Island: Seismizität am 18. November rückläufig

Erdbebentätigkeit nimmt deutlich ab – Ausbruchsgefahr weiterhin als hoch eingestuft

Im morgendlichen IMO-Update ist zu lesen, dass die Situation am Dyke auf Island praktisch unverändert sei. In den ersten sechs Tagesstunden wurden rund 470 Erdbeben registriert. Das Stärkste kam auf M 2.2. Es ereignete sich um 06:15 Uhr nordöstlich von Hagafell. Doch seitdem hat die Seismizität deutlich abgenommen. Da sie aber immer fluktuiert, ist bis jetzt nicht klar, ob es ein langfristiger Trend ist. Den letzten Einschätzungen der IMO-Wissenschaftler zufolge bleibt das Eruptionsrisiko hoch.

Ich persönlich hielt es vor einer Woche noch für sehr wahrscheinlich, dass wir spätestens bis heute einen Ausbruch erleben würden, doch nach den neuen Erkenntnissen in Bezug auf das Rifting scheint es gar nicht mehr so sicher zu sein, ob es kurzfristig überhaupt zu einer Eruption entlang des Gangs kommen wird. In diesem Zusammenhang ist es interessant, dass ein isländischer Vulkanologe in einem Artikel schrieb, dass eine stabile Lavaschicht in weniger als 400 m Tiefe das Magma am weiteren Aufstieg hindere. Diese Lavaschicht wurde beim Abteufen des Bohrlochs durchstoßen, das bis unter den Hagafell reicht und in dem vorgestern die erhöhte Schwefeldioxid-Emission gemessen wurde. Da in dem Gebiet seit 2020 fünf Episoden mit Bodenhebungen festgestellt wurden – von denen allerdings keine an die aktuellen Geschehnisse herankam – und das Magma letztendlich doch am Fagradalsfjall eruptiert wurde, halte ich es für durchaus möglich, dass sich die Schmelze letztendlich wieder gezwungen sieht, dorthin auszuweichen und zu eruptieren. Tatsächlich gibt es am Fagradalsfjall weitere Bodenhebung, so dass sich dort auch Magma unabhängig der Dykeintrusion sammeln kann. Es is auch nicht auszuschließen, dass sich zum Schluss mehrere Eruptionsspalten an unterschiedlichen Orten öffnen werden.

Heute will sich um 13 Uhr der Krisenstab des Zivilschutzes zu einer Beratung treffen. Vielleicht gibt es danach neue Erkenntnis. Auch die Politiker beraten über mögliche Hilfen für die Grindaviknings. Es wird diskutiert, ob man ihnen helfen soll, andere Immobilien zu kaufen.

Island: Bodendeformation hält am 17.11.23 an

Weitere Bodenhebung bei Svartsengi – Geophysiker vergleicht Situation mit 1975

Heute Nachmittag kamen neue GPS-daten zur Bodendeformation herein. Demnach geht die Bodendeformation im Erdbebengebiet der Reykjanes-Halbinsel weiter. An signifikantesten war sich in den letzten Stunden im Bereich von Svartsengi, wo sich der Boden um weitere 3 mm hob. Auch der horizontale Versatz hält an. Seit Mitternacht wurden 1800 schwache Erschütterungen registriert. Die meisten manifestierten sich im Bereich des Gangs, aber es gab auch zahlreiche Erdbeben in der Keilir-Gegend.

Heute war auf der Website von RUV ein Interview mit dem Geophysiker Páll Einarsson zu lesen, der die aktuelle Situation mit Vorgängen in den 1970iger Jahren vergleicht, als es eine ähnliche Riftbildung im Norden von Island gab. Auch damals ging sie mit einer bedeutenden Magmenintrusion einher. Das Rift damals erstreckte sich ebenfalls unter besiedelten Gebiet hinweg, war allerdings deutlich größer als das jetzige. Es entwickelte sich über mehrere Monate hinweg in mehreren Schüben und gipfelte letztendlich in eine mehrjährige Eruption des Vulkans Krafla.

