zwei Schritte vor, einen zurück. Nach fünf Stunden sind wir immer noch nicht oben. Hier besteht offenbar alles aus losen Aschen. Sobald man auf einen der größeren Brocken tritt, kommt der halbe Hang in Bewegung. Ist das eine Plackerei! Wird es uns etwa auch wie den Schreibern im Gästebuch von Pak Tasrip ergehen? Müssen wir aufgeben? Es wird hell. Wie weit ist es noch?
Wir können den Gipfel schon sehen. Da - eine Eruption! Es sind höchstens noch 15 Minuten. Weiter! Grit steht quer zum Hang. Plötzlich schreit sie vor Schmerz auf. "Mein Knie!". Noch ehe ich mich umdrehen kann, ist es schon passiert. Alles geht rasend schnell. Grit rutscht den steilen Hang, der hier gut 35 Grad Neigung hat, hinunter. Kurz vor einer Rinne bremst ein großer Stein ihre Talfahrt. Mir schlottern die Beine.
Grit kann nicht aufstehen. Die Kniescheibe ist herausgesprungen. Verdammt, wo bekommen wir jetzt einen Hubschrauber her? Wir versuchen, das verletzte Bein vorsichtig zu bewegen. Irgendwie schaffen wir es, die Kniescheibe wieder einzurenken. Grit humpelt, auf mich gestützt, die Rinne hoch. Da springt die Kniescheibe zum zweiten Mal heraus...
Irgendwie gelingt es uns, zu einem Felsbrocken aufzusteigen, wo die anderen auf uns warten. Tilo geht weiter zum Gipfel, um wenigstens ein paar Fotos zu machen. Da er keine Kamera hat, nimmt er meine. Nach 20 Minuten kommt er zurück. "Deine Kamera löst nicht aus". "Wie bitte?" frage ich und kann es nicht glauben. Ich drücke den Auslöser, die Kamera funktioniert tadellos. Wütend nehme ich den Apparat und renne zum Gipfel. Es sind nicht einmal zehn Minuten bis ganz nach oben. Eine indonesische Gruppe, die uns überholt hat, ist schon am Gipfel.
Wir gratulieren uns gegenseitig dazu, es geschafft zu haben. Schnell ein paar Aufnahmen und dann nichts wie runter!
Grit hat sich etwas erholt. Doch das Knie sieht schlimm aus, ist stark angeschwollen. Wir stützen es mit einem Sarong (ein indonesisches Tempeltuch). Grit ist unglaublich tapfer und humpelt den Aschekegel hinunter. Zwei Stunden später sind wir im Basecamp. Bis Ranu Pani sind es noch 16 Kilometer. Hinzukommt die nicht unbeträchtliche Höhendifferenz. Doch wir schaffen es. Zwar müssen wir die letzten drei Wegstunden im Dunklen zurücklegen, doch gegen 21.00 Uhr sind wir in Ranu Pani. Erleichtert, glücklich.
Der Semeru hat uns die Chance gegeben, es beim nächsten Mal besser zu machen.
Über den Autor:
Für Jens Edelmann (36) aus Dresden sind die Vulkane längst mehr als ein Hobby. Deshalb vergeht kaum ein Tag, an dem er sich nicht mit ihnen und ihrer Aktivität beschäftigt. Sein besonderes Interesse gilt dabei den Feuerbergen Südostasiens. Er unternahm bereits zahlreiche Indonesien Reisen und besuchte die Philippinen. Weitere Aufenthalte an den Vulkanen dieses Teils des "Ring of Fire" sind geplant, Grund genug also, auf weitere Reportagen von unserem Co-Autor gespannt zu sein.