Island: großflächige Bodenhebung am 20.11.23

Interferogramm bestätigt schnelle Bodenhebung unter Svartsengi – Nachlassen der Bebentätigkeit beobachtet

Heute wurden im Tagesverlauf deutlich weniger Erdbeben entlang des magmatischen Gangs registriert als es in den letzten Tagen der Fall war. IMO meldet nur ca. 700 Beben anstatt der gut 1500 Erschütterungen der letzten Tage. Auf den Diagrammen zur Bebenhäufigkeit ist das Ausdünnen der Bebenpunkte sehr anschaulich. Nachdem es zum ersten Mal zu einem deutlichen Rückgang der Seismizität gekommen war, das war am Samstag, hatte es noch geheißen, dass der erwartete Vulkanausbruch unmittelbar bevorsteht. Inzwischen ist man mit den Prognosen deutlich vorsichtiger geworden, dennoch hält man einen Ausbruch immer noch für sehr wahrscheinlich. Nur auf den Zeitrahmen mag man sich nicht mehr festlegen, obwohl das Nachlassen der Bebentätigkeit seit heute Nachmittag signifikant und auffällig ist. Nicht ausgeschlossen ist, dass der starke Wind aktuell die Registrierung der schwachen Erdbeben behindert, so dass es in Wirklichkeit mehr Beben gibt als dargestellt werden.

Tatsächlich ist die Bebentätigkeit entlang des Dykes am intensivsten, obwohl sich der Boden westlich des Mittelteils des Dykes am stärksten hebt. Das ist bei Svartsengi. Am Wochenende betrug die Bodenhebung 30 mm, was in einem neuen Interferogramm schön visualisiert wird. Was ich erstaunlich finde ist die Größe des betroffenen Areals! Hier müssen sich gewaltige Mengen von was auch immer ansammeln.

Da die Hebung praktisch unter Ausschluss von Erdbeben stattfindet, halten die Vulkanologen die kurzfristige Ausbruchswahrscheinlichkeit bei Svartsengi für relativ gering. Man sieht die Quelle der Bodenhebung in 4 bis 5 km Tiefe und keine Anzeichen dafür, dass Magma in flachere Gefilde vordringt. Sofern es sich tatsächlich um Gesteinsschmelze handelt und nicht um magmatische Fluide. Wäre auch echt blöd wenn es das Kraftwerk nebst Blaue Lagune verschlingen würde, insbesondere da man gerade Schutzwälle gegen die Lava errichtet, die aus Richtung des Gangs kommen soll.

Früher im Jahr detektierte man ebenfalls eine starke Bodenhebung im Bereich der Askja, und praktisch jeder Geowissenschaftler hätte darauf gewettet, dass wir dort den nächsten Ausbruch auf Island sehen, bis dann im Juli der dritte Ausbruch am Fagradalsfjall los ging. Inzwischen ist Askja aus dem Fokus des Interesses gerückt, nicht zuletzt, weil die Bodenhebung gegen Ende des Sommers praktisch stoppte, nachdem sich der Boden um 68 cm gehoben hatte. Das zeigt deutlich, wie unberechenbar die Vorgänge im Erdinneren sind, und selbst wenn sie sich nur ein paar Hundert Meter tief unter unseren Füßen abspielen, können wir immer noch nicht genau sagen, was vor sich geht, geschweige denn zuverlässige Prognosen abgeben. So bleibt es rätselhaft an den Vulkanen der Welt, und diese Unbestimmtheit ist ja auch ein Teil der Faszination geschuldet, die der Vulkanismus auf viele Menschen ausübt.

Übrigens wurde eine neue Gefahrenkarte herausgebracht, doch davon morgen früh mehr.

Island: Bodenhebung bei Svartsengi beschleunigt

Erdbebenaktivität stabil – Bodenhebung bei Svartsengi beschleunigte sich

Letzte Nacht manifestierten sich laut IMO 530 Erdbeben entlang des magmatischen Gangs auf Reykjanes. Das waren gut 60 Beben mehr als im vergleichbaren Zeitraum am Sonntag. Da es immer Fluktuationen in der Aktivität gibt, kann man sagen, dass die Erdbebentätigkeit auf hohem Niveau stabil ist. Auch die Bodenverformungen halten an und die Ausbruchswahrscheinlichkeit gilt weiterhin als hoch.