Die Krafla-Brände bezeichneten eine Abfolge von effusiven Vulkanausbrüchen, die sich über den Zeitraum 20. Dezember 1975 bis 18. September 1984 in der ereigneten. Während dieser Periode wurde das Krafla-Kraftwerk errichtet. Der Beginn der Bauarbeiten Mitte 1975 fiel zeitgleich mit einem deutlichen Anstieg der seismischen Aktivität in der Krafla-Region zusammen. Am 20. Dezember 1975 kulminierte diese Aktivität in einem Vulkanausbruch bei Leirhnjúk. Dieser anfänglich kleine Lavafluss markierte den Beginn der Krafla-Brände. Zuvor floss das Magma der Intrusion bis unter die Krafla-Caldera und akkumulierte sich dort.

Mit zunehmendem Druck in der Magmakammer kam es zu neun Episoden mit Lavastromtätigkeit. 24 Mal wurden Magmaintrusionen registriert. Währenddessen zeigten sich Landhebungen und Landsenkungen in und um Kräfluskja, begleitet von entsprechenden Erdverschiebungen. Das resultierende Lavafeld aus diesen Eruptionen wird als Leirhnjúk-Lava bezeichnet und bedeckt eine Fläche von 33 km².

Auch wenn man die Situation von damals nicht 1:1 mit den aktuellen Vorgängen vergleichen kann, zeigen sie doch, dass die Eruptionsgefahr hoch bleibt, selbst wenn es länger bis zum Ausbruch dauern kann als man zuerst angenommen hat.

Island: Weiterhin viele Erdbeben – Bericht vom 17.11.23

Erdbebentätigkeit auf hohem Niveau stabil – Situation bleibt angespannt

In den ersten 6 Stunden des Tages registrierte das seismische Netzwerk auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel gut 500 Erdbeben. Die stärkste Erschütterung manifestierte sich heute Morgen und hatte eine Magnitude von 3. Das Epizentrum befand sich 3,7 km nordnordöstlich von Grindavík, und das Hypozentrum wurde in 5,1 km Tiefe ausgemacht. Es lag also in der Gegend von Halgafell in einer Tiefe, in der der magmatische Gang am aktivsten ist. Die Magmenbewegungen im Gang sollen sich weiter verlangsamt haben, dennoch scheint viel Schmelze in dem beschriebenen Gebiet des Erdbebens aufzusteigen. Ein Grund, warum es bis jetzt nicht zur Eruption gekommen ist, liegt vermutlich darin, dass der Dyke länger geworden ist und nun 20 km lang sein soll. Er breitete sich vor allem an seinem Nordende aus. Der Gasdruck im Gang reicht offenbar nicht aus, um die Schmelze Richtung Erdoberfläche zu treiben. Dabei wird sie in nur ca. 400-500 m Tiefe vermutet.

Gestern unternahm man Messungen in einem Bohrloch, das zum Geothermalkraftwerk Svartsengi gehört, und detektierte Schwefeldioxidgas. Das Bohrloch wurde diagonal abgeteuft und reicht bis unter den Vulkanhügel Halgafell in einer Tiefe von 2,5 km. Manche Autoren schreiben auch, dass es in Richtung der Kraterreihe Sundhnúksgigur führt. Jedenfalls wird in dem Areal das Zentrum des Magmenaufstiegs vermutet. Das Schwefeldioxid im Bohrloch wird als Beweis dafür angesehen, dass sich in der Tiefe tatsächlich Mama akkumuliert.

