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Eine Reportage von Jens Edelmann
Übersicht der Vulkangebiete
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Mit einem Alter von lediglich rund 50 Millionen Jahren ist die Landbrücke zwischen Nord- und Südamerika geologisch gesehen sehr jung. Sie entstand erst während des Tertiär durch die Kollision der Karibischen Platte und der von Westen her vorrückenden Cocos Platte. Die damit verbundene Subduktion der Cocos Platte unter die Karibische Platte dauert bis heute an. Durch Risse an den Plattengrenzen dringt Magma bis an die Erdoberfläche und lässt Vulkane entstehen.
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Prinzipiell lassen sich die Vulkane in Costa Rica`s in zwei Haupttypen untergliedern - Stratovulkane und andesitische Schildvulkane. Daneben treten Calderen und ausgedehnte Ash-flow Tuffgebiete in Erscheinung (z.B. Miravelles-Caldera, Tiribí-Tuff, Guanacaste-Tuff).
Die aktiven Vulkane Costa Rica`s befinden sich in folgenden Gebieten:
Auch das im Süden des Landes gelegene, höchste Gebirgsmassiv Costa Rica`s, der Cerro Chirripó (3.820 m) wird von einem alten, erodierten Vulkankomplex gebildet.
Das Land Costa Rica
Costa Rica bedeutet übersetzt "reiche Küste". In der Tat ist das Land reich - an herrlichen Nationalparks, an Vulkanen, einsamen und weniger einsamen Stränden, einer enorm artenreichen Tier- und Pflanzenwelt. Dass Costa Rica mit einer vorzüglichen Infrastruktur aufwartet und mit seinen mittelamerikanischen Nachbarländern nicht viel mehr gemein hat, als die geografische Lage, macht es für all jene interessant, die einen erlebnisreichen, zugleich aber sicheren Lateinamerika-Urlaub verbringen möchten.img src="costarica/01.jpg" width=250 height=161 border=0 alt="">Die einstige, von der US-amerikanischen United Fruit Company beherrschte Bananenrepublik, befindet sich seit Mitte der 1980er Jahre im Wandel. "Ökotourismus" lautet das Schlagwort. Costa Rica setzt konsequent auf die Dollars ausländischer Touristen, die in seinen wahrhaft paradiesischen Nationalparks eine Vorstellung davon bekommen, wie die Erde am Tag der Schöpfung ausgesehen haben könnte. Ein Konzept, das funktioniert. Neben Kaffee und Bananen ist der Tourismus zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor Costa Rica`s avanciert. "Öko" ist allerdings aber nicht nur "in" und richtig, sondern kostet auch eine Menge Geld. Wer in diesen Tagen aus der Eurozone nach Costa Rica reist, bekommt dies zu spüren und wird sich den Namen des Landes wohl eher mit "teure Küste" übersetzen müssen. Eine Cola kostet im Supermarkt knapp 2 Euro, ein Essen in einer Soda (einfaches einheimisches Lokal) um 4 Euro und ein Mietwagen pro Tag mindestens 30 Euro.
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Dennoch: Costa Rica ist ein fantastisches Reiseziel und seine Bewohner, die Ticos, versprühen eine umwerfende Herzlichkeit (wir haben übrigens auch nette Polizisten getroffen!). "Think positiv" scheint hier das alles bestimmende Lebensmotto zu sein. Und nicht zuletzt gehören Costa Rica`s Vulkane zu den interessantesten Mittelamerikas.