Am wahrscheinlichsten erscheint eine Eruption entlang des magmatischen Gangs zu sein. Aber auch jenseits der Dyke-Intrusion gibt es magmatische Aktivität im Untergrund. Zuletzt beschleunigte sich die Landhebung im Bereich des Geothermalkraftwerks Svartsengi wieder. Vor der Entstehung des Dykes befürchtete man, dass sich hier eine Eruption anbahnen könnte. Magma soll sich in flachen, linsenförmigen Schichten sammeln, die der Fachmann auf Neudeutsch Sills nennt. Diesbezüglich äußerte sich gestern Abend Vulkanologe Þorvald Þórðarson auf MBL, dass sich der Boden in dem Areal nun 5,5 Mal schneller hebt, als es noch von der Dyke-Intrusion der Fall war. Der Magmenzufluss sei etwa um den Faktor 10 größer geworden. Anfang November betrug der Zustrom 5–7 Kubikmeter pro Sekunde, jetzt seien es etwa 50 Kubikmeter. Das Magma bildet einen Sill in etwa 4,5 km Tiefe. Leider wurde in der letzten Zeit nicht kommuniziert, wieviel Schmelze man nun insgesamt im Untergrund des Systems vermutet, aber mir dünkt es, dass wir langsam auf Dimensionen zusteuern, wie man sie vor der Bardarbunga-Eruption in 2014 hatte. Der mehrmonatige Ausbruch brachte ca. 1,2 Kubikkilometer Lava hervor und schuf das größte Lavafeld, das auf Island seit der Laki-Eruption entstanden war.

Inzwischen gibt es wissenschaftliche Diskussionen, dass man den Vulkanismus auf Reykjanes neu bewerten muss. Insbesondere steht zur Diskussion, dass die fünf Spaltensysteme nicht als eigenständige Vulkansysteme betrachtet werden müssen, sondern dass sie untereinander verknüpft sein könnten. Die Verbindung könnte eine gemeinsame Magmenquelle in größerer Tiefe darstellen, die die Systeme mit Schmelze versorgt. Während vorangegangener Eruptionsphasen kam es häufig zu Eruptionen der verschiedenen Systeme. Auch jetzt sind ja bereits zwei unterschiedliche Spaltensysteme involviert, denn die drei Eruptionen beim Fagradalsfjall gehören zu einem anderen System als die aktuellen Geschehnisse bei Svartsengi. Der magmatische Gang verläuft überdies diagonal durch beide Systeme. Da stellt sich die Frage, ob es Sinn macht, von unterschiedlichen Systemen zu sprechen?

für die Menschen vor Ort sind diese wissenschaftlich ambitionierten Gedankengänge von untergeordneter Wichtigkeit. Ob so oder so, die Gefahr einer Eruption bleibt bestehen. Die Grindavikings bangen weiter um ihre Existenzgrundlage. Heute dürfen wieder 120 Stadtbewohner zu ihren Häusern um Wertgegenstände zu bergen.

Blaue Lagune-Svartsengi-Thorbjörn Livecam

Aufgrund der anhaltenden seismischen Aktivität nebst Bodenhebung auf der isländischen Reykjaneshalbinsel richteten mehrere lokale Mediendienstanbieter ihre Webcams auf das betroffene Gebiet um die Blaue Lagune und das Geothermalkraftwerk Svartsengi. Die meisten Kameras stehen auf der vulkanischen Erhebung Thorbjörn, unter der es selbst zu einer signifikanten Bodenhebung kommt. Auf dieser Seite bette ich auch Livedaten zur Seismik und Bodenhebung ein.



Multiview-Blick

Multiview-Splitscreen mehrerer Cams von RUV.

Livestream vom Thorbjörn 1

LiveCam der Eruption. Die Kamera wird von MBL betrieben.