Die Vulkanologen von IMO fertigten eine neue Karte an, auf der nicht nur der magmatische Gang eingezeichnet ist, sondern auch die beiden Störungszonen des Rifts, an denen sich der Boden um 25 cm absenkte. Die Subsidenz ist noch nicht abgeschlossen. Der Boden senkt sich zudem nicht nur ab, sondern driftet auch noch weiter auseinander. Es sieht so aus, als wären wir Zeugen einer tektonischen Grabenbildung geworden, die im Zusammenhang mit der Kontinentaldrift steht: Island liegt auf dem mittelatlantischen Rücken, der die divergente Naht zwischen Eurasien und Nordamerika darstellt. Während sich Europa kaum bewegt, driftet Nordamerika mit einer Rate von bis zu 2 cm pro Jahr nach Westen. Diese Krustenbewegung zerrt an Island und die Erdkruste gibt dem Stress von Zeit zu Zeit nach und reißt. Manche Forscher wie der in den USA lebende Vulkanologe Haraldur Sigurðsson sehen diesen Prozess als Grund für die Bildung des Rifts an und nicht die Intrusion des Magma. Das Magma schoss demnach nach oben, als sich der Spalt aufgrund der tektonischen Kräfte öffnete, und verfügt demnach (noch) nicht über genug Gasdruck, als dass es eruptieren könnte. Gesteinsschmelze ist zwar leichter als das feste umgebende Gestein und steigt wie ein Korken im Wasser auf, doch dieser Dichteunterschied ist in ca. 5 km Tiefe ausgeglichen, weshalb sich dort normalerweise die obersten Magmenkörper bilden. Für den weiteren Aufstieg muss der Gasdruck in der Schmelze größer als der Umgebungsdruck sein, was bis jetzt scheinbar nicht der Fall ist.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich der Graben aufgrund tektonischer Prozesse formierte, dürfen wir nicht vergessen, dass sich bereits vor letzter Woche Freitag, als sich der Riss öffnete, Magma im Untergrund ansammelt. Diese Magmenakkumulation scheint unabhängig der Grabenbildung weiter zu gehen, denn die GPS-Messungen zeigen wieder eine Bodenhebung in Gegenden außerhalb des Grabens an. Vor allem hebt sich der Boden im Bereich vom Fagradalsfjall. Daher könnten wir auch dort bald wieder einen Vulkanausbruch sehen.

Entlang des magmatischen Gangs besteht weiterhin eine hohe Ausbruchsgefahr. Einige isländische Vulkanologen meinen, dass diese für die nächsten 2 Wochen hoch bleibt. Sollte es bis dahin nicht zu einem Ausbruch gekommen sein, würde die Gefahr abnehmen.

Island: weitere Magmenakkumulation im Dyke

Weiterer Magmenzustrom im Dyke auf Island – Ausbruchsgefahr bleibt hoch

Heute Nacht ließ die Erdbebenaktivität auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel weiter nach und es wurden gut 400 schwache Erschütterungen detektiert. Damit bewegt sich die Aktivität immer noch auf hohem Niveau. Das Messsystem wird auf Reykjanes weiter ausgebaut und die so erlangten Daten werden immer genauer, so dass ein möglich detailliertes Modell der Geschehnisse im Untergrund erstellt werden kann. Zur Datenerhebung nutzt man nun auch ein Glasfaserkabel, das von Svartsengi westlich von Þorbjörn nach Arfadalsvík verläuft. Es werden kleinste Längenänderungen des Kabels gemessen, die einerseits durch Erdbeben verursacht werden können, andererseits auch durch Bodendeformationen zustande kommen. Hierbei handelt es sich um eine neue Technologie, die in den letzten Jahren entwickelt wurde und nun in Zusammenarbeit mit HS Orku und ETH in der Schweiz als zusätzliche Messungen eingesetzt wird. Tatsächlich wird man nächstes Jahr auch mit einem Glasfaserkabel am Fuego in Guatemala experimentieren, wobei die Infrastruktur um unsere Livecam mit genutzt wird.

Auf Island fand man heraus, dass der Magmenstrom aus der Tiefe in den Dyke hoch bleibt und ca. 75 Kubikmeter pro Sekunde beträgt. Zum Vergleich: Während der Bardarbunga-Eruption in 2014 betrug die durchschnittliche Förderrate der Eruption 90 Kubikmeter pro Sekunde. Man kann zwar den unterirdischen Zustrom und den oberirdischen Abfluss der Schmelze nicht 1:1 vergleichen, doch es gibt eine ungefähre Vorstellung, was sich da unter Reykjanes zusammenbrauen könnte. Die Forscher sind sich inzwischen ein wenig uneinig über die Größenscala der zu erwartenden Eruption, aber so etwas gehört offenbar zum wissenschaftlichen Diskurs dadurch und zeigt, wie schwer Prognosen zu Vulkanausbrüchen sind.