Vulkantouren in Costa Rica
Die kleine IBERIA-Maschine schaukelt beim Anflug auf San José von Luftloch zu Luftloch. Es ist 19.00 Ortszeit. Da unsere innere Uhr noch auf die europäische Zeit eingestellt ist und 02.00 Uhr morgens anzeigt, sind wir zu müde, um uns über die Turbulenzen allzu große Gedanken zu machen. San José, die Hauptstadt Costa Rica`s, liegt in einem Hochtal der Zentralkordillere, auf rund 1.000 m Seehöhe. Links und rechts ist das enge Tal von hohen Gebirgsketten umgeben, die einen regelrechten Windkanal erzeugen. Kein Wunder, dass das Flugzeug dermaßen unruhig in der Luft liegt. Landung, Einreiseformalitäten, Fahrt ins Hotel. Endlich schlafen.Der nächste Morgen. Wir haben Glück und können uns für den übernächsten Tag mit den Vulkanologen vom Seismologischen Dienst Costa Rica`s (OVSICORI) zu einigen Exkursionen verabreden. Erstes Ziel soll der Turrialba sein. Bevor wir zu den "heißen Zacken" durchstarten., wollen wir uns aber zunächst ein wenig akklimatisieren und den Jet-Lag loswerden. Eine Tour zu dem als erloschen geltenden Barva-Vulkan in der Nähe von Alajuela, erscheint uns dafür das Beste.
Barva
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Von seiner interessanten vulkanologischen Geschichte bekommt man im Gelände allerdings nicht viel mit, da fast der gesamte Berg mit üppiger tropischer Vegetation bedeckt ist. Bis 1999 war über die Eruptionen dieses Vulkans kaum etwas bekannt. Erst neuere Untersuchungen ergaben, dass die Barvacaldera im Verlaufe von rund 600.000 Jahren ausgedehnte Tuffdecken (Tiribi-Tuff) produzierte, die sich über eine Entfernung von mehr als 75 Kilometern bis zum Pazifik nachweisen lassen. Wir genießen es, ungestört im Nebelwald umher zu wandern und verbringen auf diesem Vulkan einen herrlichen Urlaubstag.
Turrialba
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Die Gipfelcaldera des Turrialba trägt zwei Krater, von denen einer (der SW-Krater) gegenwärtig noch aktiv ist. Aus diesem erfolgte auch von 1864-66 die vorläufig letzte Eruption dieses Vulkans.
Der zweite Krater (NO-Krater) ist inaktiv und führt gelegentlich einen Kratersee (Regenwasser). Im Sattel zwischen den beiden Kratern sind schöne Sedimente des Kratersees (Lake deposits) aufgeschlossen. Im aktiven Krater befinden sich zudem zahlreiche Fumarolen. Neue Frakturen der nördlichen Kraterwand, aus denen ebenfalls Fumarolengase austreten, künden von der hohen seismischen Aktivität dieses Vulkans. Durchschnittlich werden hier pro Monat 200 Erdbeben in relativ geringer Tiefe (3-11 Km) registriert. Die Temperatur der Fumarolen liegt bei etwa 90 Grad Celsius.
Irazú
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Im Gipfelkrater des Vulkans befindet sich zurzeit ein großer, tiefer, schwefelgrüner und säurehaltiger See, der während der jüngsten Eruptionsphase ausgeworfen wurde. Schlammströme, die sich während der Regenzeit des Jahres 1963 aus Vulkanaschen bildeten und im Flusstal des Rio Reventado niedergingen, zerstörten 300 Häuser.
Der Irazú besteht insgesamt aus fünf Eruptionszentren: 1.) dem 1050 m breiten und 300 m tiefen Hauptkrater mit dem grünlich schillernden, schwefelhaltigen Kratersee
2.) dem zuletzt im Jahre 1723 aktiven, 690 m breiten und 80 m tiefen Diego de la Haya Krater
3.) dem Playa Hermosa Krater, einem aschebedeckten älteren Eruptionszentrum
4.) dem Laguna Krater und
5.) einem pyroklastischen Kegel (Cono Piroclástico).
Seit 1955 ist der Irazú Nationalpark und wird, aufgrund der vorzüglichen Straßenverbindung von und nach San José und Cartago von vielen Touristen frequentiert.
