Das Mittelmeer verfügt über eine vielfältige geologische Entstehungsgeschichte und stellt den verbliebenen Teil des ehemaligen Tethys-Meeres dar, das einst Pangäa umgab. Im Osten des Mittelmeers ist immer noch Erdkruste aus der Tethys-Meerzeit vorhanden, die mit einem Alter von 300 Millionen Jahren zu den ältesten der Welt zählt. Die Entstehung des Mittelmeeres begann mit dem Auseinanderbrechen von Pangäa und ist eng mit der Bildung junger Faltengebirge im heutigen Mittelmeerraum verbunden. Die Kollision der beiden großen Kontinente Afrika und Eurasien führt dazu, dass Afrika unter Eurasien absinkt und subduziert wird. Die aktivsten Subduktionszonen befinden sich im östlichen Mittelmeerraum vor der Türkei und Griechenland sowie im zentralen Mittelmeer vor Sizilien, wo Vulkanausbrüche und Erdbeben auf die geologischen Prozesse im Untergrund hinweisen. Im westlichen Mittelmeer vor Frankreich und Spanien gibt es zwar keine aktiven Vulkane, aber dennoch Erdbeben, wenn auch nicht so viele wie im Osten. Dies war jedoch nicht immer der Fall. Kürzlich haben Forscher festgestellt, dass die Subduktion im Westen des Mittelmeeres früher aktiver war als heute. Dabei entdeckten sie ein Fragment umgekippter Erdkruste, das im Erdmantel steckt und auf dem Kopf steht.
Erdbeben im Erdmantel liefern Hinweise auf kopfstehende Krustenplatte
Das Forscherteam um Meghan S. Miller (Australian National University) und Daoyuan Sun (University of Science and Technology Hefei) untersuchte die Daten tiefer Erdbeben im westlichen Mittelmeer und konzentrierte sich insbesondere auf die Datenanalyse eines Erdbebens mit einer Magnitude von 6,3, das im Jahr 2010 bei Granada stattfand. Das Besondere an diesem Beben war seine Tiefe von mehr als 600 Kilometern, was darauf hindeutet, dass es sich im Erdmantel manifestierte. Dieses Beben war nicht das einzige tiefe Mantelbeben in der Region, denn seit 1954 gab es sechs vergleichbare Beben. Die Wissenschaftler identifizierten schnell eine vertikale seismische Lücke in Tiefen zwischen 150 und 600 Kilometern. Darüber hinaus verhielten sich die von einem dichten seismischen Netzwerk in Spanien und Marokko aufgezeichneten Erdbebenwellen ungewöhnlich und waren teilweise viel zu langsam. Die Signale zeigten zudem im Seismogramm eine Nachschwingung.
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die Erdbeben von einem Stück subduzierter Ozeankruste der Alboran-Platte ausgehen, das weit in den Erdmantel hinabreicht und sich unter dem Betischen Küstengebirge im Süden Spaniens befindet. Da die Erdbebenwellen teilweise zu langsam waren, vermuteten die Forscher, dass es eine Niedriggeschwindigkeitsschicht gibt, die auf wasserhaltige Gesteine hinweist, wie sie normalerweise nur auf der Oberseite subduzierter Erdkruste vorkommen. Durch Modellrechnungen fanden sie heraus, dass diese Niedriggeschwindigkeitsschicht nun unten liegt. Daher gehen die Forscher davon aus, dass das Stück subduzierter Kruste im Erdmantel umgekippt ist und die Unterseite schräg nach oben zeigt.
Es wird vermutet, dass die umgestürzte Platte ursprünglich nach Norden subduzierte und dann durch Plattenrückzug und Andocken an den iberischen und afrikanischen Kontinentalrändern gebildet wurde. Eine genauere Untersuchung der Plattenstruktur ist entscheidend, um die tektonische Entwicklungsgeschichte der Mittelmeer-Subduktionssysteme besser zu verstehen. (Quelle: GSW)