Einer, der sich heute Morgen in einem Zeitungsinterview bei MBL zu Wort meldete, war Ármann Höskuldsson, Vulkanologe am Institut für Geowissenschaften der Universität Island. Er geht davon aus, dass der erwartete Ausbruch innerhalb von 2 Wochen beginnt. Er meint, dass es noch offen ist, wo die Eruption stattfinden wird. Die wahrscheinlichste Austrittsstelle liegt 3 km nördlich von Grindavik, aber Ármann bringt auch die Öffnung einer Eruptionsspalte bei Eldvörp ins Spiel. Auch an anderen Orten jenseits des Hauptgangs gibt es weitere Bodenhebungen. Wir erinnern uns, dass sie ja sogar im letzten Monat dort angefangen haben und dass frühe Modelle die Bildung mehrerer horizontaler Sills zeigten. Diese Lavalinsen erhalten offenbar auch noch Nachschub, und es ist nicht auszuschließen, dass die Grindavikings einen Mehrfrontenkrieg gegen die Lava werden führen müssen.

Der Forscher rechnet auch damit, dass in den nächsten Jahren die anderen Spaltensysteme auf Reykjanes aktiv werden. Als Motor für die Geschehnisse nennt er das Rifting entlang der kontinentalen Naht zwischen Europa und Nordamerika, auf der Island liegt.

Apropos Grindavik: Laut dem Blog „Iceland Geology“ beschleunigte sich gestern die Bodensenkung in Grindavik von 7 cm auf 12 cm am Tag. Teile der Stadt drohen im Meer zu versinken. Gestern Abend kam es auch zu einem großflächigen Stromausfall, von dem fast die Hälfte Grindaviks betroffen war. Möglicherweise kappte die Erdbewegung die Hauptstromleitung. Heute will man versuchen, den Schaden zu beheben.

Aufgrund der zahlreichen Cyberattacken muss ich die Kommentare hier im Blog geschlossen halten. Ihr habt aber die Möglichkeit in der Community von Vnet zu diskutieren. Hier habe ich ein Thema zu Island geöffnet.

Island: Magma in 400 m Tiefe vermutet

Erdbebentätigkeit bleibt stabil – Magma soll weiter aufsteigen

Aus dem isländischen Erdbebengebiet gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht lautet, dass sich die Magmenbewegungen im Dyke entschleunigt haben. An den Enden des Magmaschlauchs soll die Bewegung der Schmelze sogar fast ganz aufgehört haben. Ein Indiz dafür, dass sich das Magma abkühlt. Die schlechte Nachricht ist, dass weiterhin Magma aufsteigt, und zwar sowohl aus der Tiefe bis in den Dyke als auch vom Dyke weiter Richtung Oberfläche.

Neuen Analysen zufolge soll sich das Magma heute Morgen in gut 400 m Tiefe befunden haben und langsam weiter aufsteigen. Die Aktivität konzentriert sich auf einen Bereich bei der vulkanischen Erhebung Hagafell, die gut 3 km nördlich von Grindavik liegt und sich damit fast auf Augenhöhe mit dem bekannteren Thorbjörn befindet. Daher halten Experten nun diesen Bereich für einen möglichen Eruptionsort. Völlig offen ist noch, wie groß eine vermeidliche Spalte letztendlich wird. Doch auch hier zeigen sich einige Wissenschaftler vorsichtig optimistisch und nehmen ihre Prognosen für ein wahrscheinliches Worst-Case-Scenario ein Stück weit zurück. So sagte Freysteinn Sigmundsson, ein Geowissenschaftler der Uni Reykjavik, dass er nun etwa mit einer Eruption in der Größenordnung der ersten Fagradalsfjall-Eruption rechnet. Grund für die Herabstufung seiner persönlichen Einschätzung des Eruptionsrisikos sei die deutlich verringerte Magmenbewegung innerhalb des Dykes.