Livestream Sandhóll

Der Sanhóll-Livestream wird von MBL betrieben.

 

Karte des Eruptionsgebiets

Karte der Lage der Eruptionsspalte zwischen Stóra-Skógfell und Sundhnúkar. © IMO

Seismogramm der Messstation Grindavik

Seismogramm der Messstation FAD. © IMO

Die Seismizität auf Reykjanes wird von mehreren seismischen Messstationen erfasst. Von den öffentlich einsehbaren Geräten ist jenes am Fagradalsfjall dem Geschehen am nächsten. Auf dem Seismogramm kann man die Erdbebensignale gut sehen. © IMO

Tremor an der Messstation FAD (Nord-Fagradalsfjall). © IMO

Der Tremor wird mit besonders empfindlich eingestellten Seismometern erfasst, der überwiegend Schwingungen mit niedrigen Frequenzen erfasst. Die hier eingebaute Grafik zeigt den Tremor der Messstation Fagradalsfjall, die im Norden des Vulkans steht. © IMO

Bodendeformation im Bereich Grindavik


Diese GPS-Messstation zeigt detektiert die Bodenhebung bei Svartsengi. © IMO

Das Reykjanes-Svartsengi-Vulkansystem auf Island

Am 25. Oktober 2023 setzte im Südwesten der Reykjanes-Halbinsel ein starkes Schwarmbeben an. Zwei Tage später begann eine Bodenhebung im Bereich des Vulkansystems Svartsengi, die schnell an Fahrt aufnahm. Die Bodenhebung wird von Magma verursacht, dass sich in 4-5 km Tiefe in einer horizontal liegenden Schicht akkumuliert. Betroffen ist ein recht großes Areal um den Vulkan Thorbjörn, der während der letzten Eiszeit unter der Gletscherbedeckung entstand und daher die Form eines Tafelvulkans hat. Obwohl sich Erdbeben und Bodenhebung auf einem Gebiet nordwestlich von Thorbjörn konzentrieren, gibt es auch Erdbeben im Nordosten und im Süden des Areals. Dort reichen sie bis an den Ort Grindavik heran. Im Nordosten liegen die vulkanischen Erhebungen von Sýlingafell und Stora-Skogfell. Dazwischen spannt sich eine kleine Kraterreihe entlang einer früheren Eruptionsspalte auf. Im Nordwesten liegt das Geothermalkraftwerk Svartsengi mit der Blauen Lagune und westlich davon befindet sich die Schlackenkegelreihe Eldvörp, an der es im 13. Jahrhundert Eruptionen gab, die mehrere Lavafelder bildeten.

Die beschriebenen vulkanischen Manifestationen um Svartsengi werden von einigen Autoren als Teil des größeren Reykjanes-Vulkansystems betrachtet. Andere Autoren sehen in ihnen ein eigenständiges Vulkansystem.

Generell betrachtet liegt das Reykjanes-Vulkansystem an der südwestlichen Spitze der Reykjanes-Halbinsel, wo sich der Mittelatlantische Rücken über den Meeresspiegel erhebt. Es besteht aus einem weiten Gebiet postglazialer Basaltkraterreihen und kleiner Schildvulkane. Das submarine Vulkansystem Reykjaneshryggur grenzt an das Reykjanes-Vulkansystem und wird als Teil desselben betrachtet. Es ist das westlichste System einer Reihe von fünf dicht beieinander liegenden, gestaffelten Spaltsystemen, die sich diagonal über die Reykjanes-Halbinsel erstrecken. Östlich des beschriebenen Systems befindet sich das Vulkansystem des Fagradalsfjalls, das zuletzt im Sommer 2023 ausbrach.

Trotz der starken Bodenhebung im November 2023 ist es noch nicht als sicher anzusehen, dass es auch zu einen Vulkanausbruch hier kommen wird. Bereits Ende 2020 kam es zu eine starken Bodenhebung. Drei Monate später startete dann einer Eruption am Fagradalsfjall.

Update: Inzwischen gab es 4 Eruptionen im Svartsengi System. Hier eine Chronik.

