Gezeiten-Erdbeben am pazifischen Rücken infolge von Magmen-Ausdehnung
In der Wissenschaft wird der Einfluss der Gezeiten auf Erdbeben und Vulkanausbrüche kontrovers diskutiert. Die wissenschaftliche Fachwelt ist in Befürworter und Gegner der Theorie gespalten, dass die Gezeitenkräfte Erdbeben verursachen können. Die Gegner der These waren lange in der Überzahl und gehen davon aus, dass die Gezeitenkräfte nicht stark genug dafür seien. Zudem ließen sich statistisch bislang keine eindeutigen Beweise für die These finden. Einige Studien zeigten, dass nur 0,2-0,3% der Erdbeben in einem Zusammenhang mit den Gezeiten stehen könnten. Doch nach und nach tauchen mehr Studien auf, die einen Zusammenhang sehen. So auch die Studie von Christopher Scholz, einem Seismologen vom Lamont-Doherty Earth Observatory der Columbia University, dessen Erkenntnisse ich hier kurz vorstellen möchte.
Die Gezeitenkräfte werden von der Anziehungskraft von Sonne und Mond verursacht und sind für Ebbe und Flut der Ozeane verantwortlich. Sie sind bei Voll- und Neumond am stärksten, da dann Sonne-Erde-Mond auf einer Linie stehen. Außerdem schwankt die Entfernung des Mondes zur Erde, was die Stärke der Gezeitenkräfte ebenfalls beeinflusst. Ich selbst stellte bei meinen Recherchen zu den Newsberichten öfters fest, dass es eine Häufung stärkerer Erdbeben an den Tagen von Neu- und Vollmond zu geben scheint, doch dass der normale Rhythmus von Ebbe und Flut das Auftreten von Erdbeben beeinflussen könnte, ist mir entgangen. Bislang galt die These, dass es die meisten Erdbeben während der Flutphase geben soll, doch Christopher Scholz fand heraus, dass es sich am Mittelozeanischen Rücken genau anders herum verhält, was zunächst einmal Paradox erscheint: Erdbeben sollen ausgerechnet dann entstehen, wenn die Gezeitenkräfte am schwächsten auf die Störungen wirken? Um diesem Phänomen nachzugehen, studierte der Seismologe den Unterwasservulkan Axial, der sich in einer submarinen Vulkankette befindet, die sich im Ostpazifik am Juan de Fuca Rücken aufreiht. Der Vulkan gilt als seismisch sehr aktiv und war daher ein geeignetes Studienobjekt.
Die Studien ergaben, dass sich der Magmenkörper unter dem Vulkan ausdehnte, je geringer der Wasserdruck war, der auf die ozeanische Kruste drückte. Bei Ebbe ist die Wasserbedeckung am geringsten und zu dieser Zeit war der Untergrund seismisch am aktivsten. Durch die Ausdehnung des Magmas wurde das umgebende Gestein unter Spannung gesetzt und ein tektonischer Block am Grund der Spreizungszone des Ozeanrückens nach oben geschoben, was schwache Erdbeben auslöste. Der Autor der Studie sagt aber auch, dass das entwickelte Modell nicht allgemeingültig sein muss und dass durch den Effekt der Magmenausdehnung alleine, sehr wahrscheinlich keine Starkbeben ausgelöst werden.
Ich sehe in diesem Forschungsergebnis eine Bestätigung darin, dass sich die Gezeitenkräfte auch direkt auf das eruptive Verhalten eines Vulkans auswirken könnten. (Quelle: Nature)