Island ist die größte Vulkaninsel der Welt. Sie liegt im Atlantik, mitten auf der kontinentalen Naht zwischen Europa und Nordamerika. Hier gibt es immer wieder fantastische Vulkanausbrüche: Im langjährigen Mittel kommt es alle 5 Jahre zu einer Eruption. Seit 2021 verkürzten sich die Eruptionsintervalle deutlich, und auf der Reykjanes-Halbinsel folgt ein Ausbruch dem nächsten.
Schwarmbeben vor der Südwestspitze von Reykjanes – Mehr als 200 Beben seit gestern Abend
Gestern Abend begann gegen 21:00 UTC ein Schwarmbeben vor der Küste der Westspitze von Reykjanes. Seitdem manifestierten sich mehr als 200 Erschütterungen mit Magnituden kleiner als 3. Die stärkste Magnitude wird mit Mb 2,3 angegeben. Die Erdbebenherde streuen, liegen aber überwiegend vergleichsweise flach, in weniger als 10 km Tiefe. Die Epizentren bilden einen Cluster ca. 6 km südwestlich von Reykjanestá, jenem Ort, der für seinen Leuchtturm bekannt ist.
Laut Aussage von IMO-Naturgefahrenspezialistin Bryndís Ýr Gísladóttir gegenüber der Lokalpresse sind Schwarmbeben in dieser Region seit der Reaktivierung der Aktivität auf Reykjanes nicht selten und stellen keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung dar, obgleich die stärksten Erschütterungen in der Region gespürt werden konnten.
Meiner Erfahrung nach kommt es zu stärkeren Schwärmen in diesem Bereich des Reykjanes-Spaltensystems, je näher die Eruption bei Svartsengi rückt, das nur wenige Kilometer vom Reykjanes-System entfernt liegt.
Die Bodenhebung bei Svartsengi schwächte sich in den letzten Tagen leicht ab, geht aber dennoch weiter. Sie hat inzwischen Größen erreicht, die typisch für den Beginn einer neuen Eruption oder Gangintrusion sind. Demnach kann der erwartete Ausbruch nun jederzeit einsetzen, ohne dass es zu weiteren Vorwarnzeichen kommt, wenn man den heutigen Schwarm bei Reykjanestá nicht als solches interpretieren will. Bereits vor den letzten Eruptionen wurde die direkte Vorwarnzeit, die durch den Beginn einer seismischen Krise bei Svartsengi gekennzeichnet war, immer kürzer und lag zuletzt bei deutlich unter einer Stunde. Etwas mehr Zeit verschafft die Beobachtung der Drucksteigerung in Bohrlöchern des Geothermalkraftwerks Svartsengi.
In den letzten Tagen gab es nicht nur Erdbeben auf der Reykjanes-Halbinsel, sondern auch unter dem Mýrdalsjökull mit der Katla und an der westlich gelegenen Hekla. Im Umfeld dieses Vulkans auf Südisland gibt es eine leichte Bodenhebung von ca. 20 mm. Möglich, dass wir hier den übernächsten Ausbruch auf Island sehen werden. Der Aufheizungsprozess der Hekla verläuft typischerweise vergleichsweise still und bereits vereinzelt auftretende Beben gelten als Hinweis hierauf.
The Day after Tomorrow: Island erklärt möglichen Abriss der AMOC als Nationale Bedrohung
Wer erinnert sich nicht an die dramatischen Szenen aus dem Film „The Day after Tomorrow“, als Regisseur Roland Emmerich im Jahr 2004 New York einfrieren ließ? Als Grund für die neue Eiszeit postulierte der Regisseur und Drehbuchautor den Zusammenbruch der AMOC (Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation), einem marinen Strömungssystem im Atlantik, zu dem auch der Golfstrom gehört. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass dieses Szenario im 21. Jahrhundert deutlich wahrscheinlicher wird als man bislang angenommen hat. Was damals vielfach als Vision eines Filmemachers belächelt wurde, könnte bereits in wenigen Jahrzehnten Realität werden. Eine Prognose, auf die Island mit der Deklarierung einer „nationalen Sicherheitsbedrohung“ reagierte. Politiker sprechen von einer „existentiellen Gefahr für Klima und Gesellschaft“.