Erste Straßensperrung auf Reykjanes

Erdbebentätigkeit rückläufig, trotzdem erste Straßensperrung bei Svartsengi

Seit dem starken Erdbebenschub gestern hat die Schwarmbebentätigkeit etwas nachgelassen, dennoch wurden letzte Nacht mehr als 200 schwache Beben registriert. Die stärksten Erschütterungen hatten Magnituden im Zweierbereich. Neben Erdbeben im bekannten Gebiet von Svartsengi bebte es auch in dem weiter östlich gelegenen Hengil-Spaltensystem. Die Magnitude des starken Erdbebens gestern wurde von M 5,0 auf M 4,8 herabgestuft.

Obwohl das Erdbeben etwas schwächer war als zuerst angegeben, wurde gestern sichtbar, dass es leichte Schäden an einigen Häusern nahe des Epizentrums verursachte: es kam zu Rissbildungen im Mauerwerk einiger Gebäude. Risse bildeten sich auch auf Straßen und in der isländischen Zeitung MBL wurde ein Foto einer kleineren Bodensenkung veröffentlicht.

Der Zivilschutz ordnete die Sperrung einer Straße an, die in Grindavik als Nordlichtroute bekannt ist. Es handelt sich um eine Schotterpiste, die nördlich von Grindavik in Richtung Westen abzweigt, am Thorbjörn vorbeiführt und nördlich des Svartsengikraftwerks wieder in die Hauptstraße mündet. Mitarbeiter des Geothermalkraftwerks dürfen die Straße noch passieren. Als Grund für die Sperrung wird die erhöhte Erdbebenaktivität angegeben, aber es ist klar, dass man hier auch Vulkanspotter fernhalten will, denn der Weg führt am Rand des Gebiets mit der größten Bodenhebung entlang und könnte im Falle einer Eruption ziemlich nahe an eine mögliche Eruptionsstelle führen.

Gesperrt wurde nach dem Desaster gestern auch das Thermalbad Blaue Lagune. Es soll für mindestens eine Woche geschlossen bleiben. Nach dem Erdbeben versuchten gut 40 Gäste des angeschlossenen Hotels zu fliehen, was allerdings nur wenigen gelang, da keine Transportmittel zur Verfügung standen.

Derweilen gibt es immer noch keine neuen GPS-Messungen zur Bodenhebung in dem betroffenen Areal. Gut möglich, dass der starke Erdstoß da einiges durcheinander brachte. Die nächstgelegenen GPS-Stationen im Süden Islands zeigen eine Bodenhebung von mehr als 20 cm. Möglich, dass hier neu geeicht werden muss.

In dem Gebiet der stärksten Bodenhebung installieren IMO-Techniker mobile Messinstrumente, um engmaschiger überwachen zu können und genauere Daten zu erhalten.

Island: Sorge um Geothermalkraftwerk Svartsengi

Die Erdbebentätigkeit auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel hat im Vergleich zur letzten Woche nachgelassen, ist aber immer noch signifikant erhöht. Heute Morgen manifestierte sich ein weiterer Schub des Schwarmbebens, doch keines der Beben hatte eine Magnitude von 3 oder mehr. Die Bodenhebung in dem bekannten Bereich um den Thorbjörn-Vulkan bleibt indes auf hohem Niveau und steigt weiter rasant an. Inzwischen liegt sie bei gut 8 cm. Entsprechend besorgt sich die Verantwortlichen auf Island, dass es tatsächlich in dem Areal zu einem Vulkanausbruch kommen könnte.

Potenzieller Vulkanausbruch auf Reykjanes könnte Geothermalkraftwerk gefährden

Gestern trafen sich Mitarbeiter von IMO, dem Zivilschutz, den Kraftwerksbetreibern und Journalisten zu einer Konferenz. Kristín Jónsdóttir, die Leiterin der Überwachung von Naturkatastrophen beim isländischen Wetteramt, gab bekannt, dass bis gestern ca. sechs Millionen Kubikmeter Lava in den Untergrund intrudierten. Die Schmelze bildet eine horizontal liegende Schicht oder Bank von ca. 1 Meter Mächtigkeit und unterscheidet sich von den Magmenkörpern, die unter dem Fagradalsfjall eingedrungen waren, dadurch, dass diese vertikale Gänge bildeten. Im Gegensatz zu den Gängen unter dem Fagradalsfjall können diese Magmabänke ein größeres Volumen annehmen, bevor es zur Eruption kommt.

