Island: Neues aus Grindavik am 22.11.23

Satellitenebild mit Graben, Erdbeben und Gefahrenzone. © Uni Reykjavik

Detektierte Seismizität weiterhin gering – Inflation verstärkt

Auch heute registrieren die Seismometer auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel vergleichsweise wenige Erdbeben. Wie IMO berichtet, wurden nachts nur 50 Erdbeben festgestellt. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der seismischen Krise. Die Geowissenschaftler gehen davon aus, dass aufgrund des starken Windes nicht alle schwachen Erdbeben registriert werden konnten. Doch ich denke, dass es tatsächlich einen Rückgang der Seismizität gegeben hat, denn den Wind hatten wir bereits gestern, und seitdem reduzierte sich die Anzahl der registrierten Erdbeben nochmals. Allerdings lässt sich nicht genau sagen, um wieviel schwächer die Aktivität geworden ist. Trotzdem dehnt sich der Untergrund bei Svartsengi immer weiter aus und der Magmenzufluss soll sich sogar noch verstärkt haben.

Auf der Seite Visir wurde ein Interview mit dem in den USA lebenden isländischen Vulkanologen Haraldur Sigurðsson veröffentlich, der meinte, dass sich das Magma im Dyke langsam verfestigt und die Magmenbewegungen abnehmen. Er sagt weiter, dass, wenn er in Grindavík leben würde, er noch vor Weihnachten nach Hause gehen würde. Na, wenn das nicht mal eine positive Aussage ist. Andere Vulkanologen sind nicht ganz so optimistisch und halten die Ausbruchsgefahr weiterhin für groß.

Selbst wenn es widererwartend nicht unmittelbar zu einem Vulkanausbruch kommen sollte, so ist die generelle Meinung der Geowissenschaftler, dass auf Reykjanes unruhige Zeiten bevorstehen. Man geht davon aus, dass wir erst den Anfang einer seismischen und vulkanischen Aktivitätsphase erleben. In den nächsten Jahrzehnten könnte man noch zahlreiche vergleichbare Episoden erleben, von denen einige in Eruptionen gipfeln werden.

Die Politiker Island bleiben indes nicht untätig und diskutieren darüber, wie man den Grindavikings am besten unterstützen kann. Wie immer stellt sich die Frage, wie schnell, unbürokratisch und nachhaltig politische Versprechen sind. Diskutiert werden soll in einer der nächsten Sitzungen auch, wie man der internationalen Presse besseren Zugang nach Grindavik geben kann. Zwar wurde in der Nähe von Reykjavik ein Pressezentrum eröffnet, doch noch immer sehen sich die meisten Journalisten und Fotografen ausgesperrt. Einer von ihnen ist unser Vereinsmitglied Carsten Peters, der vor Ort mächtig für Wirbel sorgte und seinem Unmut Luft gemacht hat. Auf seinem Drängen hin wurde wohl das Pressezentrum eröffnet.

Natürlich habe ich mir auch bereits die Frage gestellt, wie man im Falle einer Eruption Zugang zur Eruptionsstelle bekommen könnte und entsprechende Stellen angeschrieben. Außer eine kurze IMO-Notiz, dass man meine Anfrage weitergeleitet hätte, ist noch nichts gekommen. Auf der einen Seite kann ich das nachvollziehen, auf der anderen Seite sind Einschränkungen für die Presse immer skeptisch zu betrachten.