Das vergleichsweise milde Klima Islands hängt maßgeblich von einem komplexen Netzwerk warmen Wassers ab, das vom Atlantik her Wärme nach Norden transportiert. Ohne diese Strömungen wäre Island – und gesamt Nord- und Mitteleuropa – deutlich kälter und stürmischer, so der isländische Umwelt-, Energie- und Klimaminister Jóhann Páll Jóhannsson. Die AMOC funktioniert dabei wie ein riesiges Förderband: Kaltes Wasser aus der Polarregion fließt in der Tiefe des Atlantiks in den Süden und verursacht einen oberflächennahen Rückstrom warmen Wassers aus den Tropen. Infolge des vermehrten Süßwassereintrags in den Atlantik durch das klimawandelbedingte Schmelzen arktischer Gletscher droht das Förderband der AMOC aus dem Gleichgewicht zu geraten und könnte kollabieren.
Die Wahrscheinlichkeit hierfür wird in neuen Studien als besorgniserregend hoch eingestuft: Sollte wider Erwarten das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens erreicht werden, liegt die Wahrscheinlichkeit eines AMOC-Abrisses bei 25%. Doch an ein Erreichen dieser Klimaschutzziele glaubt kaum noch jemand. Verharren die globalen CO₂-Emissionen auf aktuellem Niveau, beträgt sie etwa 37 % und folgen die Emissionen dem derzeitig steigenden Trend, liegt die Wahrscheinlichkeit eines AMOC-Versagens bei rund 70 %. In diesem Jahrhundert wohlgemerkt. Selbst wenn es nicht zu einem vollständigen Abriss der AMOC kommt, ist die Wahrscheinlichkeit einer Abschwächung sehr groß. Bereits eine signifikante Abschwächung des Warmwasserrückstroms wäre so, als würde man die Heizung Europas zurückdrehen.
Ein Kollaps der AMOC hätte nicht nur für Island gravierende Folgen. Laut Forschenden könnten in Teilen Mitteleuropas die Temperaturen um fünf bis 15 Grad sinken, was eine „moderne Eiszeit“ bedeuten würde. Darüber hinaus drohten massive globale Wetter- und Klimaveränderungen: ein Anstieg des Meeresspiegels an der US- und europäischen Ostküste, Störungen der Monsunsysteme in Afrika und Asien sowie eine mögliche Ausbreitung von Meereis bis nach Großbritannien. Island selbst könnte in eine starke regionale Abkühlung geraten und zeitweise von Meereis umgeben sein.
Im August informierte Minister Jóhannsson die Regierung über neue Forschungsergebnisse, die ernste Zweifel an der Stabilität der AMOC äußerten. Bereits im September stufte der Nationale Sicherheitsrat Islands den möglichen Zusammenbruch erstmals als nationale Sicherheitsbedrohung ein – ein Novum für klimabedingte Risiken im Land. Diese Einstufung fordert nun eine koordinierte und hochrangige Reaktion der Regierung, um Präventions- und Anpassungsstrategien zu entwickeln.
Der Minister warnt eindringlich: „Das Klima könnte sich so drastisch verändern, dass eine Anpassung unmöglich wird.“ Für Island, dessen Wirtschaft stark von der Fischerei abhängt, wäre ein Zusammenbruch ein „existenzielles Risiko“. Auch Mitteleuropa steht vor schweren Herausforderungen, während sich die globale Klimakrise weiter zuspitzt.
Die Auswirkungen einer kleinen Eiszeit wären weltweit spürbar – von zerstörten Ernten bis zu katastrophalen Überschwemmungen. In Deutschland wäre mit einem Klima ähnlich wie auf Kamtschatka zu rechnen: kalte, schneereiche Winter die bis in den Frühling dauern und nur eine kurze Vegetationsperiode während des Hochsommers.
