Stromboli: einmal hin und wieder zurück
In der 2. Woche der Herbstferien 2023 unternahm ich mit meinem Sohn Leroy einen spontanen Kurzurlaub auf den Liparischen Inseln nördlich von Sizilien. Hauptziel war natürlich der Stromboli. Nachdem ich mit dem mittlerweile elfjährigen Leroy bereits Pfingsten am Ätna war, dachte ich, es sei an der Zeit, dass er einmal glühende Lava sieht, sei es auch nur aus der Ferne. So brachen wir frühmorgens am Sonntag auf und mussten uns erst einmal über die marode Infrastruktur unseres Landes aufregen, da nämlich keine Züge zwischen Oberhausen und dem Düsseldorfer Flughafen verkehrten. Ausgerechnet zur Ferienzeit wurden die jahrelang vernachlässigten Gleisanlagen der Bundesbahn saniert, zur Freude tausender Urlauber. Anstatt 20 Minuten mit der Bahn zu fahren, mussten wir gut eine Stunde in einem Schienenersatzverkehr-Bus verbringen. Zum Glück hatte ich diesen Umstand bereits am Vortag erfahren und konnte die verlängerte Fahrtzeit einplanen.
Unser Flugzeug startete um 8 Uhr, und wir sahen aus dem kleinen Fenster nicht nur die Alpen, sondern auch die Campi Flegrei, den Vesuv und den Golf von Neapel sowie Capri und Ischia. Im Landeanflug auf Catania kamen wir dem Ätna sehr nahe. Da wir aufgrund der unverschämten Flugpreise, bei denen man jedes Gepäckstück separat buchen muss, nur mit unseren Handgepäckrucksäcken unterwegs waren, konnten wir direkt zum Autoverleiher eilen, den Mietwagen übernehmen und nach Milazzo fahren. Dort parkten wir den Wagen in einer Mietgarage und begaben uns zum Hafen. Paradoxerweise ist diese Art der Anreise zu den Inseln immer noch günstiger als mit dem Taxi zu fahren. Zwar verkehren auch Busse zwischen Catania und Milazzo, aber da das letzte Tragflächenboot nach Stromboli um 14:30 Uhr ablegt, schafft man es an einem Tag nur, wenn man sehr früh am Flughafen ankommt. Das nächste Tragflächenboot ging um 14 Uhr, und wir schafften es pünktlich dorthin.
Für Leroy war es die erste Fahrt in einem Tragflächenboot, und entsprechend groß waren seine Erwartungen. Natürlich wurden sie gedämpft, als er merkte, dass sich nur der Bug des Schnellbootes etwas hob und das Gefühl des Fliegens einfach ausblieb. Nichtsdestotrotz erreichten wir Stromboli gegen 16:30 Uhr. Tatsächlich war die Insel deutlich voller, als ich erwartet hatte, und am Hafen stand dieses Mal kein Pensionsvermieter, der uns abschleppen wollte. So mussten wir zunächst in den Ort hineinmarschieren und uns ein Zimmer in einer mir bekannten Pension besorgen. Leider waren alle Zimmer ausgebucht, und wir erhielten nur eines für eine Nacht. Also schaute ich schnell in einer bekannten Hotel-App nach, wo ich ein tolles Angebot fand: ein 4-Sterne-Hotel am Strand mit Swimmingpool und einer terrassierten Anlage. Das Hotel war deutlich reduziert und lag somit in unserer Preisklasse, also buchte ich es für die nächsten 2 Nächte. Dann gingen wir zu meiner Lieblingspizzeria und genossen eine leckere Pizza aus dem Holzofen. Nach dem Essen wäre ich natürlich am liebsten zu einem der Aussichtspunkte am Vulkan gegangen, aber Leroy schlossen sich nach der 12-stündigen Anreise langsam die Augen, so dass wir beschlossen, ein paar Stunden zu schlafen und dann um 4 Uhr morgens zum Vulkan zu gehen. Kaum im Bett hörte ich das unverkennbare Geräusch einer großen Drohne, die mehrmals startete und landete. Außerdem schepperte es ein paar Mal ordentlich, als Druckwellen der Explosionen oben am Krater Türen und Fensterläden zum Klappern brachten. Mir war klar, dass ich am Vulkan etwas verpassen würde. Tatsächlich war es wieder zu einem Lavaüberlauf gekommen, den ich genauso wie im März, als ich mit Manfred auf Stromboli war, verpasste!