Den Bewohnern von Grindavik, die in den letzten beiden Tagen noch nicht zu ihren Wohnungen zurückkehren konnten, wurde heute ein Besuch des Ortes gestattet, damit sie ihre beweglichen Güter bergen könnten. Offenbar waren die Schwefeldioxid-Konzentrationen in der Nacht wieder zurückgegangen, nachdem sie gestern Mittag deutlich angestiegen waren. Interessant ist vielleicht auch, dass hier neue Messtationen eingerichtet wurden, die die Gaskonzentration großräumiger erfassten, als es kleine Handgeräte machen. Die Konzentration des Gases in der Luft ist nicht nur von seiner Emissionsrate abhängig, sondern natürlich auch vom Wind und Regen, die das Gas verteilen bzw. auswaschen können.

Island: Seismizität am 15.11.23 leicht rückläufig

Seismizität hat leicht abgenommen – Ausbruchsgefahr bleibt bestehen

Zwischen Mitternacht und heute Morgen um 8 Uhr ereigneten sich gut 600 schwache Erdbeben im Bereich des magmatischen Gangs auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel. Das sind immer noch sehr viele Erdbeben, aber etwas weniger als wir in den vergangenen Tagen gesehen haben. Die stärksten Erdbeben hatten Magnituden im 2er-Bereich, sodass die freigesetzte Gesamtenergie geringer ist als in den vergangenen Tagen. Nichtsdestotrotz akkumuliert sich weiter Magma im Gang, was sich auch in weiteren Bodendeformationen widerspiegelt, wobei es ein recht inhomogenes Bild gibt: Während in Grindavik der Boden weiter absackt, hebt er sich bei Svartsengi und im Süden des Fagradalsfjall an. An den meisten Stationen wird eine anhaltende horizontale Bodenverschiebung um mehrere Millimeter pro Tag registriert.

Nachdem gestern Nachmittag Grindavik aufgrund erhöhter Schwefeldioxid-Konzentrationen geräumt wurde, wartet man heute noch auf das O. K. der Behörden, damit die Bewohner des Ortes für einige Stunden in ihre Wohnungen zurückkehren können, um ihre Sachen zu bergen. Offenbar gibt es auf Island eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden, so dass die meisten Betroffenen letztendlich abgesichert sind und nicht vor einem finanziellen Ruin stehen, wenn sie ihre Häuser komplett verlieren sollten. Der Wert der versicherten Immobilien in Grindavik wird auf 14 Milliarden ISK geschätzt, was 90 Millionen Euro entspricht.

IMO-Wissenschaftler kommentierten gestern, dass das Schwefeldioxid dem Magma im Gang entströmt. Die Schmelze müsse in einer Tiefe von weniger als 500 m stehen, damit das Gas die Erdoberfläche erreicht. Natürlich kann aber auch Gas aus größerer Tiefe aufsteigen, wenn es offene Risse gibt, die bis zur Oberfläche durchdringen. Die meisten Erdbeben spielen sich weiterhin in der Tiefe der Hauptintrusion ab und zeigen keinen Magmenaufstieg zur Oberfläche an.

Die beiden Forscher Kristín Jónsdóttir, Seismologe am Isländischen Meteorologischen Amt, und Freysteinn Sigmundsson, Geowissenschaftler an der Universität Island, diskutierten gestern im Fernsehen über die Naturkatastrophe in Grindavík. Sie meinten, dass die Evakuierung von Grindavik mindestens ein paar Wochen andauern werde, selbst wenn es nicht zu einem Vulkanausbruch kommen wird. Es wird ein schwieriger Entscheidungsprozess werden, den Menschen eine Rückkehr zu erlauben. Grundvoraussetzung dazu sei, dass der Magmenzustrom im Untergrund stoppt. Aber selbst dann sitzt man in Grindavik auf eine tickende Zeitbombe. Im Zuge der Diskussion wurde auch klar, dass selbst die führenden Wissenschaftler auf Island nicht genau wissen, was im Untergrund abläuft und welches Ausmaß die zu erwartende Katastrophe annehmen wird.