Grindavik am Abend des 21.11.23

Anzahl registrierter Erdbeben gering – Bodenhebung bleibt hoch

Hier noch ein kleines Update zu den heutigen Geschehnissen auf der isländischen Reykjaneshalbinsel: Die Anzahl der registrierten Erdbeben hat in den letzten 24 Stunden deutlich abgenommen, wobei IMO schreibt, dass der starke Sturm die Messungen beeinflusst. Die Vibrationen des Windes, der sich über den Boden überträgt, verschleieren die Signale der Mikrobeben, so dass hiervon die meisten im Rauschen des Windes untergehen. Im Tagesverlauf wurden nur 280 Erschütterungen detektiert. Das Stärkste hatte eine Magnitude von 2.7 und manifestierte sich bei Sýlingafell. Was der starke Wind nicht beeinträchtigte, waren die GPS-Messungen, und die geben weiterhin Anlass zur Sorge, denn die Bodenhebung zwischen Svartsengi und Eldvörp ist weiterhin sehr hoch. Seit der letzten Messung addierten sich 2 mm. Man könnte auch sagen, der Boden geht hoch wie ein Hefeteig. Auch an den benachbarten Stationen hob sich der Boden, wobei sogar der Thorbjörn langsam wieder ins Positive dreht. Während die Bodenhebung am Fagradalsfjall stagniert, hebt sich der Boden an der Südküste weiter. Die Bodendeformationen sind insgesamt sehr hoch und es erstaunt, dass es noch nicht zur Eruption gekommen ist. Offenbar fehlt die eine oder andere Komponente für einen gelungenen Vulkanausbruch.

Obwohl es heute aus seismologischer Sicht ein ungünstiger Beobachtungstag ist, bette ich hier einen neuen LiveStream ein, der die Daten einer Erdbebenmessstation in Echtzeit überträgt.

Ansonsten gab es natürlich auch heute wieder Berichte über Grindavik in der lokalen Presse. In einem dieser Artikel kam Rafn Sigmarsson zu Wort. Der junge Mann ist ein Rettungshelfer des Þörbjörn-Teams in Grindavík. Seiner Meinung nach sind die Schäden in der Stadt weitaus geringer als viele Leute annehmen würden. Zwar sind viele Häuser in der Nähe des Hauptrisses zerstört bzw. stark beschädigt, doch je weiter die Häuser vom Riss entfernt liegen, desto geringer sind die Schäden. Die meisten Häuser hatten sogar keine sichtbaren Beschädigungen. Nach diesen Worten dürfte die Hoffnung vieler Bewohner der Stadt steigen, dass sie vielleicht doch nicht alles verlieren werden. Wenn denn der Vulkan still bleiben sollte.

Island: deutlicher Rückgang der Erdbebentätigkeit

Seismizität hat nachgelassen –  Neue Gefahrenkarte

Heute Nacht wurden die wenigen Erdbeben entlang des magmatischen Gangs detektiert, seitdem dieser in den Erdboden eindrang. Ob dies auf einen tatschlichen Rückgang der Seismizität zurückzuführen ist oder ob wegen des starken Windes nicht alle Erdbeben detektiert werden konnten, bleibt ungeklärt. Obwohl Letzteres wahrscheinlich einen Einfluss hat, werden wir Gewissheit erst haben, wenn der Wind nachgelassen hat. Die meisten Erschütterungen ereigneten sich entlang des Gangs, und man kann zwei Bereiche ausmachen, an denen sich die Beben knubbeln: beim Hagafell und entlang der alten Kraterreihe Sundhnúkur. Diese führt nahe am Fagradalsfjall vorbei und in den IMO-Tabellen wird dieser als Bezugspunkt zur Verortung der Beben angegeben. Die letzten GPS-Messungen zeigten eine anhaltende, starke Bodenhebung im Bereich von Svartsengi.

Das Geothermalkraftwerk steht weiter im Zentrum der Bemühungen, die sensible Infrastruktur zu schützen. Es werden nicht nur Schutzwälle um das Kraftwerk erreichtet, sondern auch Strommasten umgesetzt und Umspannwerke geschützt. Das Kraftwerk versorgt nicht nur Zehntausende Menschen mit Strom, sondern liefert auch für gut 25.000 Menschen Trinkwasser. Der Brunnen liegt in einem besonders gefährdeten Gebiet, und daher soll in den nächsten Tagen damit begonnen werden, an sicherere Stelle einen neuen Trinkwasserbrunnen zu bohren. Die Arbeiten sollen gut 3 Wochen dauern. Das verdeutlich, wie empfindlich die Errungenschaften der Zivilisation sind und wie wir Menschen doch von den Naturgewalten in Schach gehalten werden können.

