Campi Flegrei: Neue Studie zur Schwefelwasserstoffanomalie

Internationales Forscherteam entschlüssele Schwefelwasserstoffanomalie durch magmatischen Einfluss

Bei den Campi Flegrei handelt es sich um einen großen Calderavulkan in Süditalien, der seit Jahren immer wieder für Schlagzeilen sorgt, weil sich seit 2005 der Boden hebt. Dieser Prozess beschleunigte sich in den letzten Jahren und geht mit zahlreichen Erdbeben einher, die die Bausubstanz der Region um Pozzuoli wachrüttelten. Auch in den letzten Tagen gab es wieder Schwarmbeben und das neueste Wochenbulletin vom INGV bestätigt einmal mehr eine Bodenhebung von 10 mm pro Monat und den langjährigen Trend der Druckbeaufschlagung des Systems. Seit enormer Zeit herrscht bei den Wissenschaftlern Uneinigkeit darüber, welcher Art das System ist: Finden Bodenhebung und Erdbeben ihren Ursprung im Hydrothermalsystem des Vulkans, in dem Tiefenwässer zirkulieren, oder ist es ein magmatisches System, in dem die Bodenhebung durch einen intrudierenden Magmenkörper zustande kommt? Hier greift nun eine neue Studie, die von einem Forscherteam des Vesuv-Observatoriums des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie (INGV – OV) in Zusammenarbeit mit der Universität Palermo, der Universität Cambridge und dem Woods Hole Oceanographic Institute durchgeführt wurde. Die Studie mit dem Titel „Escalation of caldera unrest indicated by increasing emission of isotopically light sulfur“ wurde heute in Nature Geoscience veröffentlicht.

Die Forscher untersuchten eine bedeutende Anomalie in der Gaszusammensetzung der Fumarolen in der Solfatara dei Campi Flegrei: Seit Ende 2018 ist die Konzentration von Schwefelwasserstoff, einer Schwefelverbindung in den Fumarolen, signifikant gestiegen. Diese Veränderung deutet auf einen zunehmenden Beitrag magmatischer Gase hin, die aus aufsteigendem Magma in der Erdkruste stammen. Es wurde auch eine Korrelation zwischen der Zunahme der Seismizität und dem Anstieg der Schwefelwasserstoffkonzentration in den Gasen festgestellt.

Professor Alessandro Aiuppa von der Uni Palermo erklärt dazu in einer Pressemeldung. dass die Analyse zeigt, dass die beobachteten Schwankungen in der Zusammensetzung der Fumarolen nicht ausschließlich auf oberflächliche hydrothermale Prozesse zurückzuführen sind. Die Studie hebt hervor, dass die in den Fumarolen festgestellte Schwefelanomalie auf einen zunehmenden Beitrag von Gas aus dem Magma zurückzuführen ist, das das Vulkansystem der Phlegräischen Felder speist, was die Hypothese einer magmatischen Beteiligung an der aktuellen bradyseismischen Krise der Phlegräischen Felder stützt.

Der steigende Anteil magmatischer Gase führt zur Erwärmung des Systems, was die Seismizität in Campi Flegrei verstärkt und zur Freisetzung von Schwefel aus hydrothermalen Mineralien beiträgt. Das Magma soll sich demnach in einer Tiefe zwischen 6 und 9 Kilometern akkumulieren.




Die Studie nutzt Daten aus regelmäßigen Gasproben und numerischen Modellen, die auf einem einzigartigen Datensatz seit 1980 basieren. Sie weist darauf hin, dass zunehmende Schwefelfreisetzungen auf eine mögliche allmähliche Reaktivierung des Vulkansystems hindeuten, ohne jedoch einen unmittelbar bevorstehenden Ausbruch anzukündigen. Die Forscher betonen die Bedeutung einer kontinuierlichen Multiparameterüberwachung, um die Dynamik des Systems besser zu verstehen und zu kontrollieren.

Im Endeffekt bestätigt die Studie einmal mehr den Paradigmenwechsel, den die Forschung im letzten Jahr in Bezug auf den Bradyseismos der Campi Flegrei vollzogen hat. Andere Studien kamen ebenfalls zu dem Schluss, dass die bradyseismologische Krise nicht allein ein Effekt des Hydrothermalystems ist, sondern dass sich in Tiefen von bis zu 4 Kilometern Magma akkumuliert. Je nach Studie kommen dabei unterschiedliche Modelle des Magmenkörpers zur Anwendung. Doch in jedem Modell liefert schmelzflüssiges Magma in der Tiefe die Energie, die das Hydrothermalsystem zum Aufheizen benötigt. Die alte These, dass zirkulierende Tiefenwässer und andere Fluide den Bradyseismos unabhängig von einem aktiven Magmenkörper verursachen, scheint immer weiter obsolet zu werden. (Quelle: Nature Geoscience)