Auf der Konferenz wurde nicht nur der Notfallplan für die Grindavik-Evakuierung diskutiert, sondern auch überlegt, welche Maßnahmen man zum Schutz des Geothermalkraftwerks Svartsengi treffen könnte. Offenbar gibt es Überlegungen, zusätzliches Wasser durch die Bohrungen des Kraftwerks zu injizieren, damit sich aufsteigende Schmelze noch im Erdboden abkühlt. Eine andere Idee ist es, im Falle einer Eruption Lavaströme mit Wasser zu kühlen und Wälle zu errichten, um Lavaströme vom Kraftwerk fernzuhalten.

Svartsengi ist zwar nur eins von sieben Geothermalkraftwerken, aber es ist eines der wichtigsten, da es die Hauptstadtregion mit Strom und Wärme versorgt. Ein Ausfall des Kraftwerks wäre fatal und es käme sehr wahrscheinlich zu Stromausfällen. Im Winter wäre auch eine ausbleibende Warmwasserversorgung für die Menschen ungünstig. Das zeigt einmal mehr, wie wichtig redundante bzw. Ersatzsysteme in der kritischen Infrastruktur sind.

Island am 05.11.23: Seismische Aktivität weiterhin hoch

Nach leichtem Rückgang gestern folgt heute eine neue Intensivierung des Schwarmbebens

Datum 05.11.23 | Zeit: 05:45:18 UTC | Lokation: 63.876 ; -22.544  | Tiefe: 3,1 km | Md 4,2

Gestern ließ die Erdbebentätigkeit unter der isländischen Reykjanes-Halbinsel nach, nur um heute Morgen dann erneut mit einem Erdbebenschub durchzustarten. Kurz vor 5 Uhr begann die signifikante Aktivitätssteigerung und Hunderte, wenn nicht sogar mehr als tausend Erschütterungen manifestierten sich seitdem. Die Beben streuten über einen großen Bereich im südwestlichen Island und erfassten auch das Reykjanes-Ridge. Das stärkste Beben hatte eine Magnitude von 4,2 und ein Hypozentrum in 3,1 km Tiefe. Damit lag es flacher als die meisten anderen stärkeren Erdbeben. Möglicherweise strebt das Magma vom Gang aus bereits gen Oberfläche. Der Erdstoß wurde 6,5 km nordwestlich von Grindavík verortet, also in jenem Bereich der Ebene südwestlich von Svartsengi, unter der sich das meiste Magma zu akkumulieren scheint. Die stärkste Bodendeformation wird aktuell an der Messstation SKSH gemessen: Innerhalb weniger Stunden hob sich der Boden um gut 10 mm. Insgesamt beträgt die Bodenhebung hier fast 80 mm. Auch an der weiter westlich gelegenen Messstation ELDC hob sich der Boden besonders stark an.

Generell scheint sich die Magmenintrusion weiter in Richtung Westen zu verlagern. Aber auch die Deflation an den östlich gelegenen Messstationen am Fagradalsfjall stoppte und es deutet sich bereits wieder eine leichte Inflation an. Die starke Bodenhebung lässt befürchten, dass es diesmal im Bereich von Svartsengi und der Blauen Lagune zu einer Eruption kommen könnte. Andererseits gab es in dem Areal bereits öfters Schwarmbeben nebst Bodenhebung, ohne dass es dort zu einer Eruption gekommen wäre. Diese fand dann ausschließlich im Bereich des Fagradalsfjalls statt. Ob, wann, wo die Schmelze letztendlich austreten wird, ist ungewiss und lässt sich (noch) nicht prognostizieren. Generell halte ich eine weitere Eruption auf der Reykjanes-Halbinsel allerdings für wahrscheinlich.

