Studie warnt vor Zunahme stärkerer Erdbeben in den Campi Flegrei – Magma weiter aufgestiegen
Eine Vorabveröffentlichung einer neuen INGV-Studie sorgt für erneute Unruhe unter den Anwohnern der Caldera und darüber hinaus. Die unter der Leitung von Augusto Neri durchgeführte Studie, deren Erstautor Andrea Bevilacqua ist, untersuchte die Zunahme von Bodendeformation und Seismizität in den Campi Flegrei zwischen 2020 und 2023. Auch die starken Schwarmbeben im Frühsommer 2024 wurden berücksichtigt. Dabei stießen die Autoren auf einen engen Zusammenhang zwischen der Bodenhebung und der Anzahl der Erdbeben. Die Studie wurde als Vorabartikel in der Fachzeitschrift Communications Earth & Environment veröffentlicht.
Exponentieller Zusammenhang zwischen Bodenhebung und Erdbebenhäufigkeit in den Campi Flegrei
Die Untersuchung der Entwicklungen erfolgte durch eine mathematische Analyse der Beschleunigung im Zeitverlauf. Dabei wurde eine exponentielle Beziehung zwischen dem maximalen Hebungsniveau der Caldera und der kumulierten Anzahl seismischer Ereignisse abgeleitet.
Besonders hervorgehoben wurde die fortschreitende, langfristige Beschleunigung geophysikalischer Variablen, die um das Jahr 2005 begann. Diese Beschleunigung zeigt jedoch kein konstantes Muster, sondern unterliegt Schwankungen unterschiedlicher Dauer, die von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren reichen. In den letzten Jahren wurde auch eine Verkürzung dieser Schwankungsfrequenzen festgestellt. Zu diesen geophysikalischen Parametern gehört auch der Ausstoß vulkanischen Kohlendioxids, der von einigen hundert Tonnen am Tag auf Werte von mehr als 4000 Tonnen am Tag anstieg.
Die Untersuchung zeigte, dass die Bodenhebung einem parabolischen Verlauf mit einer durchschnittlichen Beschleunigung von etwa 0,7 bis 0,8 cm pro Jahr² folgt. Gleichzeitig weist die Entwicklung der Erdbebenrate ein supraexponentielles Wachstum auf. Es wurde deutlich, dass Phasen verringerter seismischer Aktivität keine grundlegende Änderung im langfristigen Verhalten des Vulkans anzeigen müssen.
Ein besonders bemerkenswerter Aspekt der Ergebnisse ist die exponentielle Beziehung zwischen der maximalen Hebung der Caldera und der kumulierten Anzahl an Erdbeben, die sich ab etwa 2020 verstärkte. Dieser Zusammenhang unterscheidet sich von dem linearen Muster, das während der bradyseismischen Krise von 1982–1984 beobachtet wurde. Das Phänomen wird als Ausdruck der fortschreitenden Verschlechterung der mechanischen Eigenschaften der obersten Krustenschichten interpretiert. Diese Schichten wirken derzeit noch abdichtend und zeigen plastische Verformbarkeit, stoßen jedoch zunehmend an ihre Belastungsgrenzen. Die Studienautoren kommen aber auch zu der Schlussfolgerung, dass die obere Deckschicht der Caldera noch plastisch reagiert, die Zunahme der Erdbebenaktivität durch eine zunehmende Empfindlichkeit des Untergrunds infolge der Gesamthebung von mehr als 120 Zentimetern zustande kommen kann.
Die bis Ende Oktober 2024 aktualisierten Analysen bestätigten die identifizierten Trends und deren Gültigkeit. Eine Fortsetzung dieser Entwicklungen könnte mit einer weiteren Zunahme der seismischen Aktivität und zusätzlichen Hebungen der Caldera einhergehen, was auch Erdbeben hervorrufen könnte, die stärker ausfallen als bisher. Das quasi-elastische Verhalten der Kruste könnte jederzeit Enden und die Gefahr phreatischer Ausbrüche steigern. Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, dass sich der Hebungsprozess verlangsamt, was wiederum zu einer Abnahme der seismischen Aktivität führen könnte.
Leiter des Vesuv-Observatoriums bestätigt gegenüber Medien Magmenaufstieg
Soweit die Zusammenfassung der eigentlichen Studienergebnisse. Diese wurden unter anderem von Mauro Di Vito, Direktor des INGV-Observatoriums Neapel, den Medien vorgestellt. Obwohl die Studienautoren keinen direkten Bezug zur Quelle der Bodenhebung und Erdbebenaktivität nehmen, sorgten Di Vitos Aussagen – sofern sie in den italienischen Medien wahrheitsgetreu wiedergegeben sind – für erheblichen Diskussionsstoff und verstärkten die Besorgnis der Anwohner. Laut Di Vito liegt die Quelle des Überdrucks, der die Gesteinsverformung antreibt, in etwa 4 Kilometern Tiefe und wird hauptsächlich durch Gas verursacht. Das Magma, das für die Gasfreisetzung verantwortlich ist, befindet sich derzeit in einer Tiefe von 5 bis 6 Kilometern, nachdem es ursprünglich in etwa 8 Kilometern Tiefe lag.
Demnach wäre das Magma in den letzten Jahren bis zu 3 Kilometer weiter aufgestiegen und befindet sich nun in einer Tiefe, die allgemein als typisch für Magmenreservoirs angesehen wird, von denen Eruptionen ausgehen können. Andere Studien aus diesem Jahr stellten jedoch die These auf, dass sich der Hauptmagmenkörper weiterhin in mindestens 8 Kilometern Tiefe befindet, während sich in 4 bis 5 Kilometern Tiefe kleinere Magmataschen gebildet haben könnten. Sollten sich Di Vitos Aussagen bestätigen, könnten die Phlegräischen Felder möglicherweise näher an einem Vulkanausbruch stehen als bisher angenommen. (Verwendete Quellen: Studie: https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-4164255/v1, sowie Pressetext INGV, Medienberichte)