(Quellen der wichtigsten Studien zum potenziellen AMOC-Amok:
Smolders, E. J. V., van Westen, R. M., & Dijkstra, H. A. (2024). Probability estimates of a 21st-century AMOC collapse. arXiv:2406.11738. https://arxiv.org/abs/2406.11738
van Westen, R. M., Vanderborght, E. Y. P., Kliphuis, M., & Dijkstra, H. A. (2024). Substantial risk of 21st century AMOC tipping even under moderate climate change. arXiv:2407.19909. https://arxiv.org/abs/2407.19909
Bellomo, K., Meccia, V., Fabiano, F., D’Agostino, R., Corti, S., & von Hardenberg, J. (2023). Influence of the Atlantic Meridional Overturning Circulation on future climate change impacts. In: Proceedings of the XXVIII General Assembly of the IUGG. Potsdam: GFZ German Research Centre for Geosciences. DOI: 10.57757/IUGG23-0905)
Reykjanes von 3 kleineren Schwarmbeben erschüttert – Bodenhebung bei Svartsengi hält an
Heute gab und gibt es auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel drei kleinere Erdbebenschwärme, sodass insgesamt 62 Beben registriert wurden. Die Schwärme verteilen sich auf unterschiedliche Spaltensysteme, sparen das Svartsengi-Gebiet aber weiterhin aus. Dort hält die Bodenhebung weiter an, auch wenn sie sich leicht abgeschwächt hat.
Diese Abschwächung ist nicht untypisch für ein Stadium fortgeschrittener Magmenakkumulation: Sie kann durch den hohen Druck im oberen Magmenspeichersystem verursacht werden, der es aufsteigendem Magma erschwert, in den Magmenkörper einzudringen. Eine ähnliche Phänomenologie wurde bereits vor mehreren Eruptionen entlang der Sundhnúkur-Eruptionsspalte beobachtet. Natürlich ist es auch möglich, dass aus dem tieferen Magmenspeicher tatsächlich weniger Schmelze aufsteigt – eine Hypothese, die von einigen isländischen Geowissenschaftlern seit Längerem vertreten wird. Die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, ob dem so ist oder ob die Aktivität weiter anhält und letztlich in dem erwarteten Vulkanausbruch gipfeln wird.
Die drei beschriebenen Schwarmbeben manifestierten sich in den Störungssystemen von Reykjanes, Krýsuvík und Hengill. Die Erdbeben im letztgenannten System stehen möglicherweise mit dem Geothermalkraftwerk Hellisheiði in Verbindung und könnten menschengemacht sein. Allerdings gibt es dort auch natürliche geothermale Erscheinungen, und der Aufstieg von Fluiden könnte Störungszonen ebenfalls aktiviert haben.
Der Erdbebenschwarm im Krýsuvík-System ist seit Wochen mal mehr, mal weniger aktiv, und es gibt verschiedene Spekulationen über seine Ursache: Seit dem Sommer senkte sich der Boden um fast 60 mm, und diese Subsidenz könnte die Beben ausgelöst haben. Einige Geoforscher sehen die Ursache der Erschütterungen in einer Verringerung des Drucks infolge von Probebohrungen für die Geothermie. Seit einigen Tagen deuten die Messdaten zudem auf einen abrupten Stopp der Subsidenz hin und zeigen sogar einen gegenteiligen Effekt. Alles in allem könnten Druckänderungen im Hydrothermalsystem hinter den Erdbeben stecken. Tektonischer Hintergrund:
Die Reykjanes-Halbinsel markiert den Übergangsbereich zwischen dem Mittelatlantischen Rücken und der kontinentalen Kruste Islands. Statt einer einzelnen, klar definierten Riftzone existiert hier ein Mosaik aus mehreren schräg verlaufenden Spalten- und Störungssystemen, die in Segmenten versetzt zueinander liegen. Diese Segmentierung entsteht durch die Kombination von Dehnung und seitlicher Scherung, denn die Plattenbewegung verläuft nicht senkrecht zum Rücken, sondern schräg dazu. Deshalb treten Erdbeben häufig in Form kleinerer Schwärme auf, die sich entlang dieser Störungszonen ausrichten. Die periodische Freisetzung tektonischer Spannungen spielt eine wesentliche Rolle im Reykjanes-Feuerzyklus, bei dem tektonische und magmatische Prozesse eng ineinandergreifen und die Region in Phasen von Jahrzehnten bis Jahrhunderten aktivieren.