Poás
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Hoffentlich spielt das Wetter auch diesmal mit, denn genau wie der Irazú ist auch der Poás eine Wetterküche. An sehr vielen Tagen im Jahr sieht man überhaupt nichts und kann nur ahnen, wo sich der türkisfarbene Kratersee befindet. So war es auch beim Test vor einer Woche, als wir uns gemeinsam mit 50 schnatternden amerikanischen Touristen abmühten, ein Blick auf den See zu erhaschen.
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Baden, Ausruhen, Sonne tanken, Pelikane beim Fischen beobachten. Hier könnte man ewig bleiben... Wir nicht. Nach dem zweiten Tag schon denken wir an nichts anderes, als an die Vulkane und sehnen den kommenden Mittwoch herbei. Hoffentlich klappt alles!
Dienstagabend. Alajuela, das schon vertraute Hotel. Ein banger Anruf bei Wendy, zur Sicherheit. So sind wir Deutschen eben. - Ja, es bleibt dabei. Aufatmen. Morgen geht es zum Poás. Noch ein prüfender Blick zum Himmel, das Wolkenbild sieht gut aus. Und es geht Wind. Wind bedeutet hier meistens einen klaren Himmel. Meistens.
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Wir begrüßen uns. Mit Raul waren wir schon am Turrialba unterwegs. Carlos, einen freundlichen 1,90 m Riesen, kennen wir noch nicht. Der Dritte im Bunde ist Pablo, ein argentinischer Kollege. Carlos hat leider auch gleich die erste unerfreuliche Mitteilung des Tages für uns parat: "The crater is impossible for the children", sagt er. "It is too steep and too dangerous". Lange Gesichter bei Grit und Elisa. Grit bleibt mit den Kindern draußen bleiben und geht mit ihnen zur Laguna Boto, dem alten Eruptionszentrum des Poás. Ich danke ihr innerlich auf Knien und freue mich auf ein exklusives Kratererlebnis.
Im Krater
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Der Blick in den Krater mit seinem türkisfarbenen, stark sauren Kratersee und dem dampfenden Dom an seinem Südufer ist äußerst beeindruckend.
Es gibt auf der Welt insgesamt nur vier Kraterseen mit einem derart hohen Säuregehalt (pH-Wert um Null). Deshalb ist es schon etwas Besonderes, hier zu sein.
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"This is a hydrothermal circulation system" erklärt Carlos. "That water is very acidic. It comes from the lake". Und wirklich. Als ich einige Minerale aus einer wunderschönen Alaunstufe von der Kraterwand pickele, tropft mir ein wenig "Wasser" auf die Hose. Eine halbe Stunde später kann ich mein rechtes Knie von draußen betrachten. Lochfraß. Der Poás hat mir zugelächelt.
Eine startende Passagiermaschine der TACA-Airlines rauscht im Tiefflug über den Krater. Ich beneide die Passagiere für einen Moment um den Wahnsinnsblick auf den Vulkan. Solche Tage sind hier oben wirklich selten.
Geschichte des Poás
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Während die Tätigkeit der Laguna Boto vor etwa 3000 Jahren endete, erfolgten die historischen Eruptionen alle aus dem säurehaltigen Kratersee des Antiguo-Kraters. Der See weist zudem gelegentlich - meist während der von April bis Oktober dauernden Regenzeit - auch eine geysirartige Tätigkeit auf. Der Ascheregen, die pyroklastischen Ströme und Lahars des Poás sind vor allem die an den Hängen des Vulkans liegenden Dörfer und die etwa 30 Km entfernt liegende Stadt Alajuela eine ständige Bedrohung. Durch die Ausbruchsserie von 1955 wurde die Morphologie des Hauptkraters stark verändert und der Kratersee durch die Auspressung eines Doms an seiner Südseite halbiert. Der südliche Teil des alten Seebeckens trocknet während der Sommermonate meist aus, wird im Winter jedoch meist aus einem Gemisch aus Säure und Regenwasser überschwemmt.