Was mir in all den Berichten zu kurz kommt, ist eine Einschätzung der Situation in Bezug auf die zu erwartenden Gasemissionen auf Reykjanes und in Südisland. Schließlich lebt hier der größte Teil der Inselbevölkerung. Zwischen Grindavik und der Hauptstadt Reykjavik liegen gerade einmal 40 km Luftlinie. Zwar herrschen normalerweise Windrichtungen vor, die das Gas von der Hauptstadt fernhalten würden, doch bei ungünstigen Wetterlagen hat man im Worst-Case-Fall schon mit starker Beeinträchtigung zu rechnen.

Die meisten Forscher sind sich einig, dass ein Vulkanausbruch droht, der viel, viel größer werden könnte als das, was man in den letzten Jahren auf Reykjanes gesehen hat. Wie schlimm so ein Ausbruch werden kann, zeigt die Laki-Eruption von 1783. Hier öffnete sich eine mächtige Eruptionsspalte über dem Island-Mantelplume. Während des Initialstadiums war die Spalte 12 km lang (der aktuelle Gang hat eine Länge von mindestens 15 km) und erweiterte sich im Laufe der mehrmonatigen Eruption auf 27 km Länge. Damals zogen die Gaswolken bis nach Irland und England und lösten eine Kälteperiode aus. Tausende Menschen verhungerten und selbst in Deutschland gab es ungewöhnlich strenge Winter mit anschließendem Hochwasser.

Statistisch gesehen dürfte es gar nicht zu so einem starken Ausbruch kommen, denn erst vor 2 Jahren erlebte die Welt die Hunga Tonga-Hunga Ha’apai Eruption, die das Klima beeinflusst. Solche Eruptionen kommen bestenfalls alle paar Jahrzehnte vor. Aber was stören sich Vulkane an Statistiken?

Island: erhöhte Schwefeldioxid-Emissionen am 14.11.23

Räumung von Grindavik aufgrund erhöhter Schwefeldioxid-Konzentrationen – Magma dring weiter in den Dyke ein

Wie vor wenigen Minuten bekannt wurde, wird der Ort Grindavik erneut geräumt, und die Menschen, die tagsüber zu ihren Häusern und Wohnungen durften, um ihre Sachen zu bergen, wurden aufgefordert, den Ort umgehend zu verlassen. Diese Anordnung stammt vom Zivilschutz und wird vom Polizeichef der Region umgesetzt. Es wird betont, dass es sich nicht um eine Notfallevakuierung handelt, sondern um eine Vorsichtsmaßnahme aufgrund einer möglichen Gesundheitsgefährdung wegen zu hoher Schwefeldioxid-Konzentrationen in der Luft. Diese wurde von IMO-Mitarbeitern heute Nachmittag detektiert. Es stellt sich die Frage, ob man erst heute mit den Messungen angefangen hat, oder ob die SO2-Konzentration bereits seit Beginn des Geschehens erhöht ist? Sollte die Konzentration jetzt erst steigen, würde das die Vermutung nahelegen, dass Magma weiter aufgestiegen ist.

Auf Videoaufnahmen der bekannten Fraktur nahe des Sportzentrums von Grindavik war schon vorgestern zu sehen, dass Dampf aus dem Riss aufstieg. Unklar ist, ob es sich um fumarolischen Dampf aus der Erdspalte handelte, oder ob eine Fernwärmeleitung unter der Straße geborsten ist und der Dampf vielleicht daher stammte.

Als gesichert sehen Experten den Umstand an, dass weiter Magma in den Gang eindringt. Die Quelle wird im Bereich der meisten Erdbeben vermutet, die sich ca. 3,5 km nordnordöstlich von Grindavik ereignen. IMO veröffentlichte vorhin neue Modellrechnungen, nach denen der Magmenzufluss 75 Kubikmeter pro Sekunde beträgt. Das ist schon eine ordentliche Hausnummer und übersteigt die Magmenakkumulation der ersten und stärksten Fagradalsfjall-Eruption um ein Vielfaches. Wir dürfen gespannt sein, wie die Geschichte weitergeht. Da der Magmenzustrom in der Tiefe anhält, sehe ich nur eine geringe Chance, dass es für die Betroffenen gut endet. Mit anderen Worten, ich rechne noch mit einem Vulkanausbruch, und je länger er auf sich warten lässt, desto stärker könnte er werden. Eine gesicherte Erkenntnis ist das aber nicht!