Gegen 4:15 Uhr machten Leroy und ich uns auf den Weg zum Vulkan. Im Licht der Taschenlampen durchquerten wir Stromboli-Ort und erreichten nach 25 Minuten den Schilfgürtel, der den Beginn der alten Aufstiegsroute zum Vulkan markierte. Je näher wir der Sciara del Fuoco kamen, desto mehr schob sich der Krater in unser Sichtfeld, und wir konnten bald erste rot illuminierte Wolken am Nachthimmel glühen sehen. Ein paar Minuten später gab der Grat der Cima den Blick auf den Krater frei. Und da war sie dann, die erste strombolianische Eruption, die Leroy sehen sollte. Eine rotglühende Fontäne aus Tephra schoss in die Luft, begleitet vom zeitverzögerten Grollen der Explosion. Ich bemerkte, dass ihn nicht nur Freude überwältigte, sondern dass ihm auch ein bisschen mulmig zumute war, da wir die einzigen waren, die zu dieser Zeit am Vulkan unterwegs waren. Als wir uns den gepflasterten Serpentinenweg zum Aussichtspunkt auf 290 Höhenmeter hinarbeiteten, kam dann auch die Frage: „Bist du sicher, dass hier kein pyroklastischer Strom hinunterkommen kann?“ Definitiv habe ich ihm zu viele Ausbruchsvideos gezeigt! Nach einer weiteren halben Stunde erreichten wir die Quota 290, das Ende des legalen Aufstiegsweges, den man ohne Führer beschreiten darf. Da ich ja als gutes Vorbild agieren muss, beendeten wir hier unseren Aufstieg und warteten auf die Morgendämmerung. Der Lavaüberlauf hatte bereits wieder gestoppt, aber der nördlichste Förderschlot spuckte ununterbrochen Lava. Die Eruptionen erfolgten in relativ kurzen Abständen.
Ein Smartphone, eine Kamera und eine herbe Enttäuschung!
Ab und zu trat auch ein Schlot im südlichen Kraterbereich in die eruptive Tätigkeit ein. Hier wurden die glühenden Schlacken kleiner fragmentiert, und es wurde auch Asche eruptiert, die gelegentlich bis über den Pizzo aufstieg. Solche Eruptionen waren auch vom Ort aus sichtbar. Das Wetter war deutlich besser als im März, und selbst in den kältesten Stunden kurz vor der Morgendämmerung kam ich mit einem dünnen Langarmshirt und meiner Weste aus. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, ausführlich zu testen, wie weit man mit einem Smartphone der Oberklasse in Sachen Vulkanfotografie kommt, also befestigte ich mein Samsung in der Stativhalterung. Leider rastete das Phone nicht richtig ein und fiel aus der Halterung, als ich das Stativ justieren wollte. Es schlug natürlich mit dem Display auf die scharfkantige Lava und erlitt eine ordentliche Macke, allerdings ohne zu reißen, was meiner guten Vulkanlaune einen Dämpfer versetzte. Anstatt meine Testserie zu schießen, zog ich es vor, die große Kamera herauszuholen und sie vom Stativ aus zu benutzen. Mit dem Smartphone machte ich Aufnahmen aus der Hand und stellte bei näherer Betrachtung fest, dass die Nachtaufnahmen deutlich schlechter waren als die, die ich im März mit meinem vier Jahre alten Huawei gemacht hatte. Die KI des Samsung agierte willkürlich und ließ Details weg oder fügte sie nach Belieben hinzu. Was herauskam waren Bilder voller seltsamer Artefakte. Was für eine herbe Enttäuschung! Dennoch muss man sagen, dass es erstaunlich ist, wie gut die Bildstabilisierung funktioniert, denn als wir morgens wieder unten im Dorf waren und ein paar Szenen mit Leroy beim Gehen drehten, wirkten die Aufnahmen, als wären sie mit einem Führstativ gemacht.
Neben dem Smartphone wollte ich auch die Lowlight-Fähigkeiten meiner neuen Panasonic-Vollformat-Ausrüstung ausprobieren und wurde auch hier auf der Videoseite auch ein wenig enttäuscht. Bei Aufnahmen „out of the box“ rauschte das Bild bei 6400 ISO Verstärkung unangenehm, wobei die Bildstabilisierung auch hier gut funktionierte. Sieht man hier einen Trend? Als es hell genug war, starteten wir unsere kleine Drohne und flogen mit ihr in Richtung Krater. Leider reichte es von Quota 290 nur bis auf Augenhöhe mit den Förderschlöten, so dass wir die Drohne nicht höher steigen lassen konnten, um von oben in den Krater zu filmen. Alles, nix Halbes und nix Ganzes, mit dem Beigeschmack von verschaltem Wasser und abgestandenem Kaffee, in dem dreckige Socken ausgewaschen wurden. Was für Leroy ein kleines Abenteuer war, nahm mir jede Motivation. Nächstes Mal muss ich wieder zum Pizzo hinaufsteigen, so geht es nicht!
Kurz nach Sonnenaufgang machten wir uns auf den Rückweg. Leroy gefiel die Wanderung bei Tageslicht besser als im Schein der Taschenlampen und genoss den Ausblick über den Schilfgürtel, der sich nach dem verheerenden Feuer im Mai letzten Jahres wieder recht gut erholt hatte, bis weit hinaus aufs Meer. Im Ort angekommen, frühstückten wir ausgiebig in der Pension und wechselten dann zu unserem 4-Sterne-Hotel. Die Anlage war toll, und wir genossen das Baden im Pool, der stilecht mit Basaltplatten eingefasst war. Das Frühstück am nächsten Morgen im Hotel war jedoch recht bescheiden im Vergleich zu dem, was uns der Pensionswirt aufgetischt hatte. Dafür konnten wir nach dem Überqueren der Uferpromenade direkt ins Meer springen, das überraschend warm für den Oktober war. Abends machten wir noch einen Spaziergang in Richtung Vulkan und kehrten in der Pizzeria am Punta Labronzo ein, von wo aus man bereits den Vulkankrater mit seinen strombolianischen Eruptionen beobachten konnte. Die Aussicht war tatsächlich schön, aber typisch italienisch fing der Service erst um 19 Uhr an, und das Essen war mittelprächtig, die Preise allerdings umso prächtiger!