Die neue Gefahrenkarte von IMO weist nun ein etwas differenzierteres Bild auf und unterteilt die Region entlang des magmatischen Gangs in 3 Gebiete mit unterschiedlichen Gefährdungsstufen. Das gelb eingezeichnete Areal umfasst die Zone mit erhöhter Erdbebengefahr. Die rote Zone weist die Gegend aus, in der das Ausbruchsrisiko als hoch eingeschätzt wird. Die zentrale, lilane Zone weit die Stelle mit der größten Wahrscheinlichkeit einer Spaltenöffnung aus. Svartsengi liegt am Rand dieser Zone. Offenbar geht man weiter von einem 15 km langen Dyke aus und nicht, wie am Sonntag berichtet, von einem Gang, der mittlerweile 5 km länger geworden sein sollte.

Island: großflächige Bodenhebung am 20.11.23

Interferogramm bestätigt schnelle Bodenhebung unter Svartsengi – Nachlassen der Bebentätigkeit beobachtet

Heute wurden im Tagesverlauf deutlich weniger Erdbeben entlang des magmatischen Gangs registriert als es in den letzten Tagen der Fall war. IMO meldet nur ca. 700 Beben anstatt der gut 1500 Erschütterungen der letzten Tage. Auf den Diagrammen zur Bebenhäufigkeit ist das Ausdünnen der Bebenpunkte sehr anschaulich. Nachdem es zum ersten Mal zu einem deutlichen Rückgang der Seismizität gekommen war, das war am Samstag, hatte es noch geheißen, dass der erwartete Vulkanausbruch unmittelbar bevorsteht. Inzwischen ist man mit den Prognosen deutlich vorsichtiger geworden, dennoch hält man einen Ausbruch immer noch für sehr wahrscheinlich. Nur auf den Zeitrahmen mag man sich nicht mehr festlegen, obwohl das Nachlassen der Bebentätigkeit seit heute Nachmittag signifikant und auffällig ist. Nicht ausgeschlossen ist, dass der starke Wind aktuell die Registrierung der schwachen Erdbeben behindert, so dass es in Wirklichkeit mehr Beben gibt als dargestellt werden.

Tatsächlich ist die Bebentätigkeit entlang des Dykes am intensivsten, obwohl sich der Boden westlich des Mittelteils des Dykes am stärksten hebt. Das ist bei Svartsengi. Am Wochenende betrug die Bodenhebung 30 mm, was in einem neuen Interferogramm schön visualisiert wird. Was ich erstaunlich finde ist die Größe des betroffenen Areals! Hier müssen sich gewaltige Mengen von was auch immer ansammeln.

Da die Hebung praktisch unter Ausschluss von Erdbeben stattfindet, halten die Vulkanologen die kurzfristige Ausbruchswahrscheinlichkeit bei Svartsengi für relativ gering. Man sieht die Quelle der Bodenhebung in 4 bis 5 km Tiefe und keine Anzeichen dafür, dass Magma in flachere Gefilde vordringt. Sofern es sich tatsächlich um Gesteinsschmelze handelt und nicht um magmatische Fluide. Wäre auch echt blöd wenn es das Kraftwerk nebst Blaue Lagune verschlingen würde, insbesondere da man gerade Schutzwälle gegen die Lava errichtet, die aus Richtung des Gangs kommen soll.

