Zahl besonders starker Vulkanausbrüche unterschätzt
Besonders starke Vulkanausbrüche mit einem VEI 7 oder 8 können das Weltklima stark beeinflussen und sogar einen globalen Winter verursachen. Die Häufigkeit solcher Ereignisse wurde bislang unterschätzt. Wissenschaftler sehen die Welt schlecht auf so eine Katastrophe vorbereitet. Dabei könnte eine besonders starke Eruption die Welt härter treffen und dramatischere wirtschaftliche Folgen haben, als die Corona-Pandemie. Zu diesem Schluss kommt eine Studie von Wissenschaftlern des Centre for the Study of Existential Risk (CSER) an der Universität Cambridge und von der Uni Birmingham, die jüngst in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde.
Die Studie fußt auf die Untersuchung von Eisbohrkernen aus den Regionen der beiden Pole. Das Eis wurde auf Spuren des vulkanischen Gases Schwefeldioxid untersucht. Große Konzentrationen des Gases weisen auf starke Eruptionen hin. Gelangen Schwefeldioxid-Aerosole in die obere Atmosphäre, dann können sie eine Abkühlung der Erde verursachen. Den gleichen Effekt hat Vulkanasche, die infolge großer Eruptionen bis in die Stratosphäre aufsteigt und um die Erde verteilen kann. Es kommt zu einem vulkanischen Winter, der im Extremfall eine Kaltzeit auslösen könnte.
Wahrscheinlichkeit einer VEI 7 Eruption bei 1:625
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich innerhalb von 100 Jahren eine starke Eruptionen mit einem VEI 7 oder größer ereignet, liegt bei einem Sechstel. Statistisch gesehen treten solche Ausbrüche alle 625 Jahre auf. Eruptionen mit einem VEI 8 sollen sich alle 14.300 Jahre ereignen. Bislang ging man davon aus, dass sich VEI 7 Ausbrüche in Zeitabständen von mehr als 1000 Jahren wiederholen. VEI 8-Eruptionen sollten sich in Zeitabständen von mehr als 10.000 Jahren ereignen. Genauere Forschungen ermittelten früher Wiederholungsintervalle von 1.200 Jahren für VEI 7 Eruptionen und 17.000 Jahren für Eruptionen mit einem VEI 8. Die neuen Forschungen zeigen also, dass VEI 7 Eruptionen fast doppelt so häufig vorkommen, als man bislang dachte.
Die Forscher untersuchten auch die klimatischen Auswirkungen von Serien kleinerer Eruptionen und kamen zu dem Schluss, dass auch sie das Weltklima beeinflussen können. Andere Studien untersuchten in letzter Zeit den Einfluss der weltweiten Gletscherschmelze und des Meeresspiegelanstiegs auf Häufigkeit und Stärke von Vulkanausbrüchen und kamen zum Ergebnis, dass beide Phänomene Eruptionen verstärken können. Zugleich müssen künftige Studien zum Klimawandel die Effekte von Eruptionen besser berücksichtigen.
Die Forscher kritisieren, dass Hunderte Millionen Dollar in die Erforschung der Asteroiden-Abwehr investiert werden, aber praktisch keine Anstrengungen unternommen werden, um die Folgen großer Vulkaneruptionen abzumildern. Dabei ist das Risiko einer klimaverändernden Eruption 100 Mal größer als ein Asteroideneinschlag mit ähnlichen Folgen. Eine VEI 8 Eruptionen würde sich auf unsere Zivilisation dramatisch auswirken und könnte deren Ende einläuten. Auf jeden Fall käme es zu einem Wirtschaftskollaps. Die Studie blieb allerdings die Antwort schuldig, wie denn eine bessere Vorbereitung auf einen Vulkanausbruch globalen Ausmaßes aussehen soll?
Der letzte Vulkanausbruch mit einem VEI 7 ereignete sich im Jahr 1815 am indonesischen Vulkan Tambora. Bislang unklar ist der genaue VEI der Eruption des Hunga Tonga-Hunga Haʻapai, die im Dezember 2021 begann und ihren Höhepunkt im Januar 2022 erreichte. Dieser Ausbruch wird als die stärkste Eruption seit Krakatau im Jahr 1883 angesehen. Da es sich um eine submarine Eruption handelte sind die Folgen nicht 1:1 vergleichbar. Krakatau brachte es auf einen VEI 6. Statistisch gesehen hätten wir also noch etwas Zeit, bis zur nächsten VEI 7-Katastrophe, aber Naturphänomene halten sich selten an Statistiken.