Mittelstarkes Erdbeben Mb 5,0 erschütterte Reykjanes-Ridge – Island 1400 Km entfernt
Datum: 14.11.2025 | Zeit: 15:59:07 UTC | Koordinaten 52.700 ; -34.931 | Tiefe: 13 km | Mb 5,0
Am mittelatlantischen Reykjanes-Ridge manifestierte sich gestern Nachmittag um 15:59:07 UTC ein mittelstarkes Erdbeben der Magnitude 5,0. Es handelte sich um ein flach liegendes Erdbeben, dessen Herdtiefe vom EMSC mit 13 Kilometern angegeben wurde. Das namensgebende Reykjavík liegt 1474 Kilometer nördlich des Epizentrums. Damit ereignete sich das Beben in großer Entfernung zu bewohnten Gegenden und blieb an der Oberfläche ohne sichtbare Folgen.
Das Erdbeben am Reykjanes-Ridge ist ein Ausdruck der aktiven tektonischen Prozesse am Mittelatlantischen Rücken, einer divergenten Plattengrenze, an der sich die Eurasische und die Nordamerikanische Platte voneinander entfernen. Die Reykjanes Ridge spielt eine Schlüsselrolle bei der ozeanischen Krustenbildung im Nordatlantik und ist aufgrund ihrer Nähe zu Island ein Hotspot seismischer Aktivität. Solche Erdbeben sind typische Erscheinungen in diesem tektonischen Umfeld und liefern wichtige Daten zum Verständnis der Plattenbewegungen und der Entwicklung neuer ozeanischer Kruste: Durch das Auseinanderdriften der Kontinentalplatten öffnet sich der Atlantik entlang der Naht des Mittelatlantischen Rückens immer weiter. Der dabei entstehende Riss wird von Magma aus dem oberen Erdmantel gekittet, und es bildet sich neues Krustengestein.
Das Beben selbst wirkte sich nicht erkennbar auf Island aus, dennoch laufen hier ähnliche Prozesse wie auf der Reykjanes-Halbinsel ab, deren Störungssysteme die Fortsetzung des Mittelatlantischen Rückens sind.
Die Erdbebenaktivität auf der Halbinsel ist relativ gering, mit nur 42 schwachen Erschütterungen innerhalb von 48 Stunden. Die meisten Beben lagen im Krýsuvík-System, wo die Subsidenz inzwischen ins Gegenteil umgeschwenkt ist und eine leichte Bodenhebung gemessen wird. Auch in den östlich gelegenen Spaltensystemen gab es Erschütterungen. Die Seismizität bei Svartsengi bleibt hingegen gering. Die Bodenhebung hält an, schwächte sich in der vergangenen Woche aber etwas ab. Die Bodenhebung seit dem Ende der letzten Eruption beläuft sich auf 22 cm – der Druck im magmatischen System sollte jetzt hoch genug sein, um zeitnah eine Eruption auszulösen.
Auf der Shakemap erkennt man auch ein Erdbeben Mb 2,8, das sich in den frühen Morgenstunden unter dem subglazialen Vulkan Bárðarbunga ereignete. Hier und an der nahen Askja – wo sich die Bodenhebung inzwischen der 1-Meter-Marke nähert – sowie im Bereich von Katla und Hekla gab es weitere Erschütterungen.
Gletscherzunge Dyngjujökull hat mit zyklisch wiederkehrenden Gletscherrutsch begonnene – keine Gefahr für die Bevölkerung
Im nördlichen Teil des Vatnajökull hat ein Gletscherrutsch an der Gletscherzunge Dyngjujökull eingesetzt. Ein ähnliches Ereignis wurde zuletzt um die Jahrtausendwende beobachtet. Der Vorgang steht nicht im Zusammenhang mit vulkanischer Aktivität, sondern ist Teil der natürlichen Dynamik des Gletschers, der sich unter bestimmten Bedingungen um mehrere Meter pro Tag bewegen kann, obwohl er sich normalerweise kaum verschiebt.