Früher im Jahr detektierte man ebenfalls eine starke Bodenhebung im Bereich der Askja, und praktisch jeder Geowissenschaftler hätte darauf gewettet, dass wir dort den nächsten Ausbruch auf Island sehen, bis dann im Juli der dritte Ausbruch am Fagradalsfjall los ging. Inzwischen ist Askja aus dem Fokus des Interesses gerückt, nicht zuletzt, weil die Bodenhebung gegen Ende des Sommers praktisch stoppte, nachdem sich der Boden um 68 cm gehoben hatte. Das zeigt deutlich, wie unberechenbar die Vorgänge im Erdinneren sind, und selbst wenn sie sich nur ein paar Hundert Meter tief unter unseren Füßen abspielen, können wir immer noch nicht genau sagen, was vor sich geht, geschweige denn zuverlässige Prognosen abgeben. So bleibt es rätselhaft an den Vulkanen der Welt, und diese Unbestimmtheit ist ja auch ein Teil der Faszination geschuldet, die der Vulkanismus auf viele Menschen ausübt.

Übrigens wurde eine neue Gefahrenkarte herausgebracht, doch davon morgen früh mehr.

Island: Bodenhebung bei Svartsengi beschleunigt

Erdbebenaktivität stabil – Bodenhebung bei Svartsengi beschleunigte sich

Letzte Nacht manifestierten sich laut IMO 530 Erdbeben entlang des magmatischen Gangs auf Reykjanes. Das waren gut 60 Beben mehr als im vergleichbaren Zeitraum am Sonntag. Da es immer Fluktuationen in der Aktivität gibt, kann man sagen, dass die Erdbebentätigkeit auf hohem Niveau stabil ist. Auch die Bodenverformungen halten an und die Ausbruchswahrscheinlichkeit gilt weiterhin als hoch.

Am wahrscheinlichsten erscheint eine Eruption entlang des magmatischen Gangs zu sein. Aber auch jenseits der Dyke-Intrusion gibt es magmatische Aktivität im Untergrund. Zuletzt beschleunigte sich die Landhebung im Bereich des Geothermalkraftwerks Svartsengi wieder. Vor der Entstehung des Dykes befürchtete man, dass sich hier eine Eruption anbahnen könnte. Magma soll sich in flachen, linsenförmigen Schichten sammeln, die der Fachmann auf Neudeutsch Sills nennt. Diesbezüglich äußerte sich gestern Abend Vulkanologe Þorvald Þórðarson auf MBL, dass sich der Boden in dem Areal nun 5,5 Mal schneller hebt, als es noch von der Dyke-Intrusion der Fall war. Der Magmenzufluss sei etwa um den Faktor 10 größer geworden. Anfang November betrug der Zustrom 5–7 Kubikmeter pro Sekunde, jetzt seien es etwa 50 Kubikmeter. Das Magma bildet einen Sill in etwa 4,5 km Tiefe. Leider wurde in der letzten Zeit nicht kommuniziert, wieviel Schmelze man nun insgesamt im Untergrund des Systems vermutet, aber mir dünkt es, dass wir langsam auf Dimensionen zusteuern, wie man sie vor der Bardarbunga-Eruption in 2014 hatte. Der mehrmonatige Ausbruch brachte ca. 1,2 Kubikkilometer Lava hervor und schuf das größte Lavafeld, das auf Island seit der Laki-Eruption entstanden war.

Inzwischen gibt es wissenschaftliche Diskussionen, dass man den Vulkanismus auf Reykjanes neu bewerten muss. Insbesondere steht zur Diskussion, dass die fünf Spaltensysteme nicht als eigenständige Vulkansysteme betrachtet werden müssen, sondern dass sie untereinander verknüpft sein könnten. Die Verbindung könnte eine gemeinsame Magmenquelle in größerer Tiefe darstellen, die die Systeme mit Schmelze versorgt. Während vorangegangener Eruptionsphasen kam es häufig zu Eruptionen der verschiedenen Systeme. Auch jetzt sind ja bereits zwei unterschiedliche Spaltensysteme involviert, denn die drei Eruptionen beim Fagradalsfjall gehören zu einem anderen System als die aktuellen Geschehnisse bei Svartsengi. Der magmatische Gang verläuft überdies diagonal durch beide Systeme. Da stellt sich die Frage, ob es Sinn macht, von unterschiedlichen Systemen zu sprechen?

für die Menschen vor Ort sind diese wissenschaftlich ambitionierten Gedankengänge von untergeordneter Wichtigkeit. Ob so oder so, die Gefahr einer Eruption bleibt bestehen. Die Grindavikings bangen weiter um ihre Existenzgrundlage. Heute dürfen wieder 120 Stadtbewohner zu ihren Häusern um Wertgegenstände zu bergen.

