Island und die Katastrophen vom Breiðamerkurjökull

Blick über den Sander, der Gletscherzunge Breiðamerkurjökull bis zum Vulkan Öræfajökull. © Marc Szeglat

Breiðamerkurjökull: Wie eine Klimakatastrophe und ein Vulkanausbruch eine der faszinierendsten Landschaften Island prägten

Nirgendwo sonst auf der Erde liegen Schöpfung und Zerstörung so dicht beisammen wie an Vulkanen. Und kaum eine andere Landschaft der Erde ist von den Kräften des Vulkanismus mehr geprägt als Island, wo Feuer und Eis zusammen treffen. Hier die Geschichte eines einst blühenden Tals, dass heute eisige Touristenattraktionen liefert und Brennpunkt des Klimawandels ist.

Island wurde seit der Landnahme durch die Wikinger im Jahr 870 von zahlreichen Naturkatastrophen heimgesucht. Eine der schwerwiegendsten verwandelte ein bis dahin bewaldetes Tal im Osten der Insel in eine Ödnis – ein Ort, der heute paradoxerweise zahlreiche Touristen anzieht. Die Rede ist vom Tal zu Füßen der Gletscherzunge Breiðamerkurjökull, die vom größten Gletscher Europas, dem Vatnajökull, ausgeht. Heute befindet sich dort die Sanderfläche Breiðamerkursandur, in der die Gletscherlagune Jökulsárlón liegt – ein Relikt besagter Katastrophe.

Nach der Landnahme war die Region um den Breiðamerkurjökull unter dem Namen Litlahérað bekannt. Damals waren der Vatnajökull und auch seine Gletscherzungen deutlich kleiner als heute, denn Island erlebte ein milderes Klima. Die ersten Siedler nutzten die fruchtbaren Ebenen und Täler am Rand des Vatnajökull für Viehzucht und Ackerbau.

Doch das änderte sich im 13. Jahrhundert – zunächst allmählich, dann schlagartig: Es setzte eine Kälteperiode ein, die als „Kleine Eiszeit“ bekannt wurde und das Klima zwischen ca. 1300 und 1850 prägte. In dieser Phase wuchs der Breiðamerkurjökull erheblich an und rückte immer weiter ins Tal vor. Die Siedler mussten ihre Höfe nach und nach aufgeben und wurden vom Eis verdrängt.




Im Jahr 1362 wurde der Prozess durch den Ausbruch eines am Rand des Gletschers liegenden Vulkans signifikant beschleunigt. Der Ausbruch des Öræfajökull – dem höchste Vulkan Islands –  zählt zu den verheerendsten Katastrophen in der isländischen Geschichte. Gewaltige Mengen Asche und Bimsstein wurden über weite Teile des Landes verteilt, und es kam zu starken Gletscherläufen, die ganze Siedlungen zerstörten.

Die Region Litlahérað wurde infolge der Eruption endgültig unbewohnbar und erhielt fortan den Namen Öræfi, was „Ödland“ bedeutet – ein Begriff, der später auch den Vulkan selbst prägte. Mit dem Ausbruch setzte ein beschleunigter Vorstoß des Gletschers ein, der um 1890 seine größte Ausdehnung in historischer Zeit erreichte: Die Gletscherzunge reichte damals fast bis an den Atlantik.

Mit der darauf folgenden Klimaerwärmung zog sich der Gletscher allmählich zurück. Um 1935 entstand durch das Abschmelzen eine kleine Lagune – der Beginn der heutigen Jökulsárlón. Seither hat sich die Lagune stark vergrößert und bedeckt mittlerweile über 25 Quadratkilometer. Gewaltige Eisbrocken brechen regelmäßig von der Gletscherfront ab und treiben durch die Lagune in Richtung Meer, wo sie an den schwarzen Stränden von Breiðamerkursandur angespült werden – darunter auch der bekannte Diamond Beach. Beides, Strand und Gletscherlagune sind beliebte Touristenhotspots. Eine weitere Touristenattraktion sind die kristallblauen Eishöhlen am Rand des Gletschers.

Diese Gletscherlandschaft ist heute ein eindrucksvolles Beispiel für den rasanten Wandel im Zeitalter des Klimawandels. Sie zeigt, wie eng Natur, Klima und menschliche Geschichte miteinander verflochten sind – und wie stark sich Island in nur wenigen Jahrhunderten verändert hat.

Zugleich macht die Geschichte aber auch deutlich, wie dynamisch das Erdklima schon immer war – ganz unabhängig vom Menschen. Nicht selten hatten mächtige Vulkanausbrüche einen entscheidenden Einfluss. Im Fall der Kleinen Eiszeit wirkten vermutlich mehrere Faktoren zusammen, die vor allem auf der Nordhalbkugel für eine Abkühlung sorgten:
Neben zahlreichen Vulkanausbrüchen trug vermutlich auch das sogenannte Maunder-Minimum (1645–1715) zur Abkühlung bei – eine Phase mit besonders geringer Sonnenaktivität und wenigen Sonnenflecken. Auch eine mögliche Abschwächung des Golfstroms wird diskutiert. Dennoch ist bis heute nicht vollständig geklärt, welche Mechanismen genau zur Kleinen Eiszeit führten.

Bemerkenswert ist, dass die Kältephase ausgerechnet in dem Zeitraum endete, den man heute als Referenzwert für die vorindustrielle Temperatur im Kontext des anthropogenen Klimawandels heranzieht. Das macht es – aus meiner Sicht – nicht ganz einfach, den menschlichen Anteil an der aktuellen Klimaerwärmung exakt zu bestimmen.