Der Dyngjujökull, westlich von Kverkfjöll gelegen, ist ein sogenannter Gleitgletscher, dessen Bewegungen sehr unregelmäßig verlaufen. Die Jökulsá á Fjöllum entspringt in diesem Gletschergebiet. Nach aktuellen Messungen des Instituts für Geowissenschaften der Universität Island, die in einem Bericht von RUV wiedergegeben wurden, hat sich die Bewegung einer GPS-Station auf dem Gletscher deutlich beschleunigt. Während sie sich normalerweise um 50 bis 80 Meter pro Jahr verschiebt, liegt die Geschwindigkeit derzeit bei etwa 150 Metern jährlich. Fachleute rechnen damit, dass sich diese Dynamik weiter verstärken wird: In den nächsten zwei Jahren könnte sich die Gletscherbewegung auf mehrere Meter pro Tag beschleunigen.
Ein Zusammenhang mit vulkanischen Prozessen wie beim Holuhraun Ausbruch 2014–2015, bei dem Magma aus dem Bárðarbunga-System durch einen magmatischen Gang unterhalb des Dyngjujökull floss, wird ausgeschlossen. Obwohl der Magmafluss unter dem Gletscher damals Veränderungen der Eisdecke des Vatnajökulls verursachte, hatte er keine direkten oder nachhaltigen Auswirkungen auf die Gletscherzunge des Dyngjujökull. Die aktuelle Beschleunigung gilt vielmehr als Teil des typischen Bewegungsverhaltens des Gletschers.
Vor Ort sind bislang keine äußeren Anzeichen eines Gletschervorstoßes erkennbar, doch könnten sich innerhalb des Eises auch in bislang stabilen Bereichen neue Risse bilden. Daher gilt eine Überquerung des Dyngjujökull, insbesondere auf der direkten Route zwischen Grímsvötn und Kverkfjöll, derzeit als gefährlich und sollte vermieden werden.
Im Jahr 2014 bin ich selbst über den Dyngjujökull geflogen, wenige Stunden vor dem Einsetzen der Hauptphase des Holuhraun-Ausbruchs. Damals charterte ich eine Cessna vom Myvatn aus: ein Erlebnis, dass sich auch ohne Vulkanausbruch lohnt!
Zwei Jahre nach der Evakuierung von Grindavik: Warten auf 10. Vulkanausbruch
Am 10. November jährte sich die Evakuierung von Grindavik infolge einer starken Magmaintrusion, die einen Gang bildete, der bis unter die Stadt reichte. Zwei Jahre nach Beginn der Ausbruchsserie bei Svartsengi geht das Warten auf die 10. Eruption weiter. IMO-Deformationsspezialist Benedikt Gunnar Ófeigsson meinte in einem MBL-Interview: „Wir sitzen in einer Warteschleife fest.“ Der Forscher stellte einen Rückgang der Magmenansammlung in der Tiefe fest.
Wer aktuell einen Blick auf die Bodenhebung wirft, sieht, dass es seit einigen Tagen eine Seitwärtsbewegung der Messdaten gibt und die Bodenhebung scheinbar stagniert. Ein Effekt, der öfters kurz vor dem Einsetzen einer neuen Eruption zu sehen war, aber genauso oft auch als Folge von Messfehlern auftrat. Dennoch ist es möglich, das der erwartete Ausbruch nicht mehr lange auf sich warten lässt.