Island am 19.11.23: Weitere Erdbeben

Seismizität zog Nachts etwas an – Vulkanologen rechnen immer noch mit Vulkanausbruch

In der Nacht gab es etwa 370 schwache Erdstöße im Bereich des magmatischen Gangs auf Reykjanes bei Grindavik. Das sind zwar weniger als in der Nacht zuvor, doch im Vergleich zum Tagesverlauf zog die Erdbebentätigkeit abends wieder etwas an. Die IMO-Chefvulkanologin meinte gestern Nachmittag, dass die Seismizitätsabnahme bedeuten könnte, dass die Schmelze nahe der Oberfläche steht und innerhalb weniger Stunden ausbrechen könnte. Bis jetzt kam es allerdings zu keiner Eruption.

Das stärkste Erdbeben der Nacht manifestierte sich übrigens nicht am magmatischen Gang, sondern weiter östlich in Krýsuvík, was westlich von Kleifarvatn liegt. In dieser Region bildete sich ein zweiter Bebenspot aus. Noch im vergangenen Monat spekulierten Vulkanologen, dass es in dieser Region zur Eruption kommen könnte, da auch dort schwache Bodenhebung detektiert wurde und Fumarolen eines Thermalgebiets aktiver wurden.

Heute Morgen soll es wieder Anwohnern von Grindavik gestattet werden, zu ihren Häusern zurückzukehren, um dort ihre Sachen zu bergen. Man geht davon aus, dass die Stadt monatelang unbewohnbar bleiben wird, selbst wenn es nicht zu einem Vulkanausbruch kommen sollte. Die Erdbewegungen halten an, das Stadtgebiet sackt weiter ab und zumindest flach liegenden Arealen an der Küste droht die Überflutung. Neben dem drohenden Vulkanausbruch ist die Gefahr stärkerer Erdbeben groß. Da viele Häuser bereits geschädigt sind, könnten stärkere Erdbeben diese zum Einsturz bringen. Es ist völlig offen, was als Nächstes passieren wird. Es ist auch eine weitere Rifting-Episode denkbar.

In einigen Teilen des Grabens steigt der Boden durch die Magmenintrusion weiter an. Dies ist vor allem im Gebiet von Svartsengi der Fall. Seit der Grabenbildung hob sich der Boden um 12 cm. Rechnet man die Zeit vor der Grabenbildung hinzu, kam es zu einer Bodenhebung von gut 20 cm. Die Subsidenz durch die Grabenbildung belief sich in diesem Teil des Rifts auf gut 30 cm.

Im Bereich des Fagradalsfjalls stoppte die Bodenhebung, doch es kommt weiterhin zu einer seitlichen Verschiebung der Erdkruste. Das Geschehen der letzten Woche wird in einem neuen Interferogramm dargestellt. Dort, wo die Linien am dichtesten verlaufen, liegt das Rift, unter dem sich der magmatische Gang ausbreitet. Es bleibt eine Gretchenfrage, was zuerst da war: das Rift, oder der Gang? Soll heißen: bildete sich das Rift aufgrund tektonischer Prozesse und die entstehende Spalte wurde durch aufsteigendes Magma gefällt, oder stieg Magma auf und drückte die Erdkruste auseinander? Im ersten Fall ist das Ausbruchsrisiko geringer als im zweiten Fall, da man davon ausgehen kann, dass die Schmelze unter mehr Druck steht, als wenn sie nur die Lücke aufgefüllt hat.