Island: Bildung eines Grabenbruchs bei Grindavik

Seismizität auf hohem Niveau stabil

Datum 14.11.23 | Zeit: 03:59:28 UTC | Lokation: 63.867 ; -22.407 | Tiefe: 3,5 km | Mb 3,1

Die Erdbebentätigkeit auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel befindet sich weiterhin auf einem deutlich erhöhten Niveau, zeigt sich aber von seiner stabilen Seite. Das heißt, dass es weiterhin viele schwache Erdbeben gibt (500 waren es während der Nacht), dass aber ein neuer Bebenschub ausgeblieben ist. Das stärkste Erdbeben hatte heute Nacht eine Magnitude von 3,1 und lag nördlich von Grindavik, etwa dort, wo man die größte Magmenansammlung vermutet. In den letzten 48 Stunden gab es nur 6 Erschütterungen im Dreierbereich. Bei der Vielzahl der registrierten Erdbeben handelt es sich um sehr schwache Mikrobeben. Die Erdbeben sind Symptome von starken Bodendeformationen, die sich in den letzten Tagen auf Reykjanes zutrugen. Sie sind wahrlich epischen Ausmaßes und wurden auf Island in diesem Umfang noch nicht mit modernen Messinstrumenten dokumentiert.

Mysteriöse Bodendeformationen auf Reykjanes

Bereits gestern Abend erwähnte ich kurz, dass man mit Hilfe neuer satellitengestützter Radarmessungen eine Depression in Form eines Grabens entdeckte, der quer durch Grindavik zieht und der Spur der Magmenintrusion folgt. In den ersten Artikeln isländischer Medien hieß es dazu, dass es einen horizontalen Versatz von einem Meter gegeben hätte, sich der Boden also seitwärts verschoben hat. Doch auf dem abends bei IMO veröffentlichten Interferogramm sieht man, dass es sich in der Tat um eine vertikale Bodenabsenkung von 1 m Tiefe handelt, obwohl es natürlich auch den horizontalen Versatz von 120 cm gibt, der bereits am Samstag entdeckt wurde.

Die neu entstandene Grabenstruktur ist alles andere als klein: die Zone mit der größten Bodenabsenkung von bis zu 1 m misst ca. 5 x 2 km und streicht in Richtung Nordost-Südwest. Bezieht man die Randbereiche der Depression mit ein, dann misst sie ca. 10 x 5 km. Die Radardaten werden mittlerweile durch neue GPS-Messungen gestützt, die ebenfalls gestern Abend veröffentlicht wurden. Dies erklärt auch die großen Bodenhebungen von ca. 20 cm, die die GPS-Daten bereits vorgestern im Bereich vom Fagradalsfjall anzeigten: während der Boden entlang der Depression absackte, wurden die Randbereiche angehoben. Nicht ganz einleuchtend ist der Umstand, dass man nach dem Interferogramm vom Samstag von Bodenhebung sprach, ohne die Grabenstruktur zu entdecken.

Die offiziellen Modelle gehen davon aus, dass die Depression durch die Intrusion des magmatischen Gangs verursacht wurde, indem er den Untergrund auseinanderdrückte und sich der Boden über der Intrusion absenkte. Vielleicht wird aber auch umgekehrt ein Schuh draus: Es gab einen tektonischen Riftingprozess und der so entstandene Riss wurde von unten durch Magma gekittet.

Wie auch immer, es haben große Bodenbewegungen stattgefunden und auf Island rechnet man immer noch mit einem Vulkanausbruch. Allerdings rudern einige Forscher mittlerweile etwas von den Worst-Case-Szenarien zurück. Interpretiert man die aktuellen Erdbeben als magmatischen Ursprungs, finden die stärksten Magmenbewegungen ca. 3,5 km nordnordöstlich von Grindavik statt. Sie konzentrieren sich auf die Kraterreihe östlich von Thorbjörn. Sollte es dort zu einer größeren Eruption kommen, könnte der Westrand der Stadt von Lava verschont bleiben. Glück könnten dann auch das Geothermalkraftwerk und die Blaue Lagune haben. Doch auf Glück will man sich auf Island nicht verlassen, denn es wurde ein Gesetz verabschiedet, das den Bau von Schutzanlagen genehmigt.

