Campi Flegrei: droht ein Vulkanausbruch?

In den letzten Tagen kursierten in den Onlinemedien Berichte darüber, dass ein Ausbruch der Campi Flegrei schneller eintreten könnte als bisher geglaubt. Grund für diese Annahme sind neue Ergebnisse einer Forschergruppe um den INGV-Wissenschaftler Giovanni Chiodini, die ihre Arbeit in Nature veröffentlichte. Die Forscher arbeiteten mit physikalischen Modellen um die Druckverhältnisse im komplexen System unter einem mafischen (sauren) Calderavulkan zu verstehen.

Typisch für diese großen Vulkansysteme wie dem Yellowstone, oder der Campi Flegrei ist ein hydrothermales System das die Magmakammer überlagert. Die Kernaussage der Arbeit bezieht sich auf folgende Erkenntnis: wenn sich neues Magma in der Magmakammer ansammelt interagiert es mit den Fluiden des hydrothermalen Systems. Es kann zu Wechselwirkungen kommen, die letztendlich zu einer beschleunigten Inflation und Aufheizung des Gesamtsystems führen. Dies geschieht, wenn das Magma einen kritischen Entgasungsdruck erreicht hat und dadurch viel Wasserdampf in das Hydrothermal-System injiziert. Das beschleunigte Aufheizen destabilisiert den Calderavulkan und kann in einem Vulkanausbruch gipfeln, der früher eintritt, als wenn es keine Wechselwirkung zwischen Magma und Fluide des Hydrothermal-Systems geben würde.

Grafiken zur Campi Flegrei. © Giovanni Chiodini

Seit dem Jahr 2005 gibt es in der Campi Flegrei Anzeichen für ein Aufheizen des Vulkansystems: es treten Phasen mit erhöhter Seismik und starker Inflation auf. In der Solfatara verändern sich Zusammensetzung, Konzentration und Temperatur fumarolischer Gase. Im Fokus der Forscher steht das Kohlenmonoxid. Dieses Gas entströmt dem Magma und seine Konzentration lässt Rückschlüsse über die Temperatur des Hydrothermal-Systems zu: seit 2005 stieg sie von 220 Grad auf 310 Grad Celsius. Diese Temperatur lässt vermuten, dass das Magma einen kritischen Entgasungsdruck erreicht hat. In diesem Temperaturbereich halbiert sich die Scherfestigkeit der Tuffe im Untergrund der Caldera. Das bedeutet, dass die Gesteine schneller dem Druck des Magmas nachgeben und brechen können. Die Folge wäre plötzliche Druckentlastung und Magmenaufstieg.

Die Wissenschaftler vergleichen die Campi Flegrei mit anderen Calderavulkanen die im letzten Jahrhundert eruptierten: Rabaul (PNG) und Sierra Negra (Galapagos). Bei beiden Vulkanen wurde vor ihren Eruptionen ebenfalls eine mehrjährige Phase beschleunigter Inflation und Aufheizung beobachtet. Für Rabaul wurde vorausberechnet, dass das Gestein nach 3900 Tagen beschleunigter Aufheizung brechen würde. Tatsächlich eruptierte der Vulkan 3100 Tage nach Beginn der Aufheizungsphase. Für die Campi Flegrei wurde der Wert des Materialversagens auf 5670 Tagen (+- 735) nach Beginn der Beschleunigungsphase berechnet. Das entspricht einer Periode von gut 15,5 Jahren. Von diesen sind bereits 11 Jahre verstrichen.

Die Wissenschaftler selbst sagen allerdings, dass es nach dieser Zeit nicht zwangsläufig zu einem Ausbruch kommen muss. Zu viele andere Faktoren spielen eine Rolle ob- und wann ein Vulkan eruptiert.

Ich persönlich denke, dass solche Forschungsergebnisse zwar wichtig für die Grundlagenforschung sind, bis auf weiteres aber nur verunsichern, anstatt zu helfen. Es gibt keine Erfahrungswerte bei der Vorhersage eines Supervulkanausbruchs, einfach weil der letzte dieser Ausbrüche viele Jahrtausende her ist. Die Campi Flegrei eruptierte zuletzt vor 39.000 Jahren mit einem VEI 7. Niemand kann tatsächlich abschätzen wann der Vulkan das nächste Mal eruptieren wird. Meistens gelingen zuverlässige Prognosen vor einem normalen Vulkanausbruch erst wenige Tage, oder Stunden bevor er statt findet. Meistens hat die Eruption bereits unterirdisch angefangen, wenn Alarm geschlagen wird. Nur, wann schlägt man im Falle der Campi Flegrei Alarm? Erst wenn Tremor einsetzt, oder bereits bei stärkeren Bodendeformationen?  Wann sind die Bodendeformation tatsächlich kritisch? An einem durchschnittlich großen Vulkan wäre eine Aufblähung um 3 m furchterregend. Auf der anderen Seite wurden in anderen Calderavulkanen wie der Laguna del Maule bereits viel stärkere Bodendeformationen nachgewiesen, ohne das es zu einer Supervulkaneruption gekommen wäre! Die Vulkanologen des INGV stehen also vor einem großen Problem und wenn man auf die Stimme der Vernunft hören würde, dürfte die Gegend um die Campi Flegrei nicht bewohnt werden! Treten eindeutige Anzeichen einer beginnenden Eruption ein, bleiben wahrscheinlich nur Tage zur Evakuierung. Die Campi Flegrei kann man sehr wahrscheinlich räumen, aber wie schaut es mit Pozzuoli und Neapel aus? Bei einem VEI 7 Ausbruch drohen Tsunamis die durch pyroklastische Ströme generiert werden könnten. Dann wären auch die Küsten des gesamten westlichen Mittelmeeres gefährdet.

(Quelle: https://www.nature.com/articles/ncomms13712, copyright der Grafiken unter der cc)