Island: Neue Erkenntnisse nach Konferenz

Konferenz des Krisenstabs endete – Magma könnte final aufsteigen

Nach der Konferenz des Krisenstabs zu den Geschehnissen bei Grindavik äußerte sich Kristín Jónsdóttir, die Leiterin der Abteilung für vulkanische Aktivität beim isländischen Wetteramt, gegenüber der Presse und bestätigte, dass die Seismizität in den letzten Stunden nachgelassen habe. Auch die Magmenbewegungen im magmatischen Gang haben nachgelassen. Dieser wird immer breiter und tiefer. Die Geowissenschaftlerin meint, dass die Abnahme der Erdbebentätigkeit ein Anzeichen dafür sein könnte, dass das Magma sehr flach steht und sich nahe der Oberfläche befindet. Sie zieht Analogien zur ersten Fagradalsfjall-Eruption, als am Vorabend des Ausbruchs die Seismizität ebenfalls stark nachgelassen hatte. Im RUV-Liveblog wird sie folgendermaßen zitiert: „Während Modellrechnungen immer noch darauf hindeuten, dass Magma in die Intrusion fließt, muss es als wahrscheinlich angesehen werden, dass es zu einer Eruption kommt.“

Laut der Wissenschaftlerin zeigen die Daten zur Bodendeformation, dass sie in einem Bereich westlich vom Hagafell am größten sind. Von daher wird diese Region als wahrscheinlichster Eruptionsort angesehen, obwohl es überall entlang des Dykes zum Ausbruch kommen könnte. Das Gefälle in diesem Areal weist in seinem südlichen Teil in Richtung Grindavik, so dass Lavaströme durchaus in Richtung Stadt fließen könnten. Lava könnte aber auch nach Norden oder Westen fließen. In der Nähe von Hagafell befindet sich auch das Geothermalkraftwerk. So oder so, falls es in der Gegend zu einer größeren Eruption kommt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es zu beachtlichen Schäden kommt.

Mittlerweile hat der Bau der Schutzwälle bei Svartsengi begonnen. Es gibt auch Überlegungen, entsprechende Verteidigungsbauwerke bei Grindavik zu errichten. Bis jetzt hat man davon abgesehen, weil befürchtet wurde, dass sich Eruptionsspalten direkt im Ort öffnen könnten. Die letzten Dämme, die man am Fagradalsfjall errichtete, waren innerhalb weniger Tage von der Lava überflutet worden. Am Ätna auf Sizilien gelang es im Jahr 2001, Lavaströme von der unteren Seilbahnstation auf einen Parkplatz umzulenken.

Island: Seismizität am 18. November rückläufig

Erdbebentätigkeit nimmt deutlich ab – Ausbruchsgefahr weiterhin als hoch eingestuft

Im morgendlichen IMO-Update ist zu lesen, dass die Situation am Dyke auf Island praktisch unverändert sei. In den ersten sechs Tagesstunden wurden rund 470 Erdbeben registriert. Das Stärkste kam auf M 2.2. Es ereignete sich um 06:15 Uhr nordöstlich von Hagafell. Doch seitdem hat die Seismizität deutlich abgenommen. Da sie aber immer fluktuiert, ist bis jetzt nicht klar, ob es ein langfristiger Trend ist. Den letzten Einschätzungen der IMO-Wissenschaftler zufolge bleibt das Eruptionsrisiko hoch.

Ich persönlich hielt es vor einer Woche noch für sehr wahrscheinlich, dass wir spätestens bis heute einen Ausbruch erleben würden, doch nach den neuen Erkenntnissen in Bezug auf das Rifting scheint es gar nicht mehr so sicher zu sein, ob es kurzfristig überhaupt zu einer Eruption entlang des Gangs kommen wird. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass ein isländischer Vulkanologe in einem Artikel schrieb, dass eine stabile Lavaschicht in weniger als 400 m Tiefe das Magma am weiteren Aufstieg hindere. Diese Lavaschicht wurde beim Abteufen des Bohrlochs durchstoßen, das bis unter den Hagafell reicht und in dem vorgestern die erhöhte Schwefeldioxid-Emission gemessen wurde. Da in dem Gebiet seit 2020 fünf Episoden mit Bodenhebungen festgestellt wurden – von denen allerdings keine an die aktuellen Geschehnisse herankam – und das Magma letztendlich doch am Fagradalsfjall eruptiert wurde, halte ich es für durchaus möglich, dass sich die Schmelze letztendlich wieder gezwungen sieht, dorthin auszuweichen und zu eruptieren. Tatsächlich gibt es am Fagradalsfjall weitere Bodenhebung, so dass sich dort auch Magma unabhängig der Dykeintrusion sammeln kann. Es is auch nicht auszuschließen, dass sich zum Schluss mehrere Eruptionsspalten an unterschiedlichen Orten öffnen werden.