Island: Bebentätigkeit weiterhin hoch – News vom 13.11.23

Bebentätigkeit auf Reykjanes weiterhin hoch – Bodenhebung verlagerte sich Richtung Fagradalsfjall

Die Seismizität unter der isländischen Halbinsel Reykjanes ist weiterhin hoch. In den ersten sechs Tagesstunden registrierte IMO gut 500 schwache Erschütterungen mit Magnituden unter drei. Gegenüber dem Vortag hat die Seismizität leicht abgenommen. Die meisten Erschütterungen ereignen sich entlang des magmatischen Gangs. Es werden aber auch Erdbeben offshore am Reykjanes-Ridge bei der Insel Eldey festgestellt.

Neue GPS-Daten aus dem Bereich Grindavik stehen aus, aber gestern Abend wurden Messungen anderer Stationen veröffentlicht, die vor allem im Bereich des Fagradalsfjall erstaunliche Bodenhebungen von bis zu 20 cm zeigten. Unklar ist, ob es sich hierbei um Auswirkungen des magmatischen Gangs weiter westlich handelt, oder ob sich hier weiteres Magma akkumulierte. Auch Messfehler wären denkbar. Die nächsten Messungen werden ein Stück Klarheit schaffen.

Nach wie vor ist eine Eruption entlang des Gangs sehr wahrscheinlich. Die Vulkanologen rechnen aber mittlerweile eher mit einem Ausbruch innerhalb der nächsten Tage als in den nächsten Stunden. Man sammelt neue Daten für eine Neubewertung der Situation.

Inzwischen durften Bewohner von Þórkötlustaðahverfi im östlichen Teil von Grindavík zu ihren Häusern kurzzeitig zurückkehren, um ihre Sachen zu bergen und Haustiere einzusammeln. Die Menschen müssen sich darauf einstellen, länger nicht mehr in ihre Häuser zurückzukehren, selbst wenn ein Vulkanausbruch erst einmal ausbleiben sollte. Es dauert Monate bis Jahre, bis der Dyke soweit abgekühlt ist, dass von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Was bleibt, sind die strukturellen Schäden der Stadt. Diese sind größer als zunächst angenommen: Durch Erdbeben und Intrusion bildete sich ein Riss in der Erdkruste, der quer durch die Stadt verläuft. Dabei machte er vor Straßen, Leitungen und Gebäuden keinen Halt. Man muss sich die Frage stellen, ob Grindavik nicht aufgegeben werden muss.

Die Ereignisse zeigen auch, dass es auf Reykajnes praktisch keinen dauerhaft sicheren Platz für eine Siedlung gibt. Letztendlich ist die gesamte Halbinsel vulkanischen Ursprungs und tektonisch äußerst aktiv: sie liegt auf einem Teil des Mittelatlantischen Rückens, der sich in Form des Reykjanes-Ridge aus dem Ozean erhebt und von West nach Ost die Halbinsel quert.

Schon zu Beginn der Tätigkeit in 2021 haben Forscher darüber spekuliert, dass man auf der Reykjanes-Halbinsel mit mehreren Dekaden vulkansicher und tektonischer Unruhe rechnen muss. Offenbar könnte die Aktivitätsphase sehr heftig werden. Was noch passieren könnte, ist absolut unkalkulierbar. Für Island ein schwerer Schlag. Zogen die ersten drei Eruptionen am Fagradalsfjall noch viele Touristen an, könnte eine gefährlichere Aktivität, von der auch der internationale Flughafen betroffen werden könnte, Touristen dauerhaft vergraulen. Mal abgesehen von enormen Schäden, die an der Infrastruktur drohen und unter denen die Einheimischen am meisten leiden werden.