Konya-Becken in der Türkei könnte sich durch gigantischen Gesteinstropfen der Lithosphäre absenken
Ein erst vor wenigen Jahren entdeckter geologischer Prozess könnte die zunehmende Senkung im zentralanatolischen Plateau in der Türkei erklären. Verantwortlich dafür ist nicht die Plattentektonik, sondern ein riesiger Gesteinstropfen, der in etwa 40 bis 80 Kilometern Tiefe am unteren Rand der Lithosphäre hängt und das Konya-Becken nach unten zieht, wie Geologen um Erstautorin Julia Andersen von der University of Toronto in „Nature Communications“ berichten.
Dies ist nicht das erste Mal, dass ein solcher Lithosphären-Tropfen in dieser Region entdeckt wurde. Eine ähnliche Studie aus dem Jahr 2017 zeigte, dass die Ablösung eines gigantischen Gesteinstropfens für die Hebung der zentralanatolischen Hochebene verantwortlich gewesen sein könnte.
Normalerweise sind plattentektonische Prozesse entlang von Störungszonen und die Drift der Kontinente für die Entstehung von Gebirgen, Hochplateaus oder Grabenbrüchen verantwortlich. Doch einige Landschaftsformen, wie das zentrale Hochplateau der Anden oder die zentralanatolische Hochebene in der Türkei, lassen sich nicht durch diese Prozesse erklären. Beide Regionen wurden angehoben, obwohl keine typischen tektonischen Einflüsse vorliegen.
Das Konya-Becken stellt dabei ein besonderes Rätsel dar: Inmitten des ansteigenden zentralanatolischen Hochplateaus senkt sich die Erdoberfläche in einem Bereich stetig. Satellitendaten zeigen, dass sich die Kruste im Konya-Becken jährlich um etwa 20 Millimeter absenkt, ohne erkennbare seitliche Krustenbewegungen oder plattentektonische Anzeichen.
Auf der Suche nach einer Erklärung nutzten Geologen seismische und gravimetrische Messungen und entdeckten an der Grenze zwischen der Lithosphäre und dem oberen Erdmantel eine Anomalie. Unter der Kruste des Konya-Beckens gibt es eine Zone, in der Erdbebenwellen schneller durch das Gesteinsmaterial verlaufen, was darauf hindeutet, dass es kühler und dichter ist als das umgebende Material. Dieses Material sinkt von der Lithosphäre in den darunterliegenden Mantel ab, ähnlich wie es bereits vor 25 Millionen Jahren in Zentralanatolien geschah. Damals löste sich ein großer Gesteinstropfen von der Lithosphäre, wodurch das Plateau aufgrund isostatischer Prozesse aufstieg. Der jetzt entdeckte Tropfen ist bereits der zweite in dieser Region. Da sich dieser Gesteinstropfen noch nicht abgelöst hat, zieht er die Erdkruste nach unten und verursacht die Senke des Konya-Beckens.
Durch Modellierungsexperimente im Labor konnten die Forscher den Prozess nachstellen: In einem Plexiglastank füllten sie zähflüssiges Polydimethylsiloxan (PDMS) als Modell für den Erdmantel. Darüber legten sie eine Schicht aus mit Ton vermischtem PDMS, die die Lithosphäre darstellte, und eine sandähnliche Schicht als Erdkruste. Ein Klümpchen PDMS diente als Auslöser des Prozesses. Innerhalb von zehn Stunden bildete sich ein erster Tropfen, der in den Mantel absank, gefolgt von einem zweiten Tropfen, der hängenblieb und wuchs. Dieser zweite Tropfen erzeugte eine Senke an der Oberfläche, ähnlich dem realen Konya-Becken.
Da komplexe geodynamische Prozesse in dieser Region stattfinden, sind vulkanische Aktivitäten nicht weit entfernt. Östlich von Konya liegt das quartäre Karapınar-Vulkanfeld, eine vulkanische Landschaft mit erloschenen Schlackenkegeln, Kratern und Lavafeldern. Diese vulkanischen Strukturen sind Teil des anatolischen Vulkanbogens, der durch frühere vulkanische Aktivität in der Region entstanden ist. (Quelle: https://www.nature.com/articles/s41467-024-52126-7)