Heute will sich um 13 Uhr der Krisenstab des Zivilschutzes zu einer Beratung treffen. Vielleicht gibt es danach neue Erkenntnis. Auch die Politiker beraten über mögliche Hilfen für die Grindaviknings. Es wird diskutiert, ob man ihnen helfen soll, andere Immobilien zu kaufen.

Island: Bodendeformation hält am 17.11.23 an

Weitere Bodenhebung bei Svartsengi – Geophysiker vergleicht Situation mit 1975

Heute Nachmittag kamen neue GPS-daten zur Bodendeformation herein. Demnach geht die Bodendeformation im Erdbebengebiet der Reykjanes-Halbinsel weiter. An signifikantesten war sich in den letzten Stunden im Bereich von Svartsengi, wo sich der Boden um weitere 3 mm hob. Auch der horizontale Versatz hält an. Seit Mitternacht wurden 1800 schwache Erschütterungen registriert. Die meisten manifestierten sich im Bereich des Gangs, aber es gab auch zahlreiche Erdbeben in der Keilir-Gegend.

Heute war auf der Website von RUV ein Interview mit dem Geophysiker Páll Einarsson zu lesen, der die aktuelle Situation mit Vorgängen in den 1970iger Jahren vergleicht, als es eine ähnliche Riftbildung im Norden von Island gab. Auch damals ging sie mit einer bedeutenden Magmenintrusion einher. Das Rift damals erstreckte sich ebenfalls unter besiedelten Gebiet hinweg, war allerdings deutlich größer als das jetzige. Es entwickelte sich über mehrere Monate hinweg in mehreren Schüben und gipfelte letztendlich in eine mehrjährige Eruption des Vulkans Krafla.

Die Krafla-Brände bezeichneten eine Abfolge von effusiven Vulkanausbrüchen, die sich über den Zeitraum 20. Dezember 1975 bis 18. September 1984 in der ereigneten. Während dieser Periode wurde das Krafla-Kraftwerk errichtet. Der Beginn der Bauarbeiten Mitte 1975 fiel zeitgleich mit einem deutlichen Anstieg der seismischen Aktivität in der Krafla-Region zusammen. Am 20. Dezember 1975 kulminierte diese Aktivität in einem Vulkanausbruch bei Leirhnjúk. Dieser anfänglich kleine Lavafluss markierte den Beginn der Krafla-Brände. Zuvor floss das Magma der Intrusion bis unter die Krafla-Caldera und akkumulierte sich dort.

Mit zunehmendem Druck in der Magmakammer kam es zu neun Episoden mit Lavastromtätigkeit. 24 Mal wurden Magmaintrusionen registriert. Währenddessen zeigten sich Landhebungen und Landsenkungen in und um Kräfluskja, begleitet von entsprechenden Erdverschiebungen. Das resultierende Lavafeld aus diesen Eruptionen wird als Leirhnjúk-Lava bezeichnet und bedeckt eine Fläche von 33 km².

Auch wenn man die Situation von damals nicht 1:1 mit den aktuellen Vorgängen vergleichen kann, zeigen sie doch, dass die Eruptionsgefahr hoch bleibt, selbst wenn es länger bis zum Ausbruch dauern kann als man zuerst angenommen hat.