Am 19 September 2021 begann auf der Kanareninsel La Palma ein Vulkanausbruch. Der Eruption voran ging eine seismische Krise, die mehrere Tage anhielt und von aufsteigendem Magma verursacht wurde. Obwohl ein Ausbruch wahrscheinlich war, rechneten die Wenigsten damit, dass sich das Eruptionszentrum am Rand des besiedelten Gebiets von El Paso öffnete. In kürzester Zeit wurden Hunderte Häuser zerstört. Schon 3 Tage nach Eruptionsbeginn trafen die ersten Vulkanauten der Vulkanologischen Gesellschaft auf La Palma ein. Ich folgte am 8. Tag der Eruption.
Cumbre Vieja: Bilder einer Eruption
Ankunft auf La Palma
Pünktlich mit meiner Annäherung an die Insel setzte die Aktivität des Vulkans aus. Zu dieser Zeit befand ich mich auf dem Weg vom Flughafen auf Teneriffa zur Fähre nach La Palma und als ich auf die abgestürzte Tremorkurve blickte, staunte ich nicht schlecht. Das konnte jetzt doch nicht wahr sein?! Hieß es in den Statistiken nicht, dass die Eruption mindestens 24 Tage dauern sollte? Auch in den Sozialen Medien kursierten schon wieder Bemerkungen über Marc, den Vulkanlöscher. Doch das brachte selbst Jesus nicht fertig, der ja bekanntermaßen Wasser in Wein verwandeln konnte, eine Eigenschaft, um die ich ihn sehr beneide. Also nix da, der Vulkan pausierte nur und als ich dann am späten Nachmittag endlich in El Paso ankam, setzte die Tätigkeit wieder ein.
Ich machte Quartier bei Jochen, der ein genial gelegenes Apartment organisiert hatte: von der Terrasse aus konnten wir den Vulkan beobachten, der sich in ca. 3 km Entfernung befand. Sein Grummeln und Donnern erfüllte die Luft und alles war voller Vulkanasche. Abends trafen wir Tom, Thorsten und Martin, die deutlich weiter entfernt untergekommen waren. Wir bezogen Stellung an einem der populärsten Aussichtspunkte in Vulkannähe, der zufällig am Ende jener Strasse lag, an der sich unser Apartment befand. Irgendwie mag ich kurze Wege. Von dort konnten wir bequem die Lavafontänen beobachten, gelangten aber nicht bis an die Lavafront. Diese war besser bewacht als Fort Knox und jeder Weg war abgesperrt. Bequemlichkeit ist ein Ding, Nähe ein Anderes. So echtes Vulkanfeeling wollte bei mir nicht aufkommen. Jochen und ich beschlossen eine weitere Annäherung an den Feuerberg und suchten eine Straße auf einen Bergrücken, der der Eruptionsspalte vorgelagert war. Hier kamen wir etwas näher an die Spalte mit ihrem neuen Kegel ran, doch noch bevor sich das richtige Gefühl einstellen wollte, standen wir erneut vor einer Straßensperre. Der Blick auf die Lavafontäne war von hier aus schon ganz gut und es hatten sich mehrere Schaulustige eingefunden, darunter auch Steven, ein weiteres Mitglied unseres Vulkanvereins. Weitere Annäherungsversuche an den Kegel erwiesen sich zwar als abenteuerlich, stellten aber den gewünschten Erfolg nicht ein. So erkundeten wir noch am nächsten Tag die Gegend und loteten einige Möglichkeiten der Annäherung aus, die ich dann erst in den nächsten Tagen mit Andreas und Tom realisieren konnte, denn Jochen und die anderen Vulkanauten mussten wieder abreisen.
Mit Sondergenehmigung ins Sperrgebiet
An meinem dritten Tag auf La Palma bekamen wir dann endlich unsere Genehmigungen, um ins Sperrgebiet vordringen zu dürfen. Zuvor hatte ich beim Essen eine Gruppe internationaler Wissenschaftler getroffen, was den Genehmigungsprozess ein wenig beschleunigte. Andreas und ich beschlossen mit dem Vulkan auf Tuchfühlung zu gehen, querten Abends den bewaldeten Hang des Cumbre Vieja und arbeiteten uns bis auf ein paar hundert Meter an den neuen Kraterkegel heran. Unter ohrenbetäubenden Getöse schoss die Lava in die Höhe und prasselte auf den Kegel nieder. 3 Schlote förderten Tephra und aus einem Vierten sprudelte dünnflüssige Schmelze, die den Lavastrom speiste. Seinen Weg konnten wir von hier oben aus mit den Augen verfolgen. Der Rückmarsch in der Dunkelheit erhielt einen Abendteuerpunkt, denn er führte über Stock und Stein und an recht tiefen Senken entlang.
Am folgenden Abend schlugen wir uns bis zur Abflussrinne des Lavastroms vor, die direkt unterhalb des Kraterkegels verlief. Ein nicht ungefährlicher Beobachtungsposten, aber einer der Faszinierendsten. Hier konnte man sie spüren, die Hitze des Vulkans. Hier atmete man pures Schwefeldioxid und stand im Lapilli-Regen. Hier war man den Kräften des Erdinneren schutzlos ausgeliefert. Schiefgehen durfte nichts, denn es hätte für uns katastrophale Folgen gehabt. Ein schnell voranschreitender Lavaschwall, der Kollaps einer Kraterwand, die Öffnung eines tiefer gelegenen Förderschlotes, oder eine plötzliche Explosion wären uns sicherlich nicht gut bekommen. Menschen sind ja so zerbrechlich! Tatsächlich konnten wir aus der Nähe erkennen, dass es einige Veränderungen in der nördlichen Kraterwand gab und berichteten darüber noch am gleichen Abend im Hauptquartiert der Einsatzkräfte. Zudem hatten wir an der Lavafront Proben gesammelt.
Nachts und am nächsten Morgen öffneten sich dann tatsächlich neue Schlote. Zwei von ihnen entsprangen gut 800 m vom Krater entfernt und nur 120 m östlich der Straße, auf der am Abend unser Wagen stand. Ein paar Stunden ehr und der neue Lavastrom hätte uns den Rückweg von der Abflussrinne abgeschnitten, die nun praktisch unerreichbar war. Als Vulkanbeobachter braucht man manchmal einfach etwas Glück, oder wenigstens das Ausbleiben von Pech!
An meinem letzten Abend auf La Palma wollten wir den Ocean Entry erkunden. Doch als wir uns auf dem Weg dorthin befanden, erschien eine gigantische Rauchsäule am Himmel. Ihre Quelle breitete sich am Boden rasend schnell aus und ich dachte zuerst an einen Aschestrom, der durch ein Kollaps am Ocean Entry entstanden sein könnte, oder dass sich eine Eruptionsspalte geöffnet hätte. Doch das wahr wohl ehr Wunschdenken. Offenbar war ein mehrere Hundert Meter langes Bananen-Gewächshaus abgefackelt. Der Brand entstand durch den Lavastrom, kurz oberhalb der Steilküste, über die sich seit 2 Tagen die Lava stürzte. Binnen Minuten füllte sich das gesamte Tal mit schwarzem Rauch und es wurden Ausgangssperren verhängt. Nicht etwa wegen der Schadstoffbelastung durch den Brand der Plastikfolie, sondern aufgrund des bösen Vulkans. Nun ja, genaugenommen nochmal Glück gehabt, denn eine halbe Stunde später wäre ich direkt neben dem Feuer gestanden. Heute war an den Ocean Entry kein rankommen mehr. Es müssen ja auch noch Ziele für den nächsten Besuch auf La Palma beiben.