Am nächsten Morgen nahmen wir das erste Tragflächenboot in Richtung Vulcano. Das Frühstückspaket, dass wir netterweise vom Hotel mitbekommen hatten, bestand aus einzeln eingepackten Zwieback und jeder menge Marmeladendöschen und einem kleinen Orangensaft. Wo bitte war mein Croissant und ein schöner Kaffee? Aber das ist sicherlich ein Luxusproblem.
Vulcano: Eine Insel blüht auf
Ähnlich wie Stromboli erblühte Vulcano zu neuem Leben und machte wieder einen gepflegten Eindruck. Wer sich an meinen Bericht zur Märzreise erinnert, weiß, dass ich im Frühjahr von der Gesamtsituation auf den Inseln wenig begeistert war. Der wieder aufgelebte Tourismus im Sommer tat dem Archipel gut, auch wenn es auf Vulcano noch deutlich ruhiger war, als ich es von früheren Jahren kannte. Doch für mich war es jetzt im Oktober angenehm: Die Patina war richtig dosiert, und man fühlte sich nicht wie auf einem Friedhof. Auf der anderen Seite war es noch so ruhig, dass man Strand und Schlammpool morgens fast für sich alleine hatte. Ja, richtig gelesen: Schlammpool! Dieser war zwar noch nicht offiziell eröffnet, aber inoffiziell hatte man sich Zutritt verschafft und es wurde wieder im Fango gebadet. Ob des Gestanks nach faulen Eiern war Leroy zunächst nicht besonders vom Schlammbad angetan, doch nachdem seine Geruchsnerven überladen und lahmgelegt waren, gefiel ihm das Bad im schlammigen Thermalwasser. Allerdings war das Baden nur an den Stellen möglich, wo keine Gasblasen dem Boden des Pools entströmten. Die Gase waren extrem heiß, deutlich heißer, als ich es von früher kannte, und schon an der Schmerzgrenze, wenn man damit in Berührung kam. Ein untrügliches Anzeichen dafür, dass Magma im Untergrund des Vulkans schlummert. Am Grund des Pools hatte sich erstaunlich viel Schlamm gebildet, und dieser war tatsächlich jungfräulich, das heißt frei von Haaren und anderen unappetitlichen Dingen, die sich in früheren Jahren von den Körpern der Badenden gelöst hatten und im Schlamm angesammelt hatten. Das wird jedoch wahrscheinlich nicht lange so bleiben!
Den Schlamm konnten wir im Meer am Spiaggia delle Acque Calde wieder loswerden. Dort blubberte es kräftig, und es fühlte sich an wie in einem Whirlpool. Den besonders starken Gasaustritt im Wasser im nördlichen Strandbereich hatten die Behörden mittlerweile mit Bojen abgesperrt.
So richtige Badefreude kam für Leroy dann in der gegenüberliegenden Bucht der Landbrücke zwischen Vulcano und Vulcanello auf. Vom Schlammbad aus mussten wir nur den Isthmus überqueren, um zur Baia Negra zu gelangen. Die Bucht mit dem schwarzen Sandstrand und dem ausgedehnten Flachwasserbereich war besonders kinderfreundlich, und Leroy war natürlich nicht mehr aus dem Wasser zu bekommen. Zugegeben, mir ging es ähnlich, und im Rausch der flachen Tiefe verbrachten wir hier den Nachmittag und ließen den Aufstieg zur Fossa sausen. Irgendetwas muss man sich ja noch für das nächste Mal aufheben.
Ätna: Das Wichtige im Leben
Nach einer Nacht in unserem Apartment auf Vulcanello ging es am nächsten Morgen erneut kurz zum Strand und anschließend zum Hafen, von wo aus wir zurück nach Milazzo fuhren. Mit dem Mietwagen fuhren wir zum Ätna, wo wir stilecht die letzte Nacht unseres Kurzurlaubs im Wagen schliefen, so ganz ohne Klo und anderem Komfort, aber mit Blick auf einen tollen Sternenhimmel und einen komplett ruhigen Ätnagipfel. Nicht die geringste Spur von Rotglut war aus der Ferne zu sehen. Trotzdem war es ein tolles Erlebnis, das mich an die goldenen Zeiten meiner Vulkanfilmerei erinnerte und daran, was im Leben wirklich wichtig ist. Dazu gehören nicht unbedingt Swimmingpools in 4-Sterne-Hotels!