Bis Ende Oktober hatten sich nach dem letzten Ausbruch vom 5. August erneut etwa 14 Millionen Kubikmeter Magma im Untergrund angesammelt. Theoretisch betrachtet ist damit genug Magma im unterirdischen Speichersystem vorhanden, um den finalen Aufstieg zur Eruption zu schaffen. Die Frage ist nur, ob das der Vulkan auch weiß. Die Erdbebentätigkeit bei Svartsengi und entlang der Sundhnukur-Kraterreihe ist weiterhin vergleichsweise niedrig, auch wenn es vereinzelt Erdbeben im Süden des Areals bei Grindavik und in angrenzenden Speichersystemen gibt. Lange Rede, kurzer Sinn: Ein Ausbruch ist jederzeit möglich, oder auch nicht.
Während zu Beginn der Eruptionsserie rasche Bodenhebungen als klare Vorzeichen neuer Ausbrüche galten und die Bodenhebung von zahlreichen Erdbeben begleitet wurde, erschwert das derzeitige Verhalten des Vulkans die Vorhersage kommender Ereignisse deutlich.
Am 10. November jährte sich die Evakuierung von Grindavík zum zweiten Mal. Damals hatten starke Erdbeben und ein sich unter der Stadt bildender Magmaintrusionskanal schwere Schäden verursacht. Der erste Ausbruch der aktuellen Serie erfolgte am 18. Dezember 2023.
Seitdem hat sich die vulkanische Aktivität schrittweise verändert. Die Intervalle zwischen den Eruptionen werden länger, und die Aktivitätszentren haben sich vom Süden nach Norden verlagert. Benedikt Gunnar Ófeigsson betonte, dass die Prozesse weiterhin einzigartig verlaufen und noch immer neue Erkenntnisse über das Verhalten des Svartsengi-Systems liefern.
Das Gebiet gilt inzwischen als der am besten überwachte Ort Islands. Ein dichtes Netz aus Messstationen sowie die enge Zusammenarbeit zwischen dem Isländischen Meteorologischen Amt, der Universität Island und internationalen Forschungseinrichtungen ermöglichen eine kontinuierliche Beobachtung dieser außergewöhnlich langanhaltenden vulkanischen Episode.
Erdbeben Mb 3,5 erschütterte Vulkan Askja auf Island – Beben unter dem Caldera-Nordrand
Datum: 09.11.2025 | Zeit: 09:39:29 UTC | Koordinaten 65.081 ; -16.753 | Tiefe: 4,5 km | Mb 3,5
Auf Island manifestierten sich an diesem Wochenende gleich zwei Erdbeben, die von der Magnitude her zumindest theoretisch spürbar gewesen waren. Theoretisch, weil sie sich in einer menschenleeren Gegend des Hochlands im Bereich des Vatnajökulls ereigneten. Das erste Beben von Samstagnacht hatte eine Magnitude von 3,2 und ein Hypozentrum in 3 Kilometern Tiefe. Das Epizentrum wurde 4,7 km nordöstlich des Zentrums der Bárðarbunga-Caldera verortet. Erdbeben dieser Magnitude gibt es hier öfter. Deutlich seltener und daher interessanter ist das jüngere Erdbeben von heute Vormittag, das sich unter dem Nordrand der Askja in einer Tiefe von 4,5 Kilometern manifestierte und eine Magnitude von 3,5 hatte. Beide Beben werden vom IMO auf der Shakemap angezeigt, die zum Vatnajökull gehört.
Bei der Askja handelt es sich wahrscheinlich um einen eigenständigen Zentralvulkan, obwohl einige Autoren ihn früher zum Bardarbunga-System zählten. Heute geht man davon aus, dass der mächtigste Vulkan Zentralislands – der Bárðarbunga – seine Finger zwar bis in die Nähe der Askja ausstreckt, aber kurz vorher endet. Dennoch ist es nicht auszuschließen, dass die Ausläufer des Störungs- und Leitungssystems von Bardarbunga und Askja am Askja-Südrand miteinander verwoben sind. Diese Hypothese beruht auf Beobachtungen vor und während der Bárðarbunga-Eruption von 2014, als man im Bereich der Askja ebenfalls eine erhöhte Seismizität nebst Bodenhebung detektierte.