Chemisch differenziertes Magma könnte mehr Gas enthalten und explosiver gefördert werden

Wie schwer eine realistische Einschätzung der Lage ist, zeigt ein Interview mit dem isländischen Vulkanologen Þorvaldur Þórðarson bei MBL, der bereits am Freitag sagte, es sei wahrscheinlich eher eine Frage von Stunden, bestenfalls Tagen, bis es zu einer Eruption kommen könnte. Seiner Einschätzung nach könnte ein Ausbruch bei Svartsenig anders verlaufen, als es bei den letzten beiden Eruptionen der Fall war, denn das frisch aufsteigende Magma könnte sich mit der Schmelze der vorangegangen Intrusionen mischen, die schon mehr Zeit hatte, sich chemisch zu verändern. Dadurch könnte das Magma mehr Gas enthalten und wieder in großen Lavajets (Fontänen) eruptiert werden, so wie wir es in der zweiten Eruptionsphase der ersten Fagradalsfjall-Eruption gesehen haben. In welche Richtung sich die Lavaströme bewegen würden, lässt sich jetzt noch nicht sagen, denn die größte Magmenakkumlation befindet sich nahe der Wasserscheide auf Reykjanes. Ein Szenario ist aber, dass sich die Schmelze auf Grindavik zubewegen könnte. Man rechnet aber damit, dass genug Zeit zur Evakuierung der Gemeinde bleiben würde.

Weitere Bodendeformation auf Island am 29.10.23

Bodenhebung beim Geothermalkraftwert Svartsengi und der Blauen Lagune bereiten Sorgen

Das Schwarmbeben unter der isländischen Reykjanes-Halbinsel hat sich weiter abgeschwächt, ist aber noch nicht ganz vorbei. IMO berichtet von mehr als 7500 Erdbeben. Achtzehn hatten Magnituden größer als 3. Doch das eigentliche Problem stellen nicht die Erdbeben dar, denn sie sind nur Symptome von Prozessen im Untergrund, die letztendlich zu einem Vulkanausbruch führen könnten. Sprich, die Erdbeben sind nicht tektonischer Art, sondern werden direkt oder indirekt von aufsteigendem Magma verursacht, das sich in der Erdkruste akkumuliert und darauf wartete, bis an die Erdoberfläche vordringen zu können. Bis jetzt sammelte sich die Schmelze vorwiegend unter einem nicht besiedelten Gebiet im Bereich des Fagradalsfjall an, aber das änderte sich jetzt: vorgestern begann sich Magma direkt im Bereich der Haupterdbebenzone 1,5 km nordwestlich des Thorbjörn-Vulkans anzusammeln. Dort liegen das Geothermalkraftwerk Svartsengi und die Blaue Lagune.

Neue GPS-Daten und die Auswertung von INSAR-Satellitendaten zeigen, dass sich der Boden dort innerhalb von 48 Stunden um 3 cm hob! Ein erstaunlicher Wert, der Grund zur Besorgnis gibt. Es ist nicht das erste Mal, dass in diesem Areal eine Magmenintrusion festgestellt wurde: seit 2020 gab es bereits 4 ähnliche Ereignisse im Vorfeld der Fagradalsfjall-Eruptionen, doch während der aktuellen Episode hob sich der Boden am schnellsten. Es stellt sich natürlich die Frage, ob sich hier irgendwann genug Schmelze akkumuliert, damit es zu einem Vulkanausbruch kommen kann. Das hätte dann- anders als am Fagradalsfjall- möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die isländische Infrastruktur. Das Geothermalkraftwerk versorgt die Flughafen- und Hauptstadtregion mit Strom und Wärme und die Blaue Lagune ist ein touristischer Hotspot. Bis jetzt ist es allerdings unklar, ob es hier tatsächlich zu einem Ausbruch kommen wird, oder ob sich die Aktivität wieder in Richtung Osten verlagern wird. Dort, genauer am Fagradalsfjall, hebt sich der Boden ebenfalls weiter. Was ich noch beunruhigter finde als die vertikale Bodenhebung, ist der horizontale Versatz des Bodens, der sich seit Beginn der seismischen Krise deutlich beschleunigte und vergleichbare Werte angenommen hat, wie kurz vor der letzten Eruption. Eine Bewegungskomponente war im Juli gen Norden gerichtet, doch jetzt läuft sie in entgegengesetzter Richtung. Damals gab es auch eine Verschiebung in östlicher Richtung, die sich jetzt fortsetzt und gut 20 mm beträgt. Der horizontale Bodenversatz spiegelte damals eine weitaus größere Bodenhebung wider, als von den GPS-Messungen erfasst wurde. Sie zeigte sich erst relativ spät in INSAR-Karten. Rechnet man das Geschehen hoch und vergleicht es mit jenem vor den anderen Eruptionen, kann es eigentlich nicht mehr lange dauern, bis wir eine weitere Eruption auf Island sehen werden.

