Vulkanotektonisches Erdbeben
Erdbeben finden häufig in den gleichen Zonen statt wie Vulkanausbrüche. Grund hierfür liefert die Plattentektonik: die Erdkruste besteht aus unterschiedliche Platten. Entlang der Plattengrenzen entstehen die meisten Erdbeben und Vulkane. Diese tektonischen Erdbeben entstehen durch Spannungsaufbau im Gestein, der sich durch plötzliche Bewegungen abbaut. Es gibt aber auch Erdbeben die in direktem Zusammenhang mit Vulkanausbrüchen stehen. Diese vulkanisch bedingten Erdbeben werden im Allgemeinen durch Magmabewegungen im Untergrund verursacht. Diese vulkanisch bedingten Erdbeben können ebenfalls Zerstörungen anrichten, sind typischer Weise aber meistens schwächer als starke tektonische Erdbeben. Das zerstörerischste vulkanisch bedingte Erdbeben fand 1980 am Mount St. Helens statt und generierte einen der größten Erdrutsche mit anschließenden Vulkanausbruch in der jüngeren Geschichte. Dieses Erdbeben hatte eine Magnitude von 5,2. Ein Jahr später manifestierte sich ein noch stärkeres Beben M 5,5 unter dem Vulkan.
Der Vulkanologe unterscheidet verschiedene Erdbebenarten vulkanischen Ursprungs. Mit ihrer Hilfe lässt sich abschätzen wo sich das Magma im Untergrund befindet und wann es die Erdoberfläche erreichen wird. Erdbebenwellen werden mit Hilfe eines Seismometers registriert und in einem Seismogramm grafisch dargestellt. Früher wurde das Seismogram analog auf Papier ausgegeben, heute erfolgt die Darstellung meistens digital am Bildschirm. Die Darstellungen der einzelnen Erdbebenformen unterscheiden sich in Dauer des Signals (x-Achse) und seiner Amplitude (y-Achse).
Eine weitere Darstellungsform seismischer Wellen, die auch die Frequenz zeigt ist das Spektogramm. Eine farbige Kodierung visualisiert die Energie (bzw. Amplitude) der Erdbebenwellen im Verhältnis zur Frequenz und Zeit. Geringe Energien werden blau dargestellt, mittlere Energien grün und hohe Energien über gelb bis zu rot.
Vulkanotektonische Erdbeben (international: VTs, oder volcanic-tectonic earthquakes) manifestieren sich entlang von Störungszone in der Nähe eines Vulkans. Sie können z.B. durch steigenden Druck in einer Magmakammer ausgelöst werden, oder wenn Magma in die Erdkruste eindringt, oder absinkt. Diese Beben spiegeln nicht direkt Magmabewegungen wieder, sondern es sind wie tektonische Erdbeben Reaktionen auf geänderte Spannungsverhältnisse im Gestein. Diese Erdbeben werden auch Hochfrequenz-Erdbeben genannt. Die Erdbebenwellen schwingen im Bereich von 5-15 Hz.
Langperiodische Erdbeben (LPs, oder long-period-earthquakes) werden durch Vibrationen von Fluiden erzeugt die sich im Gestein bewegen und dieses zum Bersten bringen. Zu diesen Fluiden zählen neben Tiefenwässern und Gasen insbesondere Magmen. Treten langperiodische Erdbeben auf werden sie meistens als Anzeichen eines bevorstehenden Vulkanausbruchs angesehen. Für sich alleine genommen sind sie noch kein hinreichendes Kriterium zur Vorhersage eines Vulkanausbruches. Als der Mount St. Helens im Jahr 2004 mit der effusiven Eruption eines Lavadoms begann, wurde diese Tätigkeit von zahlreichen LPs begleitet. Langperiodische Erdbeben schwingen im Frequenzbereich 1-5 Hz und werden auch als Niedrigfrequenz-Erdbeben bezeichnet. Sie bestehen nur aus P-Wellen, während S-Welle fehlen. Die Hypozentren dieser Beben liegen meistens in geringer Tiefe, daher werden diese Beben auch als "flache Erdbeben" (shallow earthquakes) bezeichnet.
Tremor ist die dritte Form vulkanisch bedingter Erdbeben. Er wird auch harmonischer Tremor genannt und ist ein beständiges langperiodisches Signal. Tremor geht nahtlos aus kontinuierlich anhaltenden langperiodischen Erdbeben hervor. Wie langperiodische Erdbeben, so schwingt auch der harmonische Tremor meistens in einer Frequenz zwischen 1-5 Hz. Ein harmonisches Tremorsignal im Seismogramm wird als irregulär sinusoidal beschrieben. Auf dem Seismogramm erhält man ein gleichförmiges Signal ohne einzelne Höhepunkte und ohne Unterscheidung in S und P-Wellen. Er beginnt oft kurz vor einer Eruption und hält auch während dieser an. Wenn Tremor registriert wird, steht der Vulkan mit großer Wahrscheinlichkeit unmittelbar vor einer Eruption. Trotzdem kann auch Tremor vorkommen, ohne das der Vulkan tatsächlich ausbricht. Zudem gibt es einige Sonderformen des Tremors. Man geht davon aus, dass harmonischer Tremor durch die Interaktion von Gas und Magma während des Aufstieges im Fördersystem eines Vulkans entsteht. Druckschwankungen bringen das Magma zum Wackeln und Schwingungen werden angeregt. Tremor erzeugt Infraschall, den man mit einem technischen Trick hörbar machen kann. Man spricht dann auch vom "Schrei des Vulkans".
Neben diesen 3 Grundformen vulkanisch bedingter Beben kann man auf Seismogrammen auch Signale der direkten Auswirkungen einer Eruption sehen. Eine Art zeigt sich in Form von Explosions-Beben. Sie sehen ähnlich wie VTs aus, zeigen im Seismogramm aber noch einen einzelnen Strich der Luftdruckschockwelle nach dem eigentlichen Bebensignal.
Signale pyroklastische Ströme und Schuttlawinen verlaufen anders herum als Signale tektonischer Erdbeben. Sie fangen mit kleinen Amplituden an und werden zum Ende des Signals immer größer.
Vulkanisch bedingte Erdbeben haben meistens eine relativ geringe Energie und sind weitaus schwieriger zu registrieren, als stärkere tektonische Erdbeben. Daher besteht oft Verwechslungsgefahr zu Störquellen, die die vulkanisch bedingten Erdbeben auch überlagern können. Solche Störquellen können vom Menschen gemachte Vibrationen und Erschütterungen sein, aber auch von Sturm, Eisbewegungen und Meeresbrandung verursacht werden. Daher ist es für den Laien oft sehr schwierig entsprechende Seismogramme und Spektogramme zu interpretieren.
Quellen: Pacific Northwest Seismic Network, Geonet, USGS
Stand Januar 2015