Seit 2021 hebt sich der Boden inmitten der Askja-Caldera um mehr als einen Meter. Der Hebungsprozess verlangsamte sich in den letzten 2 Jahren, hält aber weiterhin an. Die Seismizität ist vergleichsweise gering und der Erdstoß heute stellte das stärkste Beben seit mehreren Monaten dar: Zuletzt gab es am 26. März 2024 im gleichen Areal ein vergleichbares Erdbeben. Davor wurden 2022 und 2021 Beben mit Magnituden im Dreierbereich registriert.
Die Bodenhebung zeigt an 2 GNSS-Messstationen im Norden der Caldera (TASK und KASAC) seit einigen Wochen einen ungewöhnlich steilen Verlauf, während an der Station OLAC die Hebung relativ konstant verläuft. Seit letztem November hob sich der Boden hier um 70 mm. Die Bodenhebung wird aller Wahrscheinlichkeit nach durch eine Magmenakkumulation im Untergrund verursacht, wobei sich nicht ausschließen lässt, dass es ein überwiegend hydrothermales Phänomen ist. Askja könnte sich also auf einen Vulkanausbruch vorbereiten.
Konstant anhaltende Magmenakkumulation bei Svartsengi – Vulkanologe gibt Interview
Auf Island gibt es weiterhin Erdbeben in verschiedenen Vulkanregionen des Landes, wobei es in den letzten Tagen besonders häufig unter den beiden subglazialen Vulkanen Bardarbunga und Katla bebte und auch die Regionen Torfajökull und Hekla nicht ausgenommen blieben. Auf der Reykjanes-Halbinsel gibt es nach wie vor die meisten Beben im Krysuvik-System, wo Subsidenz registriert wird. Die Seismizität bei Svartsengi bewegt sich weiterhin auf niedrigem Niveau mit einer marginal steigenden Tendenz, während aber das westlich gelegene Reykjanessystem zunehmend unter Druck gerät.
Zu der Lage bei Svartsengi äußerte sich – nach vergleichsweise langer Medienabstinenz – der isländische Vulkanologe A. D. Þorvaldur Þórðarson gegenüber Vísir. Er meinte, dass er bei gleichbleibender Rate der Bodenhebung frühestens Ende des Jahres/Anfang nächsten Jahres mit einer neuen Eruption rechnet. Zwar sei es richtig, dass bereits jetzt – wo sich ca. 13 Millionen Kubikmeter Magma seit dem letzten Ausbruch angesammelt haben – eine Eruption stattfinden könnte, doch die vorherigen Eruptionen hätten meistens gezeigt, dass sich deutlich mehr Magma ansammeln muss, als bei der vorherigen Eruption ausgestoßen wurde.
Nun ist es so, dass bei der letzten Eruption im August nur etwas mehr als die Hälfte des bis dato neu angesammelten Magmas als Lava eruptiert wurde und noch ein vergleichsweise großer Schmelzvorrat in der Erdkruste verblieb, den man eigentlich zu dem jetzt neu dazugekommenen Schmelzvolumen zurechnen müsste. Daher ist auch eine frühere Eruption nicht unwahrscheinlich. Allerdings finde ich es im Moment auch unspektakulär ruhig bei Svartsengi, so dass ich mir eine Eruption in den nächsten Tagen nur schwer vorstellen kann.
An anderer Stelle meinte Þorvaldur, der oft wegen seiner Fehlprognosen kritisiert worden war, dass er lieber 50 Mal falsch vor einem bevorstehenden Ausbruch warne, als einmal zu wenig. Eine Einstellung, die sicherlich auch kontrovers diskutiert werden kann, von der sich aber die Verantwortlichen in den Campi Flegrei eine Scheibe abschneiden könnten. Zwar bin ich auch gegen unnötigen Alarmismus und die Verbreitung von Panik unter den Bürgern, doch Gefahren kleinzureden ist ebenfalls kontraproduktiv, wenn es um den Bevölkerungsschutz geht.