Der VONA-Alarmstatus wurde übrigens auf „Gelb“ erhöht. Eine Eruption ist theoretisch ohne weiter Vorwarnungen möglich.

Island: Warnung vor Höhlengas

Das isländische IMO warnt vor einer lebensgefährlichen Konzentration an Kohlendioxid in den Lava-Höhlen auf der Reykjanes-Halbinsel. Zugleich verdrängt das Kohlendioxid den Sauerstoff und Besucher der Höhlen droht der Erstickungstod. Die erhöhten Gaskonzentrationen wurden in einer Höhle gemessen, die nahe an einem Parkplatz liegt, von dem aus Wanderungen in das Gebet unternommen werden. Die Höhle gehört zu einer ganzen Reihe von Lavatunneln, die sich in der Nähe der Eldvörp-Kraterreihe befinden. Die Krater liegen westlich der Blauen Lagune und damit in dem Gebiet, das von den Erdbeben der letzten Wochen erschüttert wurde. Die Vermutung liegt nahe, dass das Kohlendioxid im Zusammenhang mit der Magmenintrusion bei Grindavik steht: Das Gas wird vom Magma emittiert und steigt durch Gesteinsklüfte auf und sammelt sich in der Höhle. Vermutlich tritt das Gas auch an anderen Stellen aus. Neben der Inflation und den Erdbeben ist das Kohlendioxid ein weiteres Indiz für den Magmenaufstieg und dafür, dass sich ein Vulkanausbruch anbahnen könnte.

In einem Fernsehinterview äußerte sich IMO-Wissenschaftlerin Kristín Jónsdóttir zur Situation. Sie meinte, dass man weiterhin gefahrlos in der Gegend wandern gehen kann, man sollte nur die Höhlen meiden. In diesen bestehe Lebensgefahr.

Eldvörp Kraterreihe und die Svartsengi-Feuer

Eldvörp ist eine Reihe von Schlackenkegeln auf Island, die bei einem Vulkanausbruch zwischen 1210-1240 n. Chr. gebildet wurden. Sie Kraterreihe gehört zum Svartsengi-Vulkansystem, welches auch die Erdwärme für das gleichnamige Geothermalkraftwerk erzeugt. Die Blaue Lagune ist praktisch ein Nebenprodukt der Stromerzeugung. Der Ausbruch wird auch Svartsengi-Feuer genannt. Die Krater liegen in einer Nord-Nord-Südwest verlaufenden Reihe, die sich von der Südküste etwa 10 km landeinwärts erstreckt, wobei das Nordende 2 km westlich der Blauen Lagune liegt. Die aus der Kraterreihe austretende Lava ist einer der voluminösesten holozänen Lavaströme auf der Halbinsel Reykjanes und bedeckt eine Fläche von ca. 20 Quadratkilometern. Die Höhlen sind Teile eines Tunnel-Systems, das entstand, als die Oberfläche der Lavaströme erstarrte. Unter dieser Kruste floss die Lava weiterhin. Als der Lava-Nachschub endete, floss die Lava unterirdisch ab und hinterließ die Tunnel.