Sizilien: Erdbeben Ml 4,1 im Südosten der Insel
Datum: 08.12.22 | Zeit: 20:26:34 UTC | 37.07 N ; 14.60 E | Tiefe: 10 km | Ml 4,1
Gestern Abend ereignete sich im Südosten Siziliens ein moderates Erdbeben der Magnitude 4,1. Der Erdbebenherd wurde in 10 km Tiefe festgestellt. Das Epizentrum lag zwischen den Provinzen Catania und Ragusa, 4 km von Mazzarrone entfernt. Die nächste größere Stadt ist Ragusa in 20 km Entfernung zum Epizentrum. Der Erdstoß ereignete sich um 21:26 Uhr Ortszeit und sorgt bei den Sizilianern für einige Besorgnis, denn das Erdbeben manifestierte sich in einer Gegend, in der es bereits starke Erdbeben gab. Zu diesen zählen das katastrophale Erdbeben von 1693, das viele Ortschaften im Osten der Insel zerstörte. Es hatte auf 70 Städte ernsthafte Auswirkungen und verursachte den Tod von etwa 60.000 Menschen. Darunter befanden sich gut zwei Drittel der Bevölkerung Catanias. Die Stadt am Fuße des Ätnas liegt gut 65 km vom gestrigen Erdbeben entfernt. Die Magnitude des Erdbebens von 1693 wird auf 7,2 bis 7,4 geschätzt. Damit war es das stärkste Erdbeben, das es jemals in Italien gab. Weitere starke Erdbeben sind aus den Jahren 1169, 1542, 1818 und 1895 überliefert.
In den letzten Jahren gab es 2 moderate Erdbeben mit Magnituden im 4-er-Bereich in der Region Ragusa. Sie manifestierten sich im Februar 2016 und im Dezember 2020. Da dem Starkbeben von 1693 ebenfalls mehrere schwächere Erdbeben vorangegangen waren, steht die Besorgnis im Raum, dass die aktuelle Bebensequenz ebenfalls Vorbeben eines stärkeren Erdstoßes sein könnte.
Bereits im letzten Monat hatte ich festgestellt, dass es ein generelles Zunehmen der Seismizität im Raum Sizilien zu geben scheint. Obwohl Sizilien die größte Insel im Mittelmeer ist, ist die Region kompakt genug, dass es übergeordnete Zusammenhänge geben könnte, die das Spannungsfeld entlang mehrerer Störungszonen beeinflussen. Aus tektonischer Sicht ist die Hauptkomponente sicher die Plattenkollision von Afrika und Europa, die maßgeblich für tektonische Prozesse dieser Region verantwortlich ist. Eine weitere Komponente, die die Spannungen im Untergrund beeinflusst, ist der Magmenaufstieg unter dem größten Vulkan Europas. Gemeint ist natürlich der Ätna. Der Magmenaufstieg steht auch im Zusammenhang mit der Subduktion der afrikanischen Platte unter die Platte Europas, obwohl am Ätna keine Lava eruptiert wird, wie sie für Subduktionszonen-Vulkanismus typisch ist. Forscher gehen davon aus, dass durch die Subduktion eine Tiefdruckzone im Mantelkeil unter dem Ätna entsteht, sodass eine Sogwirkung auf basaltische Schmelze in der Asthenosphäre entsteht, die sich unter dem Ätna sammelt und den Vulkan wachsen lässt.
Es gibt Hypothesen, nach denen sich Erdbeben auf Sizilien und die Eruptionen des Vulkans gegenseitig beeinflussen. Im Jahr 1669 hatte es am Ätna eine verheerende Flankeneruption gegeben, als sich relativ weit unten am Vulkan Eruptionsspalten geöffnet hatten. Lavaströme flossen durch Catania und mündeten im Meer. Das war die letzte Flankeneruption vor dem großen Erdbeben von 1693. Entlang der Ätna-Riftzonen hatte es keine großen Bewegungen mehr gegeben und einer Hypothese zufolge half das Stress entlang der Hauptstörungszonen im Südosten Siziliens aufzubauen. Mittlerweile sind 20 Jahre seit der letzten Flankeneruption vergangen. Andererseits hat es am Ätna bereits früher Perioden ohne Flankeneruptionen gegeben, ohne dass es zu Starkbeben gekommen wäre. Beweisen oder widerlegen lassen sich solche Hypothesen kaum.
Apropos Ätna: Dort ist der Lavastrom im Valle del Leone weiter aktiv. Seine thermische Signatur auf der Livecam des INGV ist stärker denn je. Augenzeugenberichten zufolge hat sich heute Morgen ein weiterer Schlot oberhalb des aktiven Stroms geöffnet. Langfristige wissenschaftliche Prognosen sind weder in Bezug auf die Erdbebentätigkeit noch auf die Eruptionen des Vulkans möglich. Dennoch beschleicht mich das Gefühl, dass es in den nächsten Wochen am Ätna spannend werden könnte.