Þorvaldur geht übrigens davon aus, dass die Gefahr für Grindavik beim nächsten Ausbruch relativ gering sei, und sieht die Vulkane Askja und Katla als die nächsten isländischen Ausbruchskandidaten. Die Vorwärmphasen hier seien aber noch in einem vergleichsweise frühen Stadium. Ich würde auch Hekla zu diesen Kandidaten zählen.
Erdbebenschwarm im Süden der Blauen Lagune bei Svartsengi – Möglicherweise menschengemacht
Heute Nachmittag manifestierte sich wenige Meter südlich der Blauen Lagune ein kleiner Erdbebenschwarm aus acht Beben mit Magnituden im Bereich der Mikroseismizität, und mein erster Gedanke war: „Nanu, sollte es jetzt dort losgehen?“ Doch bei genauerer Betrachtung der Daten beruhigte sich mein Puls wieder, denn die Beben lagen sehr flach – in nur wenigen Hundert Metern Tiefe. Dieser Umstand spricht gegen einen finalen Magmenaufstieg und einen unmittelbar bevorstehenden Vulkanausbruch.
Tatsächlich liegt die Blaue Lagune in direkter Nachbarschaft zum Geothermalkraftwerk Svartsengi und ist sogar ein Nebenprodukt – ich vermeide bewusst den Begriff Abfallprodukt – der dortigen Stromgewinnung. Das warme Wasser des Thermalresorts stammt aus den Geothermiebohrungen des Kraftwerks und wird zunächst zur Stromerzeugung genutzt, bevor es abgekühlt in die Blaue Lagune geleitet wird. Eine geniale Idee, die sich die Betreiber allerdings durch horrende Eintrittspreise vergolden lassen. Von der Blauen Lagune aus ist nicht nur das Geothermalkraftwerk zu sehen, sondern zwischen beiden Standorten befinden sich Bohrungen. Die Vermutung liegt daher nahe, dass die Erdbeben durch die Verpressung von Meerwasser entstanden, das zur Gewinnung von Erdwärme und Sole genutzt wird – und nicht mit der Magmenansammlung unter dem gleichen Gebiet in Zusammenhang stand.
Faktenbox: Blaue Lagune und Svartsengi
Das Geothermalkraftwerk Svartsengi nutzt ein geothermales Reservoir, das in etwa 1–2 km Tiefe in porösen Basalten liegt.
In dieses System wird Meerwasser aus dem nahegelegenen Atlantik gepumpt.
Das Meerwasser wird im heißen Gestein bis auf ca. 240 °C erhitzt und ein überheißes 2-Phasen Gemisch aus Wasser und Dampf steigt auf. An der Oberfläche wird es zur Strom- und Warmwassererzeugung verwendet.
Nachdem der Dampf genutzt wurde, wird das abgekühlte Wasser teilweise wieder in den Untergrund injiziert, um den Druck im Reservoir zu stabilisieren – ein gängiges Verfahren bei Geothermieanlagen.
Ein Teil dieses abgekühlten Wassers gelangt in das Lavafeld neben dem Kraftwerk – und bildet dort die Blaue Lagune.
Ich persönlich finde es optimistisch, den Betrieb von Geothermalkraftwerk und Resort aufrechtzuerhalten, während sich in etwa 4 bis 5 Kilometern Tiefe rund 14 Millionen Kubikmeter Magma ansammeln, die nur darauf warten, zur Erdoberfläche durchzubrechen. Doch bisher ist die Strategie der Isländer aufgegangen. In diesen Tagen jährt sich der Beginn der Ereignisse hier zum zweiten Mal – und es deutet sich bereits der zehnte Vulkanausbruch an.
Die Bodenhebung bei Svartsengi geht unvermindert weiter, und die anomalen Messwerte von gestern sind Geschichte. Jederzeit könnte eine Eruption einsetzen, und die Vorwarnzeit dürfte gering sein.
Update: Das IMO wies darauf hin, dass die Mikrobeben durch Explosionen ausgelöst wurden, die im Rahmen von Arbeiten unangekündigt durchgeführt wurden. Um welche Arbeiten es sich handelte, wurde nicht mitgeteilt. Also „man made“ ja, aber nicht durch die Geothermie.