Die aktuelle Aktivität des Gunung Agung veranlasste ein internationales Forscherteam einen genaueren Blick auf den Vulkan zu werfen. Sie entwickelten ein neues Modell des Fördersystems, dem mindestens 2 Magmakammern zugrunde liegen. Zudem soll es mehrere kleinere Magmenreservoirs entlang des Fördersystems geben. Sie nannten des Model „multi-level magma plumbing system“. Von so einem System geht eine relativ große Gefahr aus!
Die Wissenschaftler der Universität Uppsala und des INGV untersuchten nicht nur das Fördersystem des Gunung Agung, sondern auch das des Nachbarvulkans Batur. Andere Vulkane entlang des Sundabogens wurden ebenfalls unter die Lupe genommen. Die angewandten Untersuchungsmethoden waren nicht etwa seismologischer Natur, sondern Mineralogischer. Die Forscher sammelten Lavagestein der Vulkane und untersuchten ihren Mineralbestand. Besonderes Augenmerk fiel auf die Mineralien Pyroxen und Plagioklas. Aus Druckversuchen weiß man, unter welchen Druckbedingungen diese Mineral kristallisieren. Diese Untersuchungsmethode nennt man Thermobarymetrie. Man kann anhand dieser Mineralien bestimmen, in welchen Tiefen das Magma zwischengespeichert wurde, bevor es eruptierte. Vom Batur untersuchte man Lavaproben der Eruptionen 1963 und 1974. Vom Agung war es Lava, welche 1963 eruptiert wurde. Die Pyroxene entstanden in Tiefen zwischen 10 und 22 km. Die Plagioklase kristallisierten aus dem Magma in Tiefen zwischen 4 und 8 km. Diese Daten wurden mit Ergebnissen anderer Untersuchungsmethoden korreliert.
Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass es unter beiden Vulkanen mindestens 2 Magmakammern in unterschiedlichen Tiefen gibt. Die Tiefere liegt in gut 20 km, die flacher in 5 km. Dazwischen soll es mehrere kleinere Reservoirs geben, in denen ebenfalls Schmelze kristallisiert. Die tiefere Magmakammer befindet sich in der Nähe der Moho. Jene Diskordanz, die die Grenze zwischen oberen Erdmantel und Erdkruste definiert. Die flachen Magmakammern sollen sich an der Grenze zwischen dem Grundgebirge und dem überlagernden Sedimentgestein befinden. In der unteren Magmakammer sammelt sich primäre Basaltschmelze. Solche Magmen sind dünnflüssig und weniger Gasreich. Sie eruptieren meistens in Form von Lavafontänen und Lavaströmen, wie es derzeit auf Hawaii der Fall ist. Das Magma, welches sich in der flachen Magmakammer sammelt reift zu einer mehr explosiven Mischung heran. Diese Magmen sind meist andesitisch und neigen dazu explosiv gefördert zu werden. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass von diesen Magmen eine relativ große Gefahr ausgeht und dass der Agung ein hohes Gefahrenpotenzial birgt. Zu dieser Einschätzung bin ich in einem Artikel vor einem halben Jahr ebenfalls gekommen. Interessanter Weise soll dieses Modell des Fördersystems für viele Vulkane entlang des Sundabogens gelten, einschließlich dem Krakatau. Dieser Vulkan zeichnet sich für eine der schlimmsten Vulkankatastrophen der Neuzeit verantwortlich. 1883 mischten sich wahrscheinlich 2 verschiedene Magma-Arten, was die finale Katastrophe ausgelöst haben könnte. In diesem Zusammenhang fragte Mike Schüler in unserer FB-Gruppe, ob es nicht zu einem ähnlichen Ereignis am Agung kommen könnte?! Generell erscheint dies möglich. Die Wissenschaftler gehen sogar davon aus, dass die Agung-Eruption 1963 durch so ein Ereignis ausgelöst wurde. Allerdings mischten sich unter dem Krakatau sehr wahrscheinlich Basalt mit Rhyolith, während am Agung Basalte, basaltischer Andesit und Andesite gefördert wurden. Damit Rhyolith entstehen kann, bedarf es einer großen Menge Ausgangsschmelze und viel Zeit. Auffällig ist auch, dass die tiefere Magmakammer des Krakatau deutlich unterhalb der Moho liegen soll.
Der Forschungsbericht ist noch aus einem anderen Grund, als den puren Fakten interessant. Indirekt widersprechen die internationalen Forscher den Behörden auf Bali, indem sie auf die Möglichkeit einer großen Eruption am Agung hinweisen. Die Verantwortlichen auf Bali wollen diese Gefahr herunterspielen, weil sie ansonsten weitere Einbußen im Touristengeschäft befürchten. Allerdings ist es nicht gesagt, dass sich eine große Eruption zwangsläufig ereignen muss.
Quelle: Nature, Harri Geiger et al, Elin Bäckström, Uni Uppsal