Carlos mißt den pH-Wert der Lagune. Fast triumphierend ruft er "Zero!". Die Messung der Seetemperatur führt zu einem noch überraschenderen Ergebnis. Sie beträgt lediglich 22 Grad Celsius. Ziemlich kalt für den Poás. Eigentlich hatte ich hier eine kochende Brühe erwartet. Aber auch dafür hat Carlos eine Erklärung parat. Der Seespiegel ist während der letzten drei Wochen um sechs Meter gestiegen. Über die Ursachen sind sich die Vulkanologen noch nicht im Klaren. Um meteorisches (d.h. von der Oberfläche stammendes) Wasser kann es sich jedenfalls nicht handeln, da es während der letzten Monate nur selten geregnet hat. Eines der ungelösten Rätsel des Poás.
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Ich bin tief beeindruckt, fürchte aber, dass sich die Fumarolengase in ähnlicher Weise auch an meiner Kamera zu schaffen machen. Der trotz Gasmaske heftig hustende Raul wiederholt seine Versuche. Scheinbar macht ihm großen Spaß, in diesem Höllenschlund zu arbeiten und uns seine Kunststücke vorzuführen.
Auf dem Rückweg unterhalten wir uns über die Methoden zur Überwachung des Vulkans. Für elektromagnetische Messungen (z.B. das LOTEM-Verfahren [Long-Offset Transient Electromagnetics], wie sie u.a. von den Geophysikern des GFZ Potsdam mit großem Erfolg am Vesuv und dem Merapi in Indonesien durchgeführt wurden, fehlt der Universität Costa Rica vor allem das Geld zur Anschaffung der erforderlichen Apparaturen. Schade, denn gerade das LOTEM-Verfahren wäre geeignet, hydrothermale Systeme und wassergesättigte Schichten im Inneren des Vulkans aufzuspüren. Vielleicht ließen sich hierdurch auch Antworten für das merkwürdige Steigen und Fallen des Kratersees finden.
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Die Menschen im Tal fahren ihre Autos, bestellen die Felder, gehen zur Arbeit. Kaum einer weiß etwas über Carlos und Raul, die bei der Überwachung des Feuerbergs ihre Gesundheit aufs Spiel setzen. "Wenn es möglich ist", sagt Carlos "würde ich eines Tages gern nach Europa kommen und die italienischen Vulkane studieren". Auch ich hoffe, dass dies kein Traum bleibt und als ich Carlos zum Abschied mein Digitalthermometer schenke weiß ich, dass ich in Costa Rica Freunde gefunden habe.
Literatur:
Williams-Jones, G., Stix, J. et al, A model of diffuse degassing at three subduction-related volcanoes, Bulletin of Volcanology, vol. 62, Nr. 2, Springer-Verlag 2000, S. 130-143Alvarado, G.E., Soto, G.J., Pyroclastic flow generated by crater-wall collapse and outpouring of the lava pool of Arenal Volcano, Costa Rica, Bulletin of Volcanology, vol. 63, Nr. 8, Springer-Verlag 2002, S. 557-568
Hannah, R.S., Alvarado, G.E. et al, Origin of silicic volcanic rocks in Central Costa Rica; a study of a chemically variable ash-flow sheet in the Tiribí Tuff, Bulletin of Volcanology, vol. 64, Nr. 2, Springer-Verlag 2002, S. 117-133
Kraus, E.C., Die Entwicklungsgeschichte der Kontinente und Ozeane, Akademie-Verlag Berlin, 1971, S. 217-220
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Für Jens Edelmann (36) aus Dresden sind die Vulkane längst mehr als ein Hobby. Deshalb vergeht kaum ein Tag, an dem er sich nicht mit ihnen und ihrer Aktivität beschäftigt. Sein besonderes Interesse gilt dabei den Feuerbergen Südostasiens, die er bereits im Rahmen mehrerer Reisen nach Indonesien und den Philippinen besucht hat. Weitere Aufenthalte an den Vulkanen dieses Teils des "Ring of Fire" sind geplant, Grund genug also, auf weitere Reportagen von unserem Co-